Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola


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braune Jacken, dunkle Röcke, blaue Blusen, durch rote Gürtel festgehalten; die bunt zusammengewürfelten Waffen, frisch geschliffene Sensen, breite Schaufeln, alte Jagdflinten, leuchteten in der winterlichen Sonne, als in dem Augenblicke, da der zeitweilige General seine kleine Armee abritt, ein Mann, den man in einem nahen Olivenfelde als Schildwache vergessen hatte, lebhaft gestikulierend herbeieilte, mit dem immerfort wiederholten Rufe: Die Soldaten! Die Soldaten!

      Es entstand eine ungeheure Bewegung. Man glaubte anfangs an einen blinden Lärm. Alle Disziplin vergessend stürzten die Aufständischen vorwärts, bis zum Ende des Vorplatzes, um die Soldaten zu sehen. Die Reihen lösten sich. Und als die dunkle Linie der Truppe erschien, in gerader Haltung mit der schimmernden, breiten Linie der Bajonette hinter der Reihe grauer Olivenbäume hervorbrechend, trat eine Bewegung nach rückwärts ein, eine Verwirrung, die ein Erbeben des Schreckens durch die ganze Menge von einem Ende der Anhöhe bis zum andern jagte.

      Inzwischen hatten die Abteilungen von La Palud und Saint-Martin-de-Vaux inmitten des Spazierweges sich wieder in Reih und Glied geordnet und standen in trotziger Entschlossenheit da. Ein Köhler, ein Riese, der alle seine Genossen überragte, schrie, seine rote Halsbinde schwingend: Zu uns her, ihr Leute von Chavanoz, Graille, Poujols, Saint-Eutrope! Hierher Tulettes und Plassans!

      Es gab nun ein tolles Laufen auf dem Vorplatz. Der Mann mit dem Säbel, umgeben von den Leuten aus Faverolles, entfernte sich mit den Abteilungen von Vernoux, Corbière, Marsanne, Pruinas, um den Feind zu umgehen und in der Flanke zu fassen. Andere wieder, die Leute von Valqueyras, Nazère, Castel-le-Vieux, Roches-Noires, Murdaran, stürmten links davon, um sich als Schwarmlinie in der Ebene von Nores aufzulösen.

      Während die Wandelbahn auf dem Vorplatze sich leerte, vereinigten sich alle die Flecken und Dörfer, die der Köhler zu Hilfe gerufen hatte, und diese Leute bildeten eine dunkle, unregelmäßige Masse, gegen alle Regeln der Kriegskunst gruppiert, aber hierhergewälzt wie ein Block, um den Weg zu versperren oder zu sterben. Plassans stand in der Mitte dieses heldenmütigen Bataillons. Unter den grauen Blusen und Jacken inmitten der bläulich schimmernden Waffen nahm sich der Mantel Miettens, die mit beiden Händen die Fahne hielt, wie ein breiter, roter Fleck aus, wie der Fleck einer frischen, blutenden Wunde.

      Plötzlich war tiefe Stille eingetreten. An einem der Fenster der Herberge »Zum weißen Maultier« erschien das bleiche Haupt des Herrn Peirotte. Er sprach und gestikulierte.

      Ziehen Sie sich zurück und schließen Sie die Fensterläden! riefen die Aufständischen wütend. Sie laufen Gefahr, erschossen zu werden.

      Die Fensterläden wurden in aller Hast geschlossen, und man vernahm nichts mehr, als den gleichmäßigen Marsch der herannahenden Soldaten.

      Eine lange, bange Minute verfloß. Die Truppe war jetzt einen Augenblick verschwunden; eine Erdfalte verbarg sie und bald bemerkten die Aufständischen von der Ebene her im Lichte der aufgehenden Sonne die Spitzen der Bajonette, die sich immer mehr näherten, immer größer werdend sich heranwälzten, gleich einem Weizenfelde mit stählernen Ährenspitzen. In diesem Augenblicke glaubte Silvère in dem Fieber, das ihn schüttelte, das Bild des Gendarmen vorbeischweben zu sehen, dessen Blut seine Hände gerötet hatte. Er hatte von seinen Kameraden erfahren, daß Rengade nicht gestorben war, daß er ihm nur ein Auge ausgestoßen hatte; und er sah ihn jetzt deutlich mit der leeren, blutigen, schrecklichen Augenhöhle. Der quälende Gedanke an diesen Menschen, den er seit seinem Aufbruch von Plassans nicht gesehen, war ihm unerträglich. Er fürchtete, daß er Angst haben könne und drückte heftig seine Waffe an sich, die Augen von einem Nebel verschleiert, vor Begierde brennend, seine Waffe abzuschießen und so das Bild des Einäugigen zu verscheuchen. Die Bajonette kamen langsam immer näher.

      Als die Köpfe der Soldaten am Rande des Vorplatzes auftauchten, wandte sich Silvère mit einer instinktiven Bewegung zu Miette. Größer geworden, mit rosig glühendem Antlitze stand sie neben ihm, in die Falten der roten Fahne gehüllt. Sie stellte sich auf die Fußspitzen, um die herannahende Truppe besser zu sehen. Ihre Nasenflügel zitterten in nervöser Erwartung; ihre weißen Wolfszähnchen schimmerten zwischen den roten Lippen. Silvère lächelte ihr zu. Noch hatte er den Kopf nicht von ihr gewandt, als Gewehrfeuer knatterte. Die Soldaten, von denen man erst die Schultern sah, hatten die erste Salve abgegeben. Es schien Silvère, als sei ein heftiger Windstoß über seinen Kopf hinweggefahren, während eine Menge welker Blätter, durch die Kugeln getroffen, von den Ulmen niederfielen. Ein dumpfes Geräusch, wie wenn ein schwerer Ast zu Boden fällt, ließ ihn zur Seite blicken. Er sah den großen Köhler, den Mann, der alle übrigen überragte, am Boden liegen. Er hatte ein kleines schwarzes Loch in der Mitte der Stirne. Nun schoß Silvère seinen Karabiner ab, ohne zu spielen, lud und schoß von neuem. All das sah er wie ein Rasender, wie ein wildes Tier, das an nichts denkt, das nur töten will. Er sah die Soldaten nicht mehr; unter den Ulmen schwebte Pulverdampf gleich Fetzen grauer Musseline. Es regnete noch immer dürres Laub auf die Häupter der Aufständischen; die Soldaten schossen zu hoch. Inmitten des Geknatters vernahm der junge Mensch zuweilen einen Seufzer, ein dumpfes Röcheln; dann entstand in der kleinen Schar ein Drängen, wie um dem Unglücklichen Platz zu machen, der fiel und sich an die Schultern seiner Nachbarn klammerte. Das Feuer währte schon zehn Minuten.

      Da schrie zwischen zwei Salven plötzlich ein Mann: Rette sich wer kann! Ein fürchterlicher Ausdruck des Schreckens lag in diesem Rufe. Es wurden wilde Scheltworte laut; einzelne Stimmen brummten: O, die Feiglinge! Unheilvolle Gerüchte gingen durch die Reihen; der General sei geflohen, die Kavallerie säble die in der Ebene zerstreuten Plänkler nieder. Und das Gewehrgeknatter hörte nicht mehr auf; es folgte Salve auf Salve, mit plötzlich aufblitzenden Flammen den Pulverdampf rötend.

      Eine rauhe Stimme verkündete wiederholt, man müsse hier auf dem Fleck sterben. Aber die andere, die von der Furcht gepreßte Stimme, schrie lauter: Rette sich wer kann! Einzelne Männer entflohen, indem sie ihre Waffen von sich schleuderten und über die Toten hinwegsprangen. Die anderen rückten zusammen. Es waren noch zehn Aufständische da; zwei flüchteten alsbald und von den übrigen lagen bei der nächsten Salve drei getroffen am Boden.

      Die beiden Kinder waren unwillkürlich da geblieben, ohne die Vorgänge zu begreifen. In dem Maße, als die Schar kleiner ward, hielt Miette ihre Fahne immer höher; mit geschlossenen Fäusten hielt sie sie wie eine große Kerze aufrecht vor sich. Die Fahne war schon von Kugeln durchlöchert. Als Silvère keine Munition mehr in der Tasche hatte, hörte er auf zu schießen und betrachtete mit blöder Miene sein Gewehr. In diesem Augenblick zog ein Schatten an seinem Antlitze vorüber, wie wenn ein Riesenvogel mit einem Flügelschlag seine Stirne gestreift hätte. Als er die Augen aufhob, sah er die Fahne den beiden Händen Miettes entsinken. Beide Hände auf die Brust gepreßt, mit zurückgesunkenem Haupte und einem furchtbaren Ausdrucke des Schmerzes drehte das Mädchen sich langsam herum. Ohne einen Schrei auszustoßen sank sie auf die rote Fahne nieder.

      Auf! Erhebe dich! Komm schnell! rief Silvére ihr die Hand reichend. Er hatte nunmehr den Kopf verloren.

      Allein Miette blieb mit weit geöffneten Augen auf dem Boden liegen, ohne ein Wort hervorzubringen. Er begriff und warf sich vor ihr auf die Knie nieder.

      Du bist verwundet? Sprich! Wo bist du verwundet?

      Sie antwortete nicht; von einem kurzen Frösteln geschüttelt, sah sie ihn mit ihren großen Augen an. Er zog ihre Hände von der Brust und fragte:

      Ist's hier?

      Dann zerriß er ihr Leibchen und legte ihre Brust bloß. Er suchte, sah aber nichts. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Endlich entdeckte er unter der linken Brust ein kleines rotes Loch; ein einziger Blutstropfen hing an der Wunde.

      Es wird nichts sein, stammelte er. Ich will Pascal aufsuchen; er wird dich gesund machen. Wenn du nur aufstehen könntest... Kannst du dich nicht erheben?

      Die Soldaten schossen nicht mehr. Sie stürzten nach links davon, um sich auf die Abteilungen zu werfen, die der Mann mit dem Säbel weggeführt hatte. Auf dem leeren Vorplatz war niemand mehr da außer Silvère, der bei Miette am Boden kniete. Mit einer Hartnäckigkeit der Verzweiflung hatte er sie in seine Arme genommen. Er wollte sie aufrichten; allein das Kind ward von dem Schmerze dermaßen geschüttelt, daß er sie wieder auf den Boden legen mußte.

      Sprich


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