Petra und der Reiterhof. Torbjörg Hagström

Petra und der Reiterhof - Torbjörg Hagström


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Anfängergruppe zu stecken.“

      „Nein, da geht sowieso schon alles drunter und drüber“, warf Charlotte, Agnetas Zwillingsschwester, ein. „Viele, die zwei gesunde Augen haben, reiten so, daß man sie für blind halten könnte.“

      „Aber es gibt leider eine Schwierigkeit“, fuhr Karin fort, ohne Charlottes Einwurf zu beachten. „Ich fürchte, es besteht vorläufig noch keine Möglichkeit, Privatstunden abzuhalten. Wir haben nur vier Übungspferde, meines mitgerechnet, und die sind mit den Reitstunden voll ausgelastet.“

      „Gibt es keine speziellen Gruppen für Behinderte?“ fragte Frau Johanson.

      „Nein, aber vielleicht wird es eines Tages soweit sein, wenn wir mehr Pferde haben.“

      „Und wann bekommen Sie neue Pferde?“ Diese Frage kam von Astrid, die zum erstenmal den Mund auftat.

      Man merkte deutlich, daß sie und Lena Schwestern waren. Beide hatten die gleiche schmale, feingliedrige Gestalt, dasselbe kindliche Gesicht und die gleiche scheue Stimme. Die Schwestern hatten klarblaue Augen, langes glattes Haar und Stirnfransen, doch Lena war blond und Astrid dunkel.

      „Wir werden vielleicht noch in diesem Sommer ein neues Pferd kaufen“, erwiderte Karin ausweichend. „Aber wir wollten erst einmal sehen, wie der Reitstall im Winter läuft, ehe wir uns an eine Vergrößerung wagen.“

      „Ach!“ Astrids Enttäuschung spiegelte sich deutlich in ihrem Gesicht wider.

      „Durch den Zirkel wechseln, absitzen!“ rief Karin zur Reitbahn hinüber.

      Dann wandte sie sich wieder an Astrid und fuhr fort: „Aber du kannst gleich einmal ausprobieren, wie es ist, auf einem Pferd zu sitzen, wenn du willst. – Charlotte, würdest du Astrid ein paar Runden auf Troll herumführen?“

      „Ja, gut.“

      „Troll ist ein braves kleines Fjordpferd“, fügte Karin hinzu.

      Astrid nickte. Ihre Schwester hatte ihr bereits von Troll und den anderen Pferden erzählt.

      „Sie möchte so furchtbar gern reiten lernen.“ Frau Johanson seufzte, als Astrid, Charlotte und Troll sich über die große Reitbahn bewegten. „Ich hatte wenig Hoffnung, daß es gehen würde, doch Astrid hat nicht nachgegeben, bis ich ihr versprach, es wenigstens zu versuchen. Sie sagt, es gibt viele Blinde, die reiten.“

      „Die konnten vielleicht schon reiten, ehe sie blind wurden“, meinte Karin. „Ist Ihre Tochter blind geboren?“

      „Nein. Es passierte, als sie acht Jahre alt war … Sie ist ein paar Jahre lang zur Blindenschule gegangen, aber im Herbst werde ich sie selbst zu Hause unterrichten. Ich bin von Beruf Lehrerin, und nun habe ich Astrids wegen die Blindenschrift gelernt.“

      Petra tat es leid, daß Astrid und ihre Mutter keine bessere Antwort bekommen hatten. Das ernsthafte Mädchen, das um jeden Preis reiten lernen wollte, hatte tiefen Eindruck auf sie gemacht. Konnte Karin wirklich keine Zeit für eine einzige Privatstunde in der Woche erübrigen? Daß es vielleicht eines Tages einen Kurs für Behinderte geben würde, war kein besonderer Trost für das blinde Mädchen.

      Als Petra am nächsten Tag auf ihrem Pony ritt, versuchte sie sich vorzustellen, wie einem zumute ist, wenn man nichts von seiner Umgebung sieht. Dabei war ihr ein Einfall gekommen. Wenn man vier verschiedene Lautsignale in den vier Ecken der Bahn anbrachte, konnte ein blinder Reiter genau hören, wo er gerade war.

      Weder Petra noch die Reitschule hatten entsprechende Lautsignale, doch es ging sicher ebensogut mit einigen Tonbandgeräten.

      Ein paar Tage später traf sie Lena im Stall und faßte den Entschluß, einen Versuch zu wagen.

      „Hallo, Lena! War das nicht deine Schwester, die reiten lernen möchte?“ fragte sie ohne Umschweife.

      „Ja, genau“, sagte Lena. „Dir gehört doch dieses wunderschöne schwarze Pony, nicht?“

      „Svala, ja. Du kannst deiner Schwester ausrichten, daß sie eine Reitstunde auf meinem Pferd bekommen kann, wenn sie will.“

      „Wenn sie will?! Oh, sie wird begeistert sein!“ stieß Lena überrascht hervor.

      Erst als sie sich schon über den Termin für die erste Stunde geeinigt hatten, kamen Petra Zweifel an ihrem Einfall. Sie fragte sich, ob Astrid es schaffen würde, ob Svala mitmachte und ob sie selbst zur Reitlehrerin taugte. Sie hatte ja noch nie den Versuch gemacht, zu unterrichten, und erinnerte sich nicht einmal mehr daran, wie es war, Anfängerin zu sein. Und ihre Mutter trug nicht gerade dazu bei, daß Petra sich sicherer fühlte.

      „Ich finde es schön von dir, daß du Astrid helfen willst“, hatte Frau Granberg gesagt. „Aber ich frage mich, ob es wirklich vernünftig ist, das Mädchen bei einer Sache zu unterstützen, die sie vielleicht gar nicht schaffen kann.“

      Nun saß Petra auf dem umgestülpten Eimer und wartete auf Astrid. Hatte sie sich zuviel vorgenommen? Würde sie es schaffen, einem blinden Mädchen das Reiten beizubringen? Sie, die noch nicht einmal versucht hatte, einen Anfänger mit gesundem Sehvermögen zu unterrichten? Und wie würde Svala sich verhalten?

      Sicherheitshalber stellte Petra das Radio ab, um besser hören zu können, wenn sich ein Wagen näherte. Svala bewegte träge den Schwanz, und eine Fliege surrte gegen die Fensterscheibe.

      Plötzlich fuhr Petra auf.

      „Jetzt höre ich ein Auto, Svala. Sie kommen!“

      Die erste Reitstunde

      Astrid war so aufgeregt, daß ihr fast übel war. Lena saß neben ihr auf dem Rücksitz des Wagens und redete munter über alles mögliche, doch ihre Schwester hörte nicht zu.

      Sie dachte nur daran, daß sie endlich reiten durfte. Was sie am meisten beunruhigte, war die Vorstellung, daß sie sich diese Chance vielleicht selbst verderben würde. Wenn es sehr schlecht ging, würde sie es wohl kaum noch einmal versuchen dürfen. Sie hatte gehört, daß es schwierig ist, beim Reiten das richtige Gleichgewicht zu finden; also mußte sie sich wirklich zusammennehmen, damit es einigermaßen klappte.

      Zuerst hieß es natürlich einmal, aufs Pferd hinaufzukommen. Charlotte in der Reitschule hatte sie einfach auf plumpe Weise in den Sattel bugsiert. Diesmal aber war Astrid entschlossen, schneller zu sein, so daß keiner sie mehr wie ein Kind hochzuhieven brauchte.

      „Tja, jetzt sind wir am Ziel“, sagte ihre Mutter und parkte den Wagen.

      Ein schwacher Fliederduft war das erste, was Astrid bemerkte, als sie aus dem Auto stieg. Sie sah das rote Haus und die prächtigen Blumenbeete zu beiden Seiten der Auffahrt nicht; auch nicht die gelbe Katze, die auf frisch geputzten weißen Pfoten über den Hof spazierte.

      Gleich darauf erklang Petras Stimme. „Hallo! War’s schwierig, den Weg zu finden?“

      Während der Begrüßung spürte Astrid plötzlich etwas Lebendiges, das sich gegen ihr Bein schmiegte. Sie bückte sich und strich mit den Fingerspitzen über einen dichten, seidenweichen Pelz.

      „Ist das eure Katze?“ fragte sie.

      „Ja, unser Kater – Kurre heißt er“, erwiderte Petra.

      „Habt ihr mehr Tiere? Außer Svala, meine ich?“

      „Klar, mehrere tausend“, versetzte Petra ernsthaft.

      „Jetzt machst du aber Spaß“, sagte Astrid unsicher.

      „Nein, gar nicht. Aber die meisten davon sind natürlich Bienen.“

      „Ja, ich glaube, ich habe ein paar Bienenkörbe bemerkt, als wir am Garten vorbeifuhren“, warf Frau Johanson ein.

      „Ach, ich dachte zuerst, du meinst tausend Kühe oder sowas!“ Astrid lachte nervös.

      „Nein, wir haben leider nur sechs Kühe, dazu noch Kälber und Jungkühe, aber um so mehr Schafe.


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