Jung Beck. M. McDonnell Bodkin
„Es ist mein voller Ernst. Kannst du mich bei den Zwillingen einführen?“
„Selbstverständlich; sie haben mich oft genug dazu aufgefordert. Du brauchst gar nicht so den Kopf zu schütteln, die beiden Bertrams sind wirklich ein paar anständige Kerle; dass wir so hitzig gespielt haben, ist lediglich meine Schuld, sie können doch schliesslich nichts dafür, wenn sie gewinnen.“
„Lass die Sache jetzt auf sich beruhen. Ich werde heut abend mitkommen und mir selber ein Urteil bilden.“
Wie ich es vorausgesetzt hatte, fand Beck bei den Zwillingen die herzlichste Aufnahme. Ich sah ihm an, dass er über ihre Wohnung erstaunt war, denn von den Ölgemälden an der Wand bis zu dem türkischen Teppich auf dem Fussboden war alles von gediegenstem Material und feinstem Geschmack. Einschliesslich Tom Staunton bestand unsre kleine Gesellschaft aus fünf Personen. Das Essen war ausgezeichnet, ebenso Wein und Zigarren — die Zwillinge verstanden sich auf dergleichen. Nach Tisch setzten sich unsre Wirte ans Klavier und sangen uns ein komisches Duett vor, mit dem sie in jedem Varieté einen durchschlagenden Erfolg erzielt hätten.
Ich war der erste, der zum Kartenspielen aufforderte, allein die Brüder machten allerlei Einwendungen.
„Lassen Sie die Karten heut abend ruhen, Kirwood, und singen Sie uns lieber etwas vor. Das Spiel hat ja noch Zeit, bis Ihr Glück sich gewendet hat. Wenn Sie allerdings darauf bestehen, müssen wir Ihnen sofort Revanche geben.“
„Beck ist doch heute abend hier; ich möchte nicht, dass er so schnell wieder aufbricht.“
„O, ich verzichte gern aufs Mitspielen,“ sagte Tom Staunton.
„Nein, so ist’s nicht gemeint; wir wechseln natürlich ab.“
„Ich weiss wohl, dass Sie es nicht so gemeint haben,“ erwiderte Staunton mit gutmütigem Lächeln; „aber ich möchte tatsächlich verzichten. Ich bin nicht imstande, hohe Einsätze zu machen, und würde Ihnen Ihr ganzes Spiel verderben. Lassen Sie mich daher nur ruhig trinken, rauchen und zusehen — ich bin ein ausgezeichneter Kiebitz.“
„Dann fordern Beck und ich Sie also auf,“ wandte ich mich an die Zwillinge. „Sie geben Karten.“ Und hurtig machten wir uns ans Werk.
Beck hatte die ganze Hand voller Herzen, Karo und Pik, machte aber nicht Trumpf. Die dritte Hand dublierte. Ihr Partner spielte Treff an, und die beiden bekamen zwei Stiche. Nach hartnäckigem Kampfe gewannen wir durch Becks grossartiges Spiel die zweite Runde, unsre Gegner jedoch die dritte und den Robber.
Da wir den Point zu fünf Schilling spielten, so wurde ein neuer Schuldschein über siebenundvierzig Pfund den andern hinzugefügt, die sich schon im Besitz der Zwillinge befanden. Zu meiner grössten Überraschung beglich auch Beck, der sonst immer seinen Stolz darin setzte, stets alles bar zu bezahlen, seinen Verlust mit einem Schuldschein.
Den nächsten Robber gewannen die Bertrams wieder in ununterbrochener Folge, dann aber wandte sich das Blättchen, denn bei der letzten Partie bekam Beck vier Asse in die Hand, machte Klein-Schlemm und heimste auch den Robber ein. So wechselte im Laufe der Nacht das Spielerglück zwischen Hochflut und Ebbe beständig ab; einmal hatten wir sogar schon dreihundert Pfund verspielt, ehe Fortuna uns wieder zu lächeln begann.
Zum Schluss spielte Beck, allen Regeln zum Trotz, merkwürdig waghalsig. Es schien, als hätte er die Gabe des zweiten Gesichtes und könne erraten, was unsre Gegner für Karten in der Hand hielten, denn er wagte mit Erfolg ein paar tollkühne Feinheiten. Nach einem dieser Treffer lehnte er sich in seinen Stuhl zurück und flüsterte dem hinter ihm sitzenden Staunton etwas zu. Dieser machte zuerst ein sehr verblüfftes Gesicht, sah zweifelnd von einem der Zwillinge zum andern, nickte dann aber lächelnd und beobachtete das Spiel noch gespannter als vorher.
Als die graue Morgendämmerung durch die Spalten der Fensterladen schimmerte und wir endlich aufhörten, standen Beck und ich mit je einhundertsiebzig Pfund in der Schuld unsrer Wirte.
„Es tut mir leid, dass ich dich in mein Pech mit hineingezogen habe, alter Junge,“ sagte ich, als wir uns einen kleinen Whisky und Pol mischten und die letzte Zigarre anzündeten.
„O, das macht nichts,“ erwiderte er liebenswürdig; „das nächste Mal haben wir hoffentlich mehr Glück.“
Das war Wasser auf meine Mühle, denn ich hatte nicht zu hoffen gewagt, dass Beck sich noch einmal aufs Kartenspielen einlassen würde. Auch ich rechnete zuversichtlich auf einen baldigen Glücksumschwung und fragte daher die Zwillinge: „Können Sie uns morgen abend bei mir Revanche geben?“
„Lieber hier bei uns,“ erwiderte einer von ihnen lachend; „wir möchten unser Glück nicht gern auf die Probe stellen.“
Mir dagegen lag gerade daran, denn ich war in dieser Hinsicht ein wenig abergläubisch und knüpfte daher an einen Ortswechsel ganz besondere Erwartungen. Allein Beck durchkreuzte meine Wünsche, indem er sich zustimmend an die Zwillinge wandte.
„Gewiss; behaglicher als hier können wir’s ja nirgend finden, und für Leute unsres Schlages ist das Beste gerade gut genug, nicht wahr, Kirwood? Und Staunton wird sich durch solch ein ehrliches Spiel doch sicherlich auch fesseln lassen.“
Bei diesen letzten Worten drehte sich einer der Zwillinge scharf zu dem Sprechenden herum.
„Sie meinen doch nicht etwa —“ begann er hitzig, änderte aber sofort den Ton, als er in Becks harmlos lächelndes Gesicht sah. „Natürlich kann Staunton kommen, so oft er will, wir werden uns stets sehr freuen, ihn bei uns zu sehen.“
„Verbindlichsten Dank,“ rief Staunton erfreut, denn nichts in der Welt geht ihm über Bridge, und zwar lediglich um des Spieles, nicht um der Einsätze willen. „Ich werde mit tausend Freuden kommen. So gefesselt hat mich noch kein Spiel, und ich hoffe, Ihnen morgen ein paar Ihrer Kunstgriffe abzugucken.“
Dieser Abend eröffnete eine ganze Reihe durchspielter Nächte, zu denen sich Staunton regelmässig einfand, obwohl er nur selten die Karten in die Hand nahm. Meistenteils begnügte er sich damit, mit immer gleicher, unwandelbarer Aufmerksamkeit die Schwankungen des Spieles zu verfolgen. Beck und ich waren gewöhnlich Partner gegen die Zwillinge, und obgleich wir ab und zu auch einmal einen Gewinn einstreichen konnten, wandte uns das Glück im allgemeinen hartnäckig den Rücken.
Eines Abends traf ich zu meiner grössten Überraschung Beck und Staunton, die sonst gar nicht so intim miteinander waren, in streng vertraulichem Gespräch.
Wir fanden uns an diesem Abend früher als sonst bei den Zwillingen zusammen und setzten uns nach dem Abendessen sofort an den Spieltisch. Beck reichte Staunton mit den Worten: „Sie machen also, bitte, die betreffenden Notizen,“ ein kleines Buch über die Schulter.
„Jawohl,“ erwiderte Staunton lakonisch.
„Wohl eine neue Art von ‚Systemmarkierung‘?“ fragte einer der Zwillinge, indem er flüchtig vom Kartenmischen aufsah.
„Allerdings,“ antwortete Beck; „wenigstens so etwas Ähnliches.“
„Eigene Erfindung?“
„Das eigentlich nicht. Es fiel mir neulich beim Zusehen nur einmal so ein; da es aber ein ziemlich knifflicher Trick ist, so möchte ich gern, dass sich Staunton zuerst Notizen macht und mir nachher als ‚unbefangener Sachverständiger‘ seine Meinung darüber sagt. Also los! — Sieben, König, Ass, Neun — den Stich gebe ich. Da hätten wir heute also zum erstenmal Blut geleckt, Kirwood. Na, vielleicht wendet sich das Blättchen jetzt endlich einmal.“
Diese Hoffnung erwies sich jedoch als trügerisch, was aber nicht etwa an unsern schlechten Karten lag, denn im allgemeinen hatten wir bessere als die Zwillinge. Allein diese spielten einander in so verblüffender Weise in die Hand, dass weder Becks noch meine nicht zu verachtende Kombinationsgabe dagegen aufzukommen vermochte. Die Art, wie sie ausspielten und stachen, grenzte fast an Eingebung; jeder von ihnen schien zu ahnen, was der andere für Karten in der Hand hielt. Ab und zu gewannen Beck und ich wohl auch einmal eine Partie, im grossen ganzen aber zeigte sich das Glück uns feindlicher als je.
Gegen