Avatar - Der Herr der Elemente: Der Schatten von Kyoshi. F.C. Yee

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Triade der Goldenen Schwinge!«, schrie er, wutentbrannt über ihr Desinteresse am Zeremoniell seiner Bande. Aber Kyoshi scherte sich schon lange nicht mehr um die Gefühle von Männern wie Mok. Sollte er sich ruhig ordentlich aufregen.

      Das Trommeln der Schritte wurde lauter. Die Männer auf den mittleren Etagen, die Kyoshi auf ihrem Weg nach unten umgegangen hatte, kamen nacheinander in den Raum geströmt und umzingelten sie. Sie reckten ihr Äxte, Hackmesser und Dolche entgegen. Als Moks Männer noch durchs Land gezogen waren, hatten sie ausgefallenere Kampfgeräte vorgezogen, doch hier in der Stadt hatten sie ihre Neun-Ringe-Schwerter und Meteorhämmer gegen schlichtere Waffen eingetauscht, die sich in einer Menschenmenge leichter verstecken ließen.

      Mit der Verstärkung von mehr als zwei Dutzend Männern fühlte Mok sich sichtlich wohler und fragte in ruhigerem Tonfall: »Also, Mädchen, was willst du nun? Abgesehen davon, mal bei deinen Ältesten vorbeizuschauen?«

      »Ich will, dass ihr alle eure Waffen niederlegt, das Grundstück räumt, freiwillig zum Gerichtshaus eines Magistrats marschiert und euch verurteilen lasst. Das nächste ist nur sieben Blöcke entfernt.«

      Ein paar Schergen brachen in Gelächter aus. Einer von Moks Mundwinkeln hob sich. Kyoshi mochte der Avatar sein, aber sie war weit in der Unterzahl und in einem geschlossenen Raum gefangen. »Wir weigern uns«, sagte er und machte eine ausladende Handbewegung.

      »Na schön. Wenn das so ist, hätte ich nur noch eine Frage.« Kyoshi blickte von einem zum anderen. »Gibt’s wirklich nicht mehr von euch?«

      Die Triadenmitglieder warfen sich gegenseitig verwirrte Seitenblicke zu. Mok machte dicke Backen vor Wut und wurde rot wie eine Beere in der Sonne.

      Sie wollte nicht unverschämt sein, es war reiner Pragmatismus. Ihr Sinn für Ordnung und Effizienz drang an die Oberfläche. »Sonst kann ich auch warten, bis alle da sind«, sagte sie. »Ich will nicht noch mal zurückgehen und jedes Stockwerk absuchen müssen.«

      »Reißt sie in Stücke!«, kreischte Mok.

      Die Mordgesellen drangen von allen Seiten auf sie ein. Sie zog einen ihrer Fächer. Beide wären etwas übertrieben gewesen.

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      Kyoshi trat über den Haufen stöhnender Triadenmitglieder hinweg. Immer wenn einer sich nicht regte, stupste sie ihn mit dem Schuh an, bis sie sah, dass er noch atmete.

      Moks Robe, die über der Stuhllehne gehangen hatte, war während der Schlägerei heruntergefallen. Er hatte seinen Stuhl ein paar Handbreit nach hinten gerückt, um die Flucht zu ergreifen, da legte ihm Kyoshi die Hand auf die Schulter und drückte ihn wieder auf die Sitzfläche zurück.

      »Bleib ruhig sitzen, Onkel«, sagte sie. Bei aller Feindschaft war er schließlich immer noch älter als sie.

      Zorn und Furcht rangen in Mok um Vorherrschaft, das konnte Kyoshi bis in die Fingerspitzen spüren. »Jetzt willst du mich also kaltblütig ermorden, wie du’s mit Xu gemacht hast. Blitze und zahllose Messer sollen dich zerfetzen, weil du deine eingeschworenen Brüder erschlagen hast!«

      Dass Mok sie eine Mörderin nannte, störte sie mehr, als sie erwartet hätte. Xu Ping An hatte sich auf ein Duell eingelassen und er hatte sofort versucht, sie umzubringen. Sobald sie die Oberhand gewonnen hatte, hatte sie ihm Gelegenheit zur Kapitulation gegeben. Aber der frühere Anführer der Gelbnacken hatte ihr deutlich gezeigt, dass es für ihn keine Rettung geben konnte.

      Trotz alledem dachte sie in schlaflosen Nächten immer wieder an Xu. Ständig stahl sich der niederträchtige Mann in ihren Geist, wenn sie eigentlich von denen, die sie liebte, hätte träumen können. Ja, sie dachte viel über Xu nach: Wie schwer er sich in ihrem Griff angefühlt hatte und wie sie am Ende des Kampfes einen Entschluss gefasst hatte.

      Kyoshi schüttelte den Kopf. »Beim Lei Tai ist alles erlaubt«, sagte sie. Ihr Handeln laut zu rechtfertigen war eine bittere, unwirksame Medizin, die sie sich dennoch zu schlucken zwang. »Ich werde dich nicht umbringen. Du und deine Männer habt hier hinter den Mauern überraschend schnell Fuß gefasst, wenn man bedenkt, dass ihr den größten Teil eurer Zeit damit verbracht habt, als Banditenbande auf dem Land die Bauern zu drangsalieren. Du hast einen Kontaktmann in Ba Sing Se – und ich will wissen, wer das ist.«

      Mok straffte sich und presste die Lippen aufeinander. Wahre Daofei gaben der Obrigkeit gegenüber niemals Informationen preis, selbst dann nicht, wenn es ihnen Vorteile bringen würde. »Mädchen, der Tag, an dem du mich zum Singen bringst, ist der Tag, an dem ich … auaaa!«

      Kyoshi packte mit den Fingern zu und erinnerte ihn auf diese Weise daran, dass sich die Dinge geändert hatten, seit sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Sie drückte auf die Nerven in seinem Arm, bis ihm klar wurde, wie ihre neue Beziehung zueinander aussah.

      »Es war jemand aus dem Mittleren Ring!«, gestand Mok, sobald er aufgehört hatte, vor Schmerz zu quieken. »Wir haben nur über Mittelsmänner kommuniziert. Ich kenne seinen Namen nicht!«

      Kyoshi ließ ihn los und trat einen Schritt zurück. Sie hatte erwartet, er würde ihr einen Verbrecher aus dem Unteren Ring nennen, jemanden von hier, der ihm vielleicht früher die Bruderschaft geschworen hatte. Der Mittlere Ring war die Domäne der Händler und Akademiker. Irgendetwas passte hier nicht zusammen.

      Mok umklammerte seine Schulter und zog sich hastig vom Schreibtisch zurück. »Wai!« rief er in Richtung der Tür hinter sich. »Jetzt!«

      Kyoshi hatte sich ablenken lassen und den dritten großen Bruder der Gelbnacken vergessen. Die Tür flog auf und Kyoshi blieb keine Zeit zu reagieren.

      Bruder Wai kam mit erhobenem Messer und gefletschten Zähnen auf sie zugesprungen. Den Lederriemen, den er sonst über dem Loch getragen hatte, wo einmal seine Nase gewesen war, hatte er abgelegt, was sein ausgemergeltes Gesicht umso mehr wie einen Totenschädel aussehen ließ. Schon damals bei den Gelbnacken war Wai ein schneller, bösartiger Mann gewesen, und daran hatte sich nichts geändert.

      Als er allerdings erkannte, dass es sich bei dem Eindringling um Kyoshi handelte, mit Make-up und in voller Montur, da keuchte er und erstarrte mitten im Ansturm. Wai war einer der wenigen Augenzeugen gewesen, die sie im Avatarzustand gesehen hatten, und diese Erfahrung hatte den spirituellen Mann tief beeindruckt. Er trat zurück, um ihr mehr Raum zu geben, stieß dabei fast seinen Bruder um und fiel auf die Knie. Das Messer, das er gerade noch auf Kyoshi gerichtet hatte, legte er wie eine Opfergabe vor ihr nieder.

      »Das ist doch nicht dein Ernst!«, schrie Mok, doch Wai senkte sein Haupt und warf sich dem Avatar zu Füßen.

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      Kyoshi trat aus dem Inneren des Wohnblocks auf die Straße hinaus. Der Tag war heller und heißer geworden. Eine Polizeieinheit, uniformierte Wachen aus Ba Sing Se, wartete bereits auf sie. Links und rechts vom Ausgang hatten sie sich aufgereiht. Junge Beamte, die den Avatar noch nie gesehen hatten, starrten Kyoshi an, als sie aus der Dunkelheit hervorkam. Einer ließ seinen Schlagstock fallen und hob ihn hastig wieder auf. Kyoshi ging an den einfachen Wachleuten vorbei, beachtete das Geflüster nicht, nahm ihre Verbeugungen kaum zur Kenntnis, und trat zu Captain Li an der Tür. Er war ein blässlicher Mann, der diesen Job offensichtlich schon zu lange machte, wegen seiner Spielschulden aber noch nicht in den Ruhestand gehen konnte. »Die Absperrung ist eingerichtet«, keuchte er mit seiner Pfeifenraucherstimme. »Hier draußen gibt’s so weit keine Schwierigkeiten.«

      Die meisten Bewohner des Unteren Rings gingen ihren Geschäften nach und kümmerten sich nicht um die anwesenden Gesetzeshüter, doch Kyoshi bemerkte ein paar, die mit gespieltem Desinteresse zusahen, wahrscheinlich Kundschafter anderer fragwürdiger Organisationen. Mit Captain Li zusammenzuarbeiten hieß, dass Kyoshi ihren Daofei-Eid stark strapazierte. Niemals würde sie ein Lakai des Gesetzes werden, das hatte sie ihrer älteren Daofei-Schwester Kirima geschworen, während ihr älterer Daofei-Bruder Wong eine Klinge über ihren Kopf gehalten hatte.

      Allerdings


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