Die Romantik. Ricarda Huch

Die Romantik - Ricarda Huch


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schließt er so: »Dann, wenn ich in finsterer Stille noch lange horchend dasitze, dann ist mir, als hätt' ich ein Traumgesicht gehabt von allen mannigfaltigen menschlichen Affekten, wie sie, gestaltlos, zu eigener Lust, einen seltsamen, ja fast wahnsinnigen pantomimischen Tanz zusammen feiern, wie sie mit einer furchtbaren Willkür, gleich den unbekannten, räthselhaften Zaubergöttinnen des Schicksals, frech und frevelhaft durch einander tanzen.«

      Es ist die leise Gewissensangst des Träumers, der die heilige Erlöserkraft des Lichtes ahnt und es doch flieht. Vorwitzig hat er das Thor zum Hades seines Innern aufgerissen, und nun schweben die bleichen Schatten ihm nach, umdrängen ihn und verlangen Leben. Hätte er sie in das Lichtreich seines Bewußtseins geführt, so wären sie entweder, wie man aus vielen Märchen weiß, augenblicklich zerflattert oder in Asche zerfallen, oder aber der mächtige Strahl hätte ihre Leiber verklärt in Kunst. Nun aber, da sie zurück nicht können, werden sie in ihrer Todesnoth zu Vampyren und saugen ihm bis auf den letzten, zitternden Tropfen das junge Blut aus.

      Es ist der Irrthum der meisten modernen Künstler, daß sie, weil sie ihr Bewußtsein mit den Gestalten der Unterwelt zu bevölkern begonnen haben, nun aus der Oberwelt ein Reich der Finsterniß zu machen suchen, während sie grade des Lichtes am meisten bedürfen. Ihre Unterwelt entvölkert sich, ein Schaffen im Unbewußten ist für sie unmöglich geworden, aber sie könnten dasselbe im Bewußtsein erreichen; denn, sagt Novalis, der vollkommen Besonnene heißt der Seher. Es ist wahr, daß sie zunächst durch die Aushöhlung des unterirdischen Reiches schwankend und unkräftig werden, aber durch Verbreitung künstlicher Dunkelheit können sie es nicht wieder ausfüllen. Tieck war von dieser Schwäche, auch dem Bewußten den Schein des Unbewußten aufzuzwingen, nicht frei. Viele seiner Gedichte sind in einem Ton des Stammelns und Lallens gehalten, der nicht kindlich, sondern albern ist. Zuweilen macht es den Eindruck, als habe er glücklich sein aufmerksames Bewußtsein halbwegs eingeschläfert und bemühe sich nun eilig, ehe es wieder zu sich kommt, so viel Worte wie möglich hervorzusprudeln; oder als kneife er die Augen zu, um sich einbilden zu können, er träume. Das Bestreben immer, »aus dem Innersten zu reden«, wie es die Romantiker unter sich nannten, verführt zu Simili-Offenbarungen. An den affektirten Faseleien seiner Nachahmer erkannte Tieck mit Schrecken, wohin seine Art führen konnte, und er hat in dem Schwank »Der Autor«, in der Scene, wo der Bewunderer dem Autor seine Gedichte vorlesen will, ein allerliebstes warnendes Beispiel davon gegeben.

      Autor:Sie drücken sich aber kuriose aus.

      Bewunderer:Es muß immer aus dem innersten Gemüth heraus, Und oft will es nicht weichen und wanken, Oft fehlen wohl selber die Gedanken, Da muß man die Sprache recht bei der Wurzel kriegen, Aus dem Innersten sprechen, es mag brechen oder biegen, So ist es mir schon oft gelungen, Zu gerathen auf treffliche Vorstellungen.

      Worauf er folgendes Gedicht vorträgt:

      Stille, stille

       Wie die Welle,

       In den Seen

       Blumen stehen,

       An dem Rande

       Sanfte Bande,

       Und es flimmern

       In den Schimmern

      Süße Töne,

       Ach wie schöne!

       Komm und kröne

       Mein Verlangen,

       Denn dein Bangen

       Ist so ferne

       Wie die Sterne,

       Liebesblicke

       All mein Glücke,

       Binden Flammen

       Sich zusammen,

       Daß sie schwammen;

       Ach die schöne Zeit,

       Weit! weit!

      Ob wir nun in der Romantik bald auf ein Ausschweifen in dunklen Gefühlen treffen, bald auf Vergötterung des Kunstverstandes und der Kritik, das möchte ich eben vor Allem betonen, daß das Ideal der romantischen Aesthetik eine Vereinigung von Fühlen und Wissen war. Das will auch die lange Erklärung Friedrich Schlegel's sagen, von der ich nur den Anfang hier anführen will:

      »Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennten Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen und die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will und soll auch Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald vermischen, bald verschmelzen.«

      Das Wort »romantisiren«, das besonders bei Novalis häufig vorkommt, kann man zuweilen durch »Bewußtwerden« oder »Bewußtmachen«, bald durch »Unbewußtwerden«, »Unbewußtmachen« übersetzen. Aus der Fülle der diese Ansicht beleuchtenden Aphorismen kann ich nicht unterlassen, noch einige hier zusammenzustellen.

      »Genie ist zwar nicht Sache der Willkür, aber doch der Freiheit, wie Witz, Liebe und Glauben, die einst Künste und Wissenschaften werden müssen. Man soll von Jedermann Genie fordern, aber ohne es zu erwarten. Ein Kantianer würde dies den kategorischen Imperativ, die Genialität nennen.«

      »In jedem guten Gedicht muß Alles Absicht und Alles Instinkt sein. Dadurch wird es idealisch.«

      »Die ganze Geschichte der modernen Poesie ist ein fortlaufender Commentar zu dem kurzen Texte der Philosophie: alle Kunst soll Wissenschaft und alle Wissenschaft soll Kunst werden; Poesie und Philosophie sollen geeinigt sein.«

      »Durch Kunst allein wird der Menschen zu einer leeren Form; durch Natur allein wird er wild und lieblos.«

      »Das Vorrecht der Natur ist Fülle und Leben; das Vorrecht der Kunst ist Einheit.«

      »Reine Liebe ist schlechthin arm; alle ihre Fülle ist eine Gabe der Natur. Reine Natur ist nichts als Fülle; alle Harmonie ist ein Geschenk der Liebe. Freundlich begegnen sich ihre beiden Unendlichkeiten und bilden ein neues Ganzes, welches als die Krone des Lebens Freiheit und Schicksal vereinigt.«

      Diesen Aussprüchen von Friedrich Schlegel füge ich noch einige von Novalis hinzu:

      »Die Natur wird moralisch sein, wenn sie aus echter Liebe zur Kunst sich der Kunst hingiebt, thut, was die Kunst will, die Kunst, wenn sie aus echter Liebe zur Natur für die Natur lebt und mit der Natur arbeitet. Beide müssen es zugleich aus eigner Wahl, um ihrer selbst willen, und aus fremder Wahl, um des Andern willen thun. Sie müssen in sich selbst mit dem Andern und mit sich selbst im Andern zusammentreffen.«

      »Alles Unwillkürliche soll in Willkürliches gewandelt werden.«

      »Die Trennung von Philosoph und Dichter ist nur scheinbar und zum Nachtheil beider. Es ist ein Zeichen einer Krankheit und krankhaften Constitution.«

      »Jetzt ist der Geist aus Instinkt Geist, ein Naturgeist, er soll ein Vernunftgeist, aus Besonnenheit und durch Kunst Geist sein.«

      Unter diesem Gedankensystem hat Friedrich Schlegel in seinem bedeutendsten Jugendwerk, über das Studium der griechischen Poesie, die antike und moderne Kunst in ihren Unterschieden betrachtet. Er bedient sich, um das Unbewußte und Bewußte zu bezeichnen, gewöhnlich der Ausdrücke Trieb und Absicht, zuweilen auch für Trieb des später durch Schopenhauer geläufig gewordenen Willen. Schon Jakob Böhme nannte den organisch wirkenden Trieb Willen und leitete das Wort ab von dem Wallen des immer schwangeren Geistes, dessen Funktion es sei, die innere Geburtsgestalt mit und in seinem Leibe darzustellen. Die antike Poesie nun, sagt Schlegel, sei eine Schöpfung des Triebes, die moderne eine Schöpfung der Absicht. Was der Trieb hervorbringt, prangt in organischer Vollendung und Fülle; es sei daran nichts zu tadeln, wie jede Pflanze in ihrer Art ist es schön. Nicht genug kann Schlegel die reizende, selige Vollkommenheit jener Naturkunst rühmen, die durch die »chymischen Versuche« des Verstandes, sein willkürliches Scheiden und Mischen, nur zerrüttet wird. Aber nichtsdestoweniger wendete er sich gegen das allgemeine Vorurtheil, es sei die Kunst nichts als eine Frühlingsblüthe der Menschheit, bestimmt, zu blühen, zu reifen und zu welken, nichts als der unwillkürliche Erguß eines leidenschaftlichen Herzens oder eines unbewußten Naturmenschen, nichts als ein süßer Kindertraum, der im Lichte der


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