Jung Beck. M. McDonnell Bodkin

Jung Beck - M. McDonnell Bodkin


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erklärte der andre und spielte vier Herzen aus, hatte überhaupt sonst fast nur noch eine Königin und zwei Buben in der Hand. Zu meinem grössten Erstaunen legte Beck, welcher in der dritten Hand sass, seine Karten flach auf den Tisch.

      „So, jetzt haben wir genug davon,“ sagte er gelassen.

      „Wie Sie wünschen,“ erwiderte der Kartengeber; „wenn dieser Robber zu Ende ist, können wir sofort aufhören. Sie haben heute allerdings Pech, können aber selbstverständlich jederzeit Revanche haben.“

      „Danke sehr, dann möchte ich sofort darum bitten,“ sagte Beck in demselben ruhigen Tone wie vorher. „Staunton, wie stimmten die Notizen?“

      „Grossartig,“ antwortete der Gefragte mit vor Erregung zitternder Stimme. „Es stimmt jedesmal ganz genau.“

      „Was hast du denn da immer mit deinen Notizen, Beck?“ rief ich ärgerlich dazwischen. „Lass doch das Spiel weitergehen, wie sich’s gehört.“

      „Einen Augenblick Geduld, bitte, das ist doch wirklich zu merkwürdig.“ Damit nahm er das Büchelchen aus Stauntons Hand und reichte es mir. In Becks klarer Handschrift las ich auf der ersten Seite folgende Aufzeichnungen:

      Trumpfmachen:

      „Du bist dran“ ... durchweg schlechte Karten.

      „Passe“ ... schlechte Karten; viel Pik.

      „Ich passe“ ... schlechte Karten; viel Treff.

      „Ich überlasse es dir“ ... schlechte Karten; viel Karo.

      „Ich überlasse es dir, Partner“ ... schlechte Karten; viel Herzen.

      „Mach Trumpf“ ... durchweg gute Karten.

      „Du machst Trumpf“ ... gute Karten; viel Pik.

      „Partner, mach Trumpf“ ... gute Karten; viel Treff.

      „Mach Trumpf, Partner“ ... gute Karten; viel Karo.

      „Partner, du machst Trumpf“ ... gute Karten; viel Herzen.

      Dublieren:

      Vorhand —

      „Soll ich?“ ... Ich habe nichts.

      „Soll ich spielen?“ ... Nur gut in Pik.

      „Partner, soll ich spielen?“ ... Nur gut in Treff.

      „Soll ich spielen, Partner?“ ... Nur gut in Karo.

      „Soll ich ausspielen?“ ... Nur gut in Herzen.

      „Partner, soll ich ausspielen?“ ... Gute Karten.

      Hinterhand —

      „Dubliere“ ... Pik ausspielen.

      „Ich dubliere“ ... Treff ausspielen.

      „Partner, ich dubliere“ ... Karo ausspielen.

      „Ich dubliere, Partner“ ... Herzen ausspielen.

      Im ersten Augenblick war ich ziemlich begriffsstutzig und hatte keine Ahnung, was die Sache bedeuten sollte, sondern dachte nur an die Karten, die ich in der Hand hielt.

      „Daraus werde ich nicht klug,“ sagte ich daher ungeduldig.

      „Vielleicht können unsere Gastgeber dir helfen,“ meinte Beck noch immer in jenem unheimlich gelassenen Tone und hielt den beiden das Notizbuch hin, in das sie nacheinander hineinblickten.

      Die Wirkung war geradezu überwältigend. Die glühende Röte, die zuerst in die dunkeln Gesichter der Zwillinge schoss, wich unmittelbar darauf einer fahlen, gelblichen Blässe. Ihre schwarzen Augen sprühten Blitze; mit verzerrten Gesichtern sprangen sie auf, so dass ihre Stühle krachend hinter ihnen zu Boden stürzten, und ausser sich vor Wut griff einer von ihnen nach den Aufzeichnungen.

      Doch blitzschnell hatte Beck das kleine Buch in die andere Hand gleiten lassen.

      „Ansehen — ja! Aber nicht anfassen!“ rief er den beiden zu.

      Da brach einer der Zwillinge in einen wahren Tobsuchtsanfall aus.

      „Sie elender Schleicher!“ schrie er Beck ins Gesicht. „Sie gemeiner Spion! Mein Pult haben Sie erbrochen, Sie —“

      Und wie ein Pferd, das im rasenden Galopp sich plötzlich wild emporbäumt, so warf er in Trotz und Wut den Oberkörper zurück.

      Gespannt blickte ich zu Beck hinüber, denn ich erwartete, dass er sich eine solche Sprache nicht bieten lassen und sich sofort auf seinen Beleidiger stürzen würde. Natürlich war ich jeden Augenblick bereit, ihm beizustehen — allein nichts dergleichen geschah, vielmehr bemerkte ich zu meinem grössten Befremden in Becks Augen ein triumphierendes Aufblitzen.

      „Danke bestens,“ sagte er spöttisch; „aber Sie sind auf dem Holzwege. Bis jetzt habe ich Ihr Geheimbuch noch nicht zu Gesicht bekommen, sondern mir auf höchst einfache Weise meine Aufzeichnungen selber zusammengestellt. Staunton, wollen Sie nicht so gut sein und Kirwood die Sache erklären? Er macht ein Gesicht wie eine Katze, wenn’s donnert.“

      „Also,“ begann Staunton in seiner ruhigen, gelassenen Art, „diese beiden Gentlemen“ — er legte auf das Wort einen sehr bezeichnenden Nachdruck — „haben eine Reihe von Zeichen miteinander verabredet, die Beck auffielen, als er das Fallen der Karten aufmerksam beobachtete. Er schrieb sich die Reihenfolge dieser Zeichen auf, übergab sie mir zum Nachprüfen, und ich habe sie heute nacht bis aufs I-Tüpfelchen bestätigt gefunden.“

      „Elende Lüge!“ knirschten die Zwillinge.

      „Das wollen wir gleich einmal sehen,“ rief Beck, in dem nun auch der Zorn zu kochen begann, in völlig verändertem Tone. „Zunächst möchte ich einmal einen Blick in jenes Pult werfen.“

      Mit einem Wutschrei sprang einer der Zwillinge schützend vor das bedrohte Geheimnis, allein Beck war flinker als er. Eine knappe Hand- und Fussbewegung, ein Griff, ein Stoss — und Beck kniete auf seinem Gegner, der auf den Teppich niedergestürzt war.

      „Macht ihr den andern unschädlich!“ rief mir mein Freund über die Schulter zu, während er den sich heftig Wehrenden mit eiserner Kraft zu Boden drückte.

      Der zweite der beiden Burschen war unterdessen mit einem Satz an das Büfett gesprungen und versuchte gerade, den Griff eines Tranchiermessers zu packen, als die Seitenkante meiner Hand mit solcher Wucht auf seinen Vorderarm niedersauste, dass er mit einem Schmerzenslaut das Messer fallen liess. Es entspann sich ein kurzes Handgemenge zwischen uns, bei dem sich mein Gegner flink und geschmeidig wie eine Wildkatze immer wieder meinen Griffen entwand und mit mir durch das ganze Zimmer walzte, wobei er gleichzeitig verzweifelte Anstrengungen machte, Beck durch Fusstritte von seinem Bruder fortzustossen. Tische und Stühle wurden dabei umgeworfen, und der Fussboden bedeckte sich im Nu mit umhergeschleuderten Karten. Da mir Staunton indessen sofort zu Hilfe kam, gelang es uns bald, den gefährlichen Gegner zu überwältigen.

      „Bindet ihm Hände und Füsse!“ keuchte Beck. „Macht flink, und dann helft mir hier; der Bursche ist ein bisschen widerspenstig.“

      Während wir Becks Weisung folgten, hörte ich das dumpfe Aufschlagen eines menschlichen Schädels auf den Teppich — Beck zwang seinen Gegner, der sich zu erheben versucht hatte, wieder auf den Rücken nieder. Trotz heftigen Sträubens unsrer Widersacher knoteten wir ihnen mit unsern Taschentüchern Hand- und Fussgelenke fest zusammen, und bald lag das edle Paar Seite an Seite wehrlos vor uns auf dem Teppich.

      „So, und jetzt das Pult!“ rief Beck. „Reichen Sie mir mal das Messer herüber, Staunton.“

      Geschickt zwängte er die spitze Messerklinge in die Spalte unter den Pultdeckel, den er durch eine rasche Drehung des Handgelenks ohne Schwierigkeit öffnete.

      Das Gesuchte fand sich beinahe auf der Stelle.

      „Staunton, Kirwood, seht her!“ rief Beck frohlockend. „Fast dieselben Aufzeichnungen wie die meinigen, nur noch besser ausgearbeitet — verteufelt fein ausgeklügelt.


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