Die neuesten Streiche der Schuldbürger. Michael Klonovsky

Die neuesten Streiche der Schuldbürger - Michael Klonovsky


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Hintergrund des Streits um die »Nord Stream 2«-Pipeline (auch wenn angeblich mal wieder nix mit nix zu tun hat). Die Franzosen stellen sich gegen die Gastrasse (Gas-Trasse, geehrter Herr ***, nicht Gast-Rasse!) und auf die Seite der Amerikaner; sie beteuern, die Interessen der Osteuropäer zu vertreten. Das amerikanische Argument gegen russisches Gas für Deutschland lautet, es mache uns durch den Kreml erpressbar, und wir müssen uns schon entscheiden, ob wir aus dem Kreml oder dem Weißen Haus erpresst werden wollen. Wie es aussieht, bahnt sich zwischen Russland und den USA ein Revival des Kalten Krieges an, in das die Europäer naturgemäß involviert sind. Es geht um die Ukraine, der schon bei Zbigniew Brzeziński die Rolle des strategischen Zankapfels zugewiesen wird – US-Botschafter Richard Grenell warnt, durch das Gas-Projekt würde die Gefahr einer russischen Intervention in der Ukraine steigen –, und Deutschland hat sich aus der Sicht des wankenden Hegemons in Übersee gegen Russland zu positionieren. Der Aufstieg Chinas im Rücken der Russen verleiht der ganzen Sache eine besondere Pikanterie. Das deutsche Problem lautet: Was tun? Den Amis sowie unserem lieben Freund Macron nachgeben und die Pipeline canceln?

      Jetzt kommen kurioserweise die Grünen ins Spiel und Angela Merkel als eigentlich deren Kanzlerin. 2022 gehen die deutschen AKW vom Netz, parallel steigt Deutschland aus der Braunkohleverstromung aus, die deutschen Gaskraftwerksbetreiber sind über die Jahre verprellt und hintangestellt worden, sie haben hochmoderne Anlagen demontieren müssen und teilweise nach Amerika verschifft. Zugleich wachsen die subventionierten Windparks, deren entscheidende Eigenschaft darin besteht, dass sie mal Strom liefern und mal nicht, und es gibt kein Mittel dagegen. Wir haben heute schon große Probleme mit der Energieversorgung, »immer wieder kommt es zu brenzligen Situationen, wenn Solar- und Windkraftanlagen zu wenig Strom liefern. Dann müssen Industrieanlagen abgeschaltet werden. Die Netzschwankungen könnten aber noch schlimmer werden«, notiert die FAZ. Die »Instabilität des deutschen Stromnetzes« setzt die Linz AG unter Druck: »Weil der unregelmäßig erzeugte Windstrom aus Norddeutschland wegen mangelnder Leitungskapazitäten nur schwer zu den großen Abnehmern der Industrie im Süden transportiert werden kann, müssen südliche Stromerzeuger immer kurzfristiger ›dagegenhalten‹«, maulen die Oberösterreichischen Nachrichten. (Gleichzeitig zahlt Deutschland dafür, dass die Nachbarn die Stromüberproduktion abnehmen, wenn mal die Sonne richtig scheint und der Wind kräftig weht.) Wenn nun die Pläne mit dem russischen Gas scheitern, was dann? Frieren für Amerika? Monsieur Macron, erinnern wir uns, erklärte in seiner Jahrtausendrede zur »Neubegründung Europas« vor der Pariser Sorbonne »die kohlenstofffreie und kostengünstige Atomenergie« für »unerlässlich«; er hat heute beim Blick über den Rhein die Lacher auf seiner Seite.

      Irgendwann wird es einen Blackout geben. Das wäre schlimm für diejenigen, die dann in steckengebliebenen Liften erfrieren oder verdursten, auf Intensivstationen sterben, weil die Notstromaggregate nicht ausreichen, bei Unruhen getötet werden oder was auch immer, aber am schlimmsten wäre es für die Grünen, denn die würden ihn politisch nicht überleben; der so unendlich brave, duldsame und wohlmeinende deutsche Michel würde dann doch schnallen, welcher Gaunerbrigade er (oder meistens wohl sie, die Micheline) sein Vertrauen geschenkt hat und wohin die Mentalitätsherrschaft dieser Spitzbuben das Land gebracht hat. Aber unterhalb einer echten Katastrophe wollen Deutschmichel und Deutschmichelinchen ja seit ca. hundert Jahren keine Lektion lernen.

      Grundgesetzkunde mit Thomas Oppermann. Der Sozi teilt, einen Juraprofessor zurechtweisend, welcher schrieb: »Im Grundgesetz steht nicht ›Alle Menschen sind gleich‹, sondern ›Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich‹«, via Twitter mit: »Im GG steht auch: ›Alle Menschen sind gleich viel wert.‹ (Art. 1, Abs. 1).« Ich schrieb hier vor kurzem, dass diese Republik nie ein dümmeres politisches Personal gesehen hat als das derzeitige, und beantrage, dieses Beispiel auf die Beweisliste zu setzen.

       8. Februar

      Gute Partygesprächseröffnungsfragen, nächste Folge: »Und welchen Wohlstand haben Sie geschaffen?«

      Das Mutterland der identity politics ist Ruanda.

      Das Leben hat mich gelehrt, den Begriff Aufklärung nur mit ironischem Unterton zu gebrauchen – heute las ich, der Regensburger Philosophiehistoriker Karlfriedrich Herb habe über Kants Vernunftbegriff das (übrigens lupenrein rassistische) Geschmacksurteil gefällt, jener sei »zu weiß, um rein zu sein«; die postweiße Aufklärung wird nicht mehr vom hohen Ross, sondern direkt vom Baum verkündet –, doch angesichts der neoreligiösen Erweckungshysteriker, welche dieses Land in zunehmender Frequenz und immer schriller durchkreischen, bin ich geneigt, das Wort völlig außer Gebrauch zu stellen. Wenn eine 16-jährige offenbar seelisch labile Schulschwänzerin zum Nachwuchsheiland deklariert und von einer seelisch ebenfalls noch nicht ganz gefestigten Grünen-Bundestagsabgeordneten namens Lisa Badum für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wird – warum eigentlich nicht gleich für den Physiknobelpreis? –, sind wir den kollektiven Wahnvorstellungen des Mittelalters erfreulich nahe.

      Dass der Libertäre Hans-Hermann Hoppe, der die Parteiendemokratie für einen »Wettbewerb der Gauner« hält (so der Titel seines letzten Buches), ein Schüler von Jürgen Habermas war – oder ist, irgendwie bleibt man’s ja –, dass er jedenfalls vom führenden deutschen Transzendentaldemokraten promoviert wurde, verwundert zunächst jeden, der in beider Werk auch nur geblättert hat. Bei näherer Betrachtung allerdings erschließt sich eine logische Konsequenz. Hoppe verlegt die Diskurstheorie des Gevatters Habermas, dessen Aberglaube an die Moderation aller Konflikte durch den »zwanglosen Zwang des besseren Arguments«, in die einzige mögliche Sphäre, wo ein zwangloser Zwang gesamtgesellschaftlich seine Wirkung zu entfalten vermöchte: den Markt. Der Ansatz von Habermas ist unmöglich, weil er der menschlichen Natur zuwiderläuft; die Nicht-Geltung kann jeder an sich selber studieren – wer lässt sich schon gegen seine Interessen von einem Argument überzeugen? –, und wem das nicht genügt, der mag sich an Günter Maschkes treffliche Bemerkung halten, dass die Habermassche Theorie schnell, bequem und täglich durch die Abendnachrichten erledigt wird. Doch wenn man aus der Kommunikationstheologie einen zwanglosen Zwang der besseren Ware resp. der besseren Dienstleistung destilliert, gewinnt die Sache auf einmal Plausibilität. Nicht der Kommunismus ist die große Utopie, nein, der freie Markt ist es.

       14. Februar

      Bundesinnenminister Thomas de Maizière räumt, wie ein Qualitätsjournalist schreiben würde, ein, dass die Bundesregierung sich in der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 »von Stimmungen leiten lassen« habe – so der Minister gegenüber der Bild-Zeitung –, statt »nüchterner« zu handeln. »Deutschland hätte Bilder von Wasserwerfern gegen Flüchtlinge nicht ausgehalten«, beteuerte de Maizière, der nicht den »Bluthund« (Gustav Noske) geben wollte. Die Regierung hätte rigide Maßnahmen unter dem Druck der Volksmilde schnell wieder zurücknehmen müssen, vermutet der Minister, was wiederum eine »Sogwirkung« erzeugt haben würde. Merkwürdigerweise gab es ja genau das, eine Sogwirkung, ohne rigide Maßnahmen, verursacht durch Bahnhofsklatscher, Kanzlerinnen-Selfies, übergeschnappte Leitartikler und andere symbolische Schenkelöffnungen, aber es würde auch eine Sogwirkung gegeben haben, hätte die Regierung der Flut wehren wollen; »Sog, überall Sog!« (so Hans Sachs im Sog-Monolog, Meistersinger, Dritter Aufzug). Damit bestätigt de Maizière die Kernaussage aus Robin Alexanders Buch Die Getriebenen: Die Merkeltruppe habe aus Gründen vermuteter Stimmungen im Lande und aus Angst vor »schlimmen Bildern« auf Grenzsicherung und Schutz der ihr via Amtseid anvertrauten Bevölkerung verzichtet und das im Nachhinein als ein Gebot höherer Ordnung, als Edelmut, Afrikarettung, Fachpersonalrekrutierung und notwenige Gesellschaftsverbuntung verkauft.

      Bemerkenswert ist an de Maizières Aussage, dass er den Deutschen


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