Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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Flucht gehindert wurden, die Hände auf den Rücken gebunden. Vier von den Räubern waren getötet, zwölf andere wurden auf diese Weise dingfest gemacht, einige hatten in der See ihren Tod gefunden. Ich denke, wir können zufrieden sein, sagte der Alte.

      Noch nicht ganz, rief Heinz, der aus einer leichten Stirnwunde blutete. Das Gesindel darf uns nicht entkommen. Nun wollen wir ihnen einen Besuch abstatten. Wer folgt mir?

      Laßt's genug sein, meinte der Kapitän, unsere Leute sind erschöpft. Die Barse kommt auch schon frei, und wenn sie erst wieder den Wind in den Segeln hat –

      In diesem Augenblick krachte das Bugspriet und fiel ins Wasser hinab. Die Matrosen auf dem Räuberschiff stießen sofort ab und gewannen freie Fahrt. Heinz stampfte vor Ärger mit dem Fuß auf. Der Sieg ist nur halb! rief er. Gibt's denn kein Mittel? Er sah mit blitzenden Augen der Barse nach, die schon hundert Schritte weit abgetrieben war. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Die Lunte her! Er riß sie einem der Schiffsjungen aus der Hand und eilte damit auf das Vorderkastell. Dort richtete er die Blide, die ganz vergessen war, und feuerte sie ab. Das Glück war ihm günstig; die Kugel traf den Vordermast und brach ihn mitten durch. Der obere Teil mit den Stangen und Segeln fiel über Bord und blieb in den Tauen hängen. Das Schiff gehorchte dem Steuer nicht mehr und drehte sich um sich selbst, während die Mannschaft bemüht war, die Taue zu kappen.

      Nun gab der Kapitän sein Kommando. Die Bootsleute machten die Segel klar; in wenigen Minuten war man hinter dem Feinde her. Barthel Groß gab den guten Rat, die Enterhaken, die noch im Schanzkleide steckten, herauszuziehen und zu benutzen. Bald steckten die spitzen Eisen im Holz der Barse. Ehe die Räuber sie mit den Beilen fortschlagen konnten, lag schon Schiff an Schiff. Die beiden Ritter sprangen über und trieben das schon mutlose Gesindel vor sich her. Nach kurzer Gegenwehr ergab sich die Mannschaft und ließ sich binden.

      So war denn ein glänzender Sieg erfochten, freilich aber auch mancher Verlust zu beklagen. Der Hauptbootsmann, zwei von den Knechten und ein Matrose lagen neben dem Ritter tot auf der Kampfstätte; fast keiner der Lebenden war ohne schwere oder leichtere Wunden davongekommen. Doch war man des schönen Erfolges froh.

      Der alte Kapitän entblößte das Haupt und sprach ein kurzes Gebet für die Toten. Dann sonderte man sie – auch im Tode noch Freund und Feind –, legte die Zusammengehörigen nahe beieinander und bedeckte sie mit Segeltüchern. Im Raum der Barse waren einige Fäßchen Bier gefunden; die wurden als gute Beute betrachtet und ausgestochen. Darauf ging's wieder an die Arbeit. Die Putken ließen an Stricken kleine Tönnchen an der Schiffswand hinab, zogen sie mit Wasser gefüllt hinauf und reinigten den Overlop von dem reichlich vergossenen Blute. Die Schiffsknechte sammelten die Waffen, die den Seeräubern abgenommen waren, und brachten sie in Sicherheit. Einige von den Bootsleuten, noch im Harnisch, wurden auf die Barse geschickt, die gefangenen Matrosen dort in Dienst zu nehmen. Der zerschossene Mast wurde an Bord gezogen, das Räuberschiff mit einem langen Tau am hinteren Greifen der Holke festgelegt und von dieser unter vollen Segeln mitgeschleppt. Der Esping, die größte Schaluppe des Kauffahrers, war flottgemacht und ins Wasser hinabgelassen, damit man im Notfalle zwischen den beiden Schiffen leicht eine Verbindung herstellen könnte. So wurde die Fahrt fortgesetzt.

      Ich hoffe, unseren Gefangenen sind die Hände so fest auf den Rücken geschnürt, sagte Halewat lachend, indem er seine Wunden wusch, daß sie an das Rebellieren nicht denken. Sonst gäb's wohl noch ein Mittel – ha, ha, ha! Wißt ihr, wie's die Stralsunder einmal machten, als eins ihrer Schiffe einen solchen Fang getan hatte? Freilich noch einen besseren! Denn als sie ihre Gefangenen zählten, waren's über hundert, und sie hatten nicht so viel Ketten, Stöcke und Behältnisse, sie alle zu schließen. Da war guter Rat teuer, denn es stand zu befürchten, daß das Gesindel in der Nacht rebellierte. Zum Glück fiel's ihnen ein, daß sie eine große Zahl leerer Tonnen an Bord hatten, denn sie wollten nach Schonen, die Heringe abzuholen. Was taten sie also? Sie schnitten runde Löcher in die Deckel, spundeten die Räuber ein, so daß nur die Köpfe aus den Löchern herausstaken, und stapelten die Tonnen wieder fein säuberlich im Raume auf. So brachten sie die Beute wohlbehalten nach Stralsund, wo der Henker Arbeit bekam. Ha, ha, ha, so unbequem sollen's diese Burschen nicht haben! – Die Geschichte wurde von dem rohen Schiffsvolke weidlich belacht.

      Als man so eine Stunde gefahren war, immer die flache Küste im Auge, merkte der Kapitän, daß sein Schiff ein Leck haben mußte. Es fand sich Wasser im Raume. Die Untersuchung ergab, daß die zweite Kugel hinten durchgeschlagen hatte und die Wellen durch die Öffnung spülten. Es war keine sonderliche Gefahr dabei, aber der Zimmermann wurde doch hinabgeschickt, das Loch mit Tüchern zu verstopfen und ein paar Säcke mit Grütze gefüllt vorzulegen, die von der Schiffskost übrig waren und das nachsickernde Wasser einziehen konnten. Dann wurden die Pumpen in Bewegung gesetzt, damit die geladenen Güter nicht Schaden nähmen.

      Nachmittags langte man am Ausfluß des Weichselstromes an. – Auf der Landspitze links war vom Ordensschloß aus kürzlich ein festes Blockhaus zum Schutze der Einfahrt gegen die Seeräuber errichtet. Einer von den Brüdern hatte dort mit mehreren bewaffneten Knechten sein Quartier als Mündemeister. Um das Haus war im Viereck ein Wall aufgeworfen, über den nach der Wasserseite hin die Köpfe zweier Bombarden schauten. Das Schiff mußte hier anlegen, um dem Mündemeister Rede zu stehen, der zugleich den Pfundzoll erhob, die Abgabe von den eingehenden Gütern, um die fortwährend Streit war zwischen dem Orden und den Städten, und die man dann gemeinsam zu erheben und zu teilen übereingekommen war. Es fand sich auch der von der Rechtstadt angestellte Pfahlknecht mit seinen Leuten und der Hafenwärter ein, den sonderlichen Fang zu besichtigen. Sie waren städtische Beamte und hatten das Bollwerk bei der Einfahrt instand zu halten und die Hafenanlagen zu beaufsichtigen. Das Pfahlgeld zur Unterhaltung des Hafens zahlten die Schiffer aber nicht an sie, sondern legten es erst in der Stadt in der Pfahlkammer nieder, die sich im unteren Raume des Rathauses befand. Kapitän Halewat wußte auch ohne ihre Weisung Bescheid.

      Dann nach der Zollabfertigung ging's weiter mit gutem Winde den mächtigen Weichselstrom hinauf. Die beiden Freunde standen auf dem Vorderkastell und schauten neugierig nach rechts und links um, was sich ihren Augen in der Nähe der großen Handelsstadt neues bieten möchte. Auf beiden Seiten des Flusses breiteten sich anfangs weite Wiesenflächen aus, auf denen hier und dort Pferde und Vieh weideten. Dann wurden rechter Hand Schneidemühlen und kleine Häuser von Holz am Ufer sichtbar. Herr Barthel Groß trat heran und erklärte ihnen, daß sich die Jungstadt Danzig bis hierher hinausziehe. Der Orden hat sie erst vor dreißig Jahren angelegt, sagte er, und tut, was er kann, ihren Handel in Schwung zu bringen, von dem er selbst Vorteil hat. Er übertrug dem Lange Klaus und dem Peter Sandowin die Besetzung, gab ihnen auch vier Freihöfe und den dritten Teil aller Gerichtsbußen. Es wollte mit der neuen Ansiedlung doch nicht ganz nach Wunsch vorwärts, und noch immer sind viele Stellen unbebaut, obgleich die Herrschaft der Stadt zwei Dörfer geschenkt und ihr geholfen hat, das Rathaus und die Kaufhäuser zu bauen. Uns Rechtstädtern ist die Jungstadt kein gefährlicher Nachbar. Sie wird sich niemals ganz frei machen vom Orden, ob sie schon wie wir kulmisch Recht und selbständiges Gericht, auch volle Marktgerechtigkeit hat. Überall reden ihr die Herren in die Verwaltung drein, und jeder Hausbesitzer muß für sich seinen Zins aufs Schloß tragen, während wir aufs Stadthaus zinsen und den Orden durch unseren Kämmerer in runder Summe befriedigen. Das ist ein gar merklicher Unterschied, ob er euch gleich kaum des Redens wert scheinen mag. Denn ein anderes ist's, ob der Bürger sich der Stadt verpflichtet fühlt und nur durch den Rat dem Orden, oder ob die Herrschaft die Hand auf jedes einzelnen Säckel legt.

      Die Häuser traten nun dichter zusammen, freilich von Zeit zu Zeit noch immer durch Holzgärten und Weideplätze getrennt. An den zu zwei und drei eingerammten Pfählen lagen Schiffe und dicht am Ufer Holzflöße. Es war da viel reges Leben bemerkbar. Hier beginnt die Straße auf dem Bollwerk, erklärte der Ratsherr, indem er sich hinter die Junker stellte und die Hand mit dem großen Siegelringe zwischen ihren Schultern vorstreckte. Dort weiter hinein ragt das Rathaus über die Häuser des Ringes hinaus. Ein ganz stattlicher Bau, wie auch das Kaufhaus dort. Aber es gehört ihnen doch nur die Hälfte davon, und sie müssen jährlich alle Einnahmen aus den Kaufstellen mit dem Orden teilen, weil er die Hälfte der Kosten getragen hat. Pah! Wer fremden Beistand anruft, muß auch fremden Rat annehmen. Ich lobe mir's, auf eigenen Füßen zu stehen.

      Ist die Stadt ganz offen? fragte Hans von der Buche,


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