Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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Königin, nur die Hauptstadt Stockholm blieb in den Händen der Deutschen. Da riefen nun die Städte Wismar und Rostock mit Johann von Mecklenburg die Seeräuber zu Hilfe, nahmen sie in Sold und schickten sie mit Lebensmitteln nach Stockholm, den Belagerten Mut zu machen. Von der Vitalje nun, die sie unter großen Gefahren einschmuggelten, hießen sie Vitalienbrüder, und den Namen behielten sie bei, als man ihnen später wieder das Handwerk legen wollte. Denn man brauchte die ›Gleichteiler‹ nicht mehr, als es zum Frieden kam und Albrecht mit seinem Sohn auf drei Jahre freigelassen wurde, und sieben von den Hansestädten, darunter auch Danzig, Elbing und Thorn, Stockholm in Pfand nahmen, daß er sich mit sechzigtausend Mark lösen werde, und der Danziger Ratmann von Halle Hauptmann war in Stockholm. Seitdem nannten sie sich wieder ›Gottes Freunde und aller Welt Feinde‹. Nun – aller Welt Feinde sind sie; aber ob unser Herrgott sie wird als Freunde gelten lassen, weil ihre Hauptleute von geraubtem Gute in einer Kirche Stockholms eine ewige Messe stifteten, das mag dahingestellt sein.

      Indes tauchten rechts die Sanddünen von Hela auf, links aber im Norden wurde das ferne Segel immer deutlicher. Die beiden jungen Leute beobachteten es nun auch selbst mit immer gespannterer Aufmerksamkeit. Dann folgten sie Groß, der wieder an den Kapitän herangetreten war.

      Die kecken Burschen haben mehr Leinwand als wir, knurrte der Alte, und der Bauch ihrer Barse ist nicht gefüllt mit Kisten und Tonnen wie meine Holk. Sollen wir auswerfen, Herr Barthel Groß?

      Der Ratsherr zog bedenklich den Mund. Es wäre das äußerste Mittel – und ich zweifle noch sehr, daß es hilft, sagte er.

      Ganz meine Meinung, rief der Kapitän. Um die Spitze kommen wir vielleicht herum, aber dann haben sie uns doch. Kenne mein Schiff wie mich selbst und hab' schon einmal in solcher Fährlichkeit gesteckt. Anno vier war's, da führte ich die ›Maria‹ mit einer Danziger Ladung nach Lissabon. Habt ihr einmal etwas von dem Seeräuber Henry Pay gehört? Nun, der war mit englischen Söldnern aus Plymouth und Dartmouth unterwegs und hielt mich an der spanischen Küste an. Es war an einem fünfzehnten August, mein Lebtag vergeß ich das Datum nicht. In Lissabon verkauften die Schurken die Ladung, das Schiff aber brachten sie nach Dartmouth, und es war viel Geschreibe deshalb, bis sie es auf Befehl des guten Königs Heinrich IV. loslassen mußten. Er ist dem Orden gut gesinnt, weil er selbst einmal, noch als Herzog von Lancaster, eine Kriegsreise gegen die Litauer gemacht und von daher viel Ruhm heimgebracht hat.

      Gehört Euch das Schiff? fragte Hans von der Buche.

      Der Alte schüttelte den Kopf. Nur zwei Parten, antwortete er; und es sind zwölf im ganzen. Vier davon hält Tidemann Huxer, einer der reichsten Danziger Reeder und seit Jahren im Rat. Die andern verteilen sich. Aber es verliert niemand gern das Seinige.

      Gebt Ihr die »Maria von Danzig« schon für verloren? mischte der Blondkopf sich ein. Ich denke, wir sind Manns genug, sie zu verteidigen, wenn's soweit kommt. Dabei blitzten ihm die Augen.

      Der Kapitän zuckte die Achseln. Man kann nicht wissen, wieviel Burschen da an Bord sind. Zu weniger als dreißig oder vierzig pflegen sie sich nicht auf die hohe See zu wagen, und sie sind bewaffnet bis an die Zähne. Man hat mir auch in Lübeck erzählt, daß sie einen Hauptmann mit Namen Marquard Stenebreeker haben, der unter ihnen gute Mannszucht hält. Sprecht Ihr, Herr Barthel Groß! Ihr seid hier gleichsam der Vertreter der Danziger Kaufherren. Sollen wir uns gutwillig ergeben, wenn sie uns doch anlaufen? Oder setzen wir uns zur Gegenwehr auf die Gefahr hin, daß hinterher von einem Vergleich nicht mehr die Rede ist?

      Groß bedachte sich. Es schien ihm eine beschwerliche Sache, hier den Ausschlag geben zu sollen. Ihr führt das Schiff, Kapitän, meinte er dann ausweichend, und habt hier allein zu befehlen. Aber bedenkt Euch wohl, daß Ihr nichts anfangt, das Ihr nicht auch zum Ende führen könnt. Wir wollen sie herankommen lassen und erst zusehen, wieviel ihrer ungefähr sind. Lohnt's dann zu fechten, so hab' ich auch mein Schwert nicht umsonst allezeit bei der Hand.

      Der Alte kniff das linke Auge zu. Sie werden uns schwerlich Zeit lassen zur Musterung, sagte er mit einem grinsenden Lachen. Ich denke, wir wollen, oder wir wollen nicht.

      Wir wollen! rief Heinz. Und rüsten müssen wir uns doch auf alle Fälle, wenn sie uns nicht überrumpeln sollen. Die Burschen glauben Euch mit der Mannschaft allein auf dem Schiff, da sind sie so keck. Nun trifft sich's, daß Ihr noch mehr als ein Dutzend Arme darüber hinaus zur Verfügung habt. Und darunter recht kräftige Arme! – Er blickte zu den drei Rittern hinüber, die sich gern in vornehmer Entfernung hielten und jetzt in der Nähe des Fockmastes aufs Deck gestreckt hatten.

      Pah! Was bekümmert Schiff und Ladung die Passagiere? wandte der Kaufmann ein. Sie werden ihr Leben nicht an ein Abenteuer wagen.

      Sie werden's! antwortete der Blondkopf mit aller Entschiedenheit. Laßt mich die Herren befragen.

      Er schritt sogleich auf die Gruppe zu und stellte die Sache eindringlich vor. Die Ritter mochten bedenken, daß es ihnen in der Gefangenschaft der Räuber bis zur Lösung auch nicht wohl sein würde, und stimmten für den Kampf. Ihre Knechte sollten auch dabei sein, und an Waffen fehlte es ihnen nicht.

      Nun ließ der Kapitän seine Pfeife ertönen. Auf dieses Zeichen sammelten sich sämtliche Schiffskinder um ihn und den Steuermann zur Beratung, der Reffsteuermann, der Zimmermann, der Hauptbootsmann, sechs Bootsleute und einige Knechte und Putken, Jungen von vierzehn oder fünfzehn Jahren, die auf der Reise erst ihren Dienst anfingen.

      Achtzehn Köpfe zählte das Schiffsvolk im ganzen; dazu kamen die Fremden: drei Ritter mit drei Knechten, der Kaufherr, Heinz von Waldstern und sein Geselle Hans von der Buche, ein ganz ansehnliches Häuflein.

      Die Schiffsleute zeigten guten Mut, da sie sich so kräftig unterstützt sahen. Die Steuerleute, der Zimmermann, der Hauptbootsmann und zwei von den Matrosen hatten ihrer bei der Heuer übernommenen Pflicht gemäß Harnische in ihren Kojen. Die Ritter waren gut mit Waffen versehen, und die anderen Passagiere hatten wenigstens ein Schwert und eine Haube in ihrer Lade. Der Kapitän erinnerte sich nun auch, daß er eine große Kiste mit stählernen Platen für den Komtur von Danzig mitbekommen habe, auch eine andere mit einigen Feuerstöcken für die Marienburg. Man machte sich kein Gewissen daraus, sie in der Not zu erbrechen und die Waffen in Gebrauch zu nehmen. Keine halbe Stunde dauerte es, und aus allen Schiffsluken stiegen die Gewaffneten; selbst der jüngste von den Putken hatte eine Eisenschiene umgeschnallt und die Axt des Zimmermanns in bei Hand. Heinz kannte die Bedienung der Feuerstöcke und instruierte die Leute. Der eine mußte das Gewehr halten, und der andere feuerte es mit einer Lunte ab. Auch die Blide auf dem Vorderkastell wurde instand gesetzt und geladen.

      Dann wurde Kriegsrat gehalten. Wir müssen's schlau anfangen, sagte der Kapitän Halewat, damit wir sie vor allen Dingen teilen, denn es sind ihrer jedenfalls mehr als wir. Deshalb dürfen wir unsere Mannschaft nicht gleich sehen lassen, sondern müssen den besten Teil hinter den Luken verstecken, bis sie uns ganz sicher zu haben glauben. Ich und acht oder zehn von unsern Leuten ziehen den Ölrock wieder über den Panzer und setzen den Südwester über den Eisenhut. Sie bilden sich dann ein, daß wir uns friedlich ergeben wollen, und springen in Scharen über, sich des Schiffes zu bemächtigen. Dann brechen die übrigen vor, und der Kampf kann beginnen. Werden wir mit diesen fertig, so dürfen uns die andern wenig Sorge machen; sie werden ihre Barse zu retten suchen und sich eiligst auf die Flucht begeben, zumal, wenn mir mit den Feuerstöcken ihnen eins aufbrennen. Hier an Bord nimmt jeder seinen Mann. Und somit Gott befohlen, Kinder! Den Herren mag ich nichts vorschreiben.

      Er machte ein Kreuz über Brust und Stirn, warf seine Ölkleidung über, nahm dem Steuermann die Pinne aus der Hand, damit er sich gleichfalls rüsten könne, und hielt das Schiff scharf auf die Helaer Spitze. Er führte es so knapp an derselben vorbei, daß der Kiel einen Augenblick den Sand streifte, und gewann dadurch einen kleinen Vorsprung. Der wackere Mann wollte bis zuletzt seine Pflicht tun, den Räubern zu entkommen. Aber die Hoffnung schwand bald völlig; die feindliche Barse war ein guter Segler. Schon erkannte er auf dem Verdeck derselben die bewaffneten Männer, schon konnte er die Köpfe überzählen – mehr als dreißig. Vorn im Bug standen einige handfeste Leute und hielten lange Enterhaken bereit.

      Auf der Holk war's ganz still, als wüßten die Matrosen von keiner Gefahr.


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