... weil Hunde wahre Helden sind. Udo Ingenbrand
Beim Flug von unserer Couch kann ich sie nur mit einer Rakete vergleichen, die mit voller Kraft ins All schießt.
Jedes Mal, wenn sie zu uns kommt, wird auch aus dem dunkelsten ein sonniger Tag, unser Haus füllt sich mit Freude, wir lachen und spielen viel mit dem Hund. Heute kann ich viele einsame Menschen und einfach alle Tierfreunde verstehen – es ist so unbeschreiblich schön, neben sich eine kleine Fellnase zu haben!
Gaia hat übrigens immer Hunger. Sie würde, wenn man es zulassen würde, den ganzen Tag etwas in sich reinstopfen. Mein Schwager sagt immer, dass sie den gefüllten Futternapf in wenigen Sekunden weginhallieren würde und er das Gefühl habe, dass sie die Futterschüssel als Nachtisch gleich mit vertilgen wolle. Anschließend sage ihr Blick jedoch immer: „Oh, ich habe heute noch gar nichts im Magen gehabt. Gib doch noch ein bisschen ... sonst verhungere ich.“
Ich führte einige Gespräche mit meinem Schwager, da ich der Meinung war, dass die Portionen viel zu klein wären und die kleine Dame tatsächlich immer Hunger habe. Er erklärte mir aber, dass inkonsequente Hundebesitzer, die viel zu viel Futter gäbe, ihrem Tier schaden würden, denn zu viel Liebe bedeute auch zu wenig Erziehung und wo zu wenig Disziplin sei, dort würde ein krankes Tier mit zu viel Speck am Körper aufwachsen. Wir wissen es ja aus eigener Erfahrung – dick wird man schnell, aber abzuspecken dauert sehr, sehr lange. Gaia hat zum Glück sehr konsequente, aber auch liebevolle Besitzer.
Schon nach wenigen Wochen konnte sie mehrere Kommandos ausführen. Zur großen Freude meiner Kinder! Nun muss der Hund liegen, stehen, Pfote geben. Wieder stehen, liegen, Pfote geben.
„Schluss damit“, sage ich nach einiger Zeit immer zu meinen Kindern. „Jetzt braucht Gaia ihre Ruhe.“ Wir gehen alle aus dem Zimmer. Und Gaia streckt sich auf ihrer Kuscheldecke und schläft ein. Ein Hundeleben kann wohl sehr schön sein!
Mittlerweile ist Gaia sieben Monate alt. Im Laufe der Zeit hat sie viel gelernt: Sie geht nur noch draußen ihr Geschäft verrichten. Sie führt einige Kommandos ohne Probleme aus und hört richtig gut auf ihr Herrchen. Spazieren gehen ist sehr entspannt und es macht uns allen eine riesen Freude, mit ihr die so große Welt zu entdecken. Aber am allerwichtigsten ist, dass sie sehr freundlich, lieb und vertrauensvoll ist. Wir genießen die Zeit mit ihr und hoffen, dass es noch viele schöne Momente geben wird, wenn Gaia mal wieder bei uns ist.
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Voll aus dem Leben
In über fünfzig Jahren haben wir bisher mit sieben Hunden zusammengelebt, oft gehalten als Einzelhund und zweimal im Doppelpack. Meist haben wir älteren Vierbeinern ein Zuhause gegeben, bis auf zwei Ausnahmen, auch wenn diese schon mehr als fünf Jahre auf dem Buckel hatten, hat uns dies nicht davon abgehalten. Unser derzeitiger Begleiter war, da wir selbst auch nicht mehr die Jüngsten sind, bei der Übernahme zehn und ist jetzt mittlerweile dreizehn Jahre alt – und das bei einem Gewicht von fünfzig Kilogramm.
Alle unsere Hunde haben wir immer aus Tierheimen geholt, etwas anderes kam für uns nie infrage. Alle hatten ihre Macken, wurden aber immer zu Freunden und wunderbaren Familienhunden. Bei einigen mussten wir einen Hundetrainer zurate ziehen, aber das immer nur so lange, bis wir selbst unsere Lektion mal wieder gelernt hatten. Von den beiden Hunden, die uns am intensivsten in Erinnerung geblieben sind, möchte ich erzählen:
Da gab es den Riesenschnauzer Blanka, die rassige Schwarze aus dem Tierheim Frankfurt, damals ungefähr zwei- bis dreijährig, reinrassig, vom Tierschutz aus einem Trinkerhaushalt gerettet und dann zu uns gekommen.
Der Anfang war schon kurios. Im Auslauf befanden sich vier Hunde, dabei Blanka, eine Domina. Als ich am Zwinger vorbeiging, rührte sich keiner. Na ja. Als mein Mann am Auslauf vorbeikam, sprang Blanka von ihrem Hochsitz, ran ans Gitter, wedelte mit ihrem Stummelschwanz, als hätte sie einen alten Bekannten getroffen, und lief direkt zur Tür – sie wollte mit. War es Liebe auf den ersten Blick? Wir nahmen sie mit und haben es nie bereut, über zehn Jahre lang.
Zu Hause angekommen, wir wohnten damals in einem Bungalow mit offenem Wohnbereich, hatten wir für Blanka den Eingangsbereich als Schlafzone angedacht. Von wegen! Da ja Türen fehlten, hatten wir vor unser Schlafzimmer mit Decken und Kissen eine provisorische Absperrung gebaut. Kaum waren wir im Bett, hörten wir ein herzzerreißendes Winseln vor unserem Schlafzimmer, die gedachte, unüberwindbare Deckenhürde war genommen. Die nächste Barrikade war vermeintlich stabiler: Stühle, Tisch, Blumentöpfe und so weiter. Nach kurzem Krach und lautem Scheppern war auch diese Hürde überwunden. Die Domina legte sich sofort – und von da immer – in unser Schlafzimmer und war zufrieden. Sie hatte sich wohl zur Aufgabe gemacht, uns von nun an zu bewachen. So war unser erster Tag, wir haben diesen Tag nicht bereut.
Nach einigen Jahren, wir wohnten nun im ersten Stock einer Doppelhaushälfte, wurde der Balkon der Nachbarn renoviert. Plötzlich raste Blanka aus der Küche in Richtung Wohnzimmer, von dort kam ein lauter Hilfeschrei. Der Maler war in der Absicht, den Balkon zu streichen, wohl von dem einen Balkon auf unseren geklettert und stand jetzt mit den Pfoten von Blanka auf seiner Schulter eingekeilt in der Balkonecke, zitternd und totenbleich, aber sonst unversehrt. Auf Befehl ließ Blanka natürlich sofort von ihm ab. Ich bin noch heute davon überzeugt, dass der Maler nach dieser Begebenheit nie mehr zum Einbrecher wurde.
Blanka hat damals wiederum Rudelsorge bewiesen, besonders ausgeprägt zeigte sie diesen Zug bei unseren regelmäßigen Wanderungen im Pfälzer Wald. Blanka war da absolut in ihrem Element, egal wie groß die Gruppe auch war, und wenn sie Hunderte Meter auseinandergezogen war – Blanka lief Runde um Runde, zählte wohl unentwegt ihre Schäfchen. Als höfliche Hundedame brachte sie dabei jedes geworfene Stöckchen dem Werfer zurück, um sich jedes Mal bei mir ein Lob zu holend, und dann zur nächsten Runde losspurtend. Abends lag sie erschöpft auf ihrem Hundebett, selig und wahrscheinlich im Traum die abgelaufenen Runden zählend. So war Blanka – sportlich, zäh, um ihr Rudel immer besorgt, eine liebevolle Hundekameradin.
Wir haben sie geliebt. Wir haben sie vermisst.
Ihr Nachfolger war ein afghanischer Riesenschnauzer-Mix, hochbeinig, riesig, schnell wie der Wind und, wie sein Name Strolch schon sagt, ein wahrer Schelm. Ebenfalls aus dem Tierheim und damals bereits sechs Jahre alt. Er verlebte bei uns noch sehr rüstige weitere fünf Jahre.
Strolch liebte das Autofahren, aber nur, wenn er – und wenn es zweihundert Kilometer waren – ununterbrochen Bellen durfte bis zum Erbrechen. Einer Erlaubnis bedurfte es dazu selbstverständlich nicht. Sonst war er lautlos, mit einer Ausnahme – und das war seine zweite Macke, über die das Tierheim informiert hatte: Er mochte keine roten Frauenkleider, auch nicht an Schaufensterpuppen. Bei roten Kleidern sah er sicher rot, setzte sich auf die Hinterläufe und heulte wie ein ganzes Wolfsrudel, sehr lange und lang anhaltend.
Interessant eine weitere Macke: Küssen verboten! Demonstrativ setzte er sich in solchen absehbaren Fällen zwischen meinen Mann und mich, harmlos zwar, aber aus war es.
Strolch konnte mit seiner Schnauze unsere Wasserhähne aufdrehen, aber nicht wieder zu. Um die Wasserrechnung nicht ins uferlose steigen zu lassen, konnten wir ihn nie lange alleine im Haus lassen.
Unsere Freunde beschwerten sich, dass unser Telefon des Öfteren, ein Apparat mit Hörer aus dem letzten Jahrhundert, beim Anrufen zwar abgenommen wurde, aber niemand sich meldete, sie hörten noch ein Tapp … Tapp … dann nur noch Stille. Zusätzlich meldete sich noch die Telefongesellschaft, um uns darauf aufmerksam zu machen, dass unser Telefon wiederholt ausgehängt blieb und somit auf Dauer das örtliche Netz gestört würde. Unsere Überprüfung ergab: Unser Schelm war ein höflicher Hund, beim ersten Klingelton hob er ab und reservierte schon Mal den Anruf für uns. Wir konnten nur Abhilfe schaffen, indem wir zukünftig das Telefon in gut zwei Meter Höhe deponierten. Der Schelm konnte alle nicht verschlossenen Türen öffnen und so auch ab und an Nachbarn alleine besuchen.
Ein Höhepunkt war eines Tages die eigene Futterversorgung. Den Futtereimer – mindestens fünf Kilogramm schwer – schleppte er per Schnauze vom Keller in die Küche, und zwar dorthin, wo er normalerweise gefüttert wurde, haute sich den Magen voll und wurde anschließend von uns so aufgefunden: