Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Wilhelm Heinrich Wackenroder
der Deutung der Musik ist E. T. A. Hoffmann Wackenroders legitimer Erbe. Sein Kapellmeister Kreisler im „Kater Murr“ ist ein gesteigerter Berglinger, tragisch zerrissen und unerlöst wie jener, am unüberbrückbaren Zwiespalt von Kunst und Leben leidend. Hoffmann hat noch tiefer und bohrender als der sanftere Vorgänger die Problematik romantischen Künstlertums dichterisch dargestellt. In seinen musikalischen Aufsätzen gibt er mehr Fachkritik und behandelt auch kompositionstechnische Einzelheiten. Auch Hoffmann hat über die von Berglinger am höchsten gestellte Kirchenmusik geschrieben und hat, Wackenroders letzte Ansätze aufnehmend, die große symphonische Form verherrlicht. Wenn er, der den Aufstieg Beethovens miterlebt hat, dessen Instrumentalmusik feiert und etwa die Schicksalssymphonie in c-moll deutet, so vollendet er, was der Vorläufer begonnen.
So vielfältig und bedeutsam die Wirkungen sein mögen, die von den „Herzensergießungen“ ausgingen, das Tiefste und Bleibende ist nicht der einzelne Gedanke, sondern der Geist des Ganzen, jener Geist frommer Kindlichkeit, der in manchen zarten Gebilden spätromantisch-biedermeierlicher Kunst und Dichtung weiterwirkt, eine kleine nazarenische Provinz in dem lauten Leben des 19. Jahrhunderts. Ihn fühlen wir im Werk romantischer Malet, in den Bildern und Zeichnungen und auch in den eigenen Lebensberichten Josef Führichs und Ludwig Richters, Er lebt in der Dichtung am reinsten vielleicht in Clemens Brentanos Fragment der „Chronika eines fahrenden Schülers“ oder auch in manchen Seiten Eichendorffs, ja, wir möchten einen Hauch davon noch in Adalbert Stifters Kindergeschichten der „Bunten Steine“ spüren.
Viele Ideen der „Herzensergießungen“ wird unsere Gegenwart nur noch in ihrer historischen Bedingtheit sehen und werten können, wir werden manche sachliche Unzulänglichkeit und auch eine gewisse geistige Enge nicht verkennen, auf die schon Eichendorffs Geschichte der poetischen Literatur Deutschlands sehr deutlich hingewiesen hat. Was uns heute wie vor hundertfünfzig Jahren lebendig anrührt, ist die goldene Echtheit und Tiefe des Gefühls, jener heilige Geist frommer Gläubigkeit, der von jeher in der Kunst alles Neue schuf und alle Wunder wirkte. Zu seinem Träger war, der Frühvollendete vom Schicksal bestimmt, das ist Größe und Grenze seiner Sendung.
Köln, im September 1947.
August Langen.
Der kunstliebende Klosterbruder
oder
An den Leser dieser Blätter
von Ludwig Tieck
In der Einsamkeit eines klösterlichen Lebens, in der ich nur noch zuweilen dunkel an die entfernte Welt zurückdenke, sind nach und nach folgende Aufsätze entstanden. Ich liebte in meiner Jugend die Kunst ungemein, und diese Liebe hat mich, wie ein treuer Freund, bis in mein jetziges Alter begleitet: ohne daß ich es bemerkte, schrieb ich aus einem innern Drange meine Erinnerungen nieder, die Du, geliebter Leser, mit einem nachsichtsvollen Auge betrachten mußt. Sie sind nicht im Ton der heutigen Welt abgefaßt, weil dieser Ton nicht in meiner Gewalt steht, und weil ich ihn auch, wenn ich ganz aufrichtigsprechen soll, nicht lieben kann.
In meiner Jugend war ich in der Welt und in vielen weltlichen Geschäften verwickelt. Mein größter Drang war zur Kunst, und ich wünschte ihr mein Leben und alle meine wenigen Talente zu widmen. Nach dem Urteile einiger Freunde war ich im Zeichnen nicht ungeschickt, und meine Kopien sowohl, als meine eigenen Erfindungen mißfielen nicht ganz. Aber immer dachte ich mit einem stillen, heiligen Schauer an die großen gebenedeiten Kunstheiligen; es kam mir seltsam, ja fast albern vor, daß ich die Kohle oder den Pinsel in meiner Hand führte, wenn mir der Name Raffaels oder Michelangelos in das Gedächtnis fiel. Ich darf es wohl gestehen, daß ich zuweilen aus einer unbeschreiblichen wehmütigen Inbrunst weinen mußte, wenn ich mir ihre Werke und ihr Leben recht deutlich vorstellte: ich konnte es nie dahin bringen, — ja ein solcher Gedanke würde mir gottlos vorgekommen sein, — an meinen auserwählten Lieblingen das Gute von dem sogenannten Schlechten zu sondern und sie am Ende alle in eine Reihe zu stellen, um sie mit einem kalten, kritisierenden Blicke zu betrachten, wie es junge Künstler und sogenannte Kunstfreunde wohl jetzt zu machen pflegen. So habe ich, ich will es frei gestehn, in den Schriften des H. von Ramdohr nur weniges mit Wohlgefallen gelesen; und wer diese liebt, mag das, was ich geschrieben habe, nur sogleich aus der Hand legen, denn es wird ihm nicht gefallen. Diese Blätter, die ich anfangs gar nicht für den Druck bestimmt, widme ich überhaupt nur jungen angehenden Künstlern, oder Knaben, die sich der Kunst zu widmen gedenken und noch die heilige Ehrfurcht vor der verflossenen Zeit in einem stillen, unaufgeblähten Herzen tragen. Sie werden vielleicht durch meine sonst unbedeutenden Worte noch mehr gerührt, zu einer noch tiefern Ehrfurcht bewegt; denn sie lesen mit derselben Liebe, mit der ich geschrieben habe.
Der Himmel hat es so gefügt, daß ich mein Leben in einem Kloster beschließe: diese Versuche sind daher das einzige, was ich jetzt für die Kunst zu tun imstande bin.
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