Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman. Sissi Merz

Dr. Brinkmeier Staffel 3 – Arztroman - Sissi Merz


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hat, wie Sie sagen, behauptet etwas ganz anderes. Peggy war heute völlig verstört, so, als habe sie etwas Schlimmes erlebt. Und sie sagt, dass Sie ihr das angetan haben.«

      »Was?« Christian wurde blass. »Wie kommt sie dazu…«

      »Peggy behauptet, Sie hätten sie sexuell missbraucht.«

      »Aber das ist doch… Ich habe das Mädchen nicht angerührt! Wie kann sie nur solche bodenlosen Lügen verbreiten? Unglaublich! So etwas ist mir mein Lebtag noch nicht passiert!« Er sprang auf und begann unruhig hin und her zu laufen. »Dieses kleine Biest! Sie konnte ihren Willen nicht durchsetzen und nun versucht sie, mich fertig zu machen.« Er blieb stehen und schaute die drei Menschen offen an. »Sie dürfen ihr nicht glauben«, beschwor er den Direktor dann. »Sie hat das nur erfunden, um mir zu schaden. Nachdem ich sie abgewiesen hatte, hat sie mir gedroht. Ich habe das nicht ernst genommen, aber jetzt sehe ich, dass sie es so gemeint hat. Sie legt es darauf an, meine Existenz zu zerstören!«

      »Nun beruhigen Sie sich mal, Herr Neumann«, bat Dr. Brinkmeier ihn. »Peggy hat keine Beweise für das, was sie sagt. Und wenn sie sich wirklich nur rächen will, dann wird sie über kurz oder lang ihre Lüge zugeben.«

      »Und bis dahin? Was soll denn werden? Ich kann mich nicht reinwaschen, denn ich habe ebenso wenig Beweise. Und was soll ich meiner Frau sagen?«

      »Es wird sich alles klären«, meinte der Schulleiter lapidar. »Aber bis dahin muss ich Sie leider beurlauben, daran führt kein Weg vorbei, bis der Verdacht ausgeräumt ist.«

      »Bis er ausgeräumt ist?« Christian lachte bitter auf. »Falls er ausgeräumt werden kann, sollten Sie besser sagen.«

      *

      Die Magd Lissy war bester Dinge, als sie an diesem Morgen zur Sennhütte aufstieg. Sie winkte dem jungen Mann bereits von weitem zu, und als sie die Hütte erreicht hatte, schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln. »Gut schauen Sie aus, so rasiert. Und ich bringe Ihnen auch gute Nachrichten.« Sie reichte ihm die Morgenzeitung. »Gleich auf der ersten Seite steht es: Der dritte Bankräuber ist gefasst worden. Ganz hier in der Nähe. Und sie schreiben, es gibt keine Spur von der Beute und seiner Waffe.«

      Der junge Mann überflog die Zeilen, dann entspannte sich seine markante Miene ein wenig. »Das bedeutet, ich habe keine Bank überfallen. Ich dank’ dir, Lissy!« Er zog sie in seine Arme und drückte ihr ein herzhaftes Busserl auf die Wange. Das Madel errötete heftig, doch seine Augen strahlten wie zwei Sterne.

      »Wir wissen jetzt, wer Sie net sind. Aber haben Sie sich denn mal ein paar Gedanken darüber gemacht, wer Sie sind?«

      »Ununterbrochen. Leider ohne Ergebnis.« Er folgte Lissy in die Hütte, wo diese ihm das Frühstück richtete. »Diese Waffe, die erinnert mich an irgendetwas. Aber ich komme nimmer drauf.«

      »Freilich haben Sie sie dem Bankräuber abgenommen. Wie sollen Sie denn sonst dazu gekommen sein?«

      Der junge Mann lachte. »Das klingt schön. Trotzdem will es mir nicht so ganz in den Kopf. Ich bin doch kein Held.«

      »Und wenn doch?« Lissy setzte sich zu ihm und schaute ihn aufmerksam an. »Die Bäuerin hat gesagt, Sie können hier heroben bleiben, bis Sie Ihr Gedächtnis wiedergefunden haben. Aber der Doktor möchte mal nach Ihnen sehen.«

      »Vielleicht wäre das gar keine so schlechte Idee. Meinst, der kann mir helfen?«

      »Ich weiß net. Aber der Doktor Brinkmeier, der hat schon ganz

      andere Sachen geschafft. Unser Landarzt ist nämlich was Besonderes, so einen finden Sie sonst nirgends.«

      »Das klingt ja richtig begeistert. Also, wenn er herkommen möchte, habe ich nix dagegen. Mittlerweile würde ich nach jedem Strohhalm greifen, um endlich mein Gedächtnis wiederzufinden.«

      »Und dann werden Sie fortgehen.« Lissy schaute ihn so traurig an, dass er spontan eine Hand auf ihre legte und ihr zulächelte.

      »Vielleicht bleibe ich auch. Es gefällt mir hier nämlich ausnehmend gut, weißt?«

      Max Brinkmeier erschien am nächsten Morgen zusammen mit seiner Schwägerin auf der Alm. Er machte sich mit dem Logiergast bekannt, untersuchte ihn gründlich und stellte ihm eine ganze Menge Fragen. Schließlich trat er zusammen mit dem jungen Mann nach draußen, wo Tina gewartet hatte, und ließ diese wissen: »Dein Bekannter leidet tatsächlich an einer Amnesie, die durch seinen Unfall ausgelöst wurde. Er hatte eine leichte Gehirnerschütterung, aber die allein ist net schuld an seinem Zustand. Bevor er gestürzt ist, hat ihn jemand niedergeschlagen. Das Hämatom bildet sich nur langsam zurück. Ich vermute, wenn der Druck auf die Hirnrinde nachlässt, wird auch sein Erinnerungsvermögen zurückkehren. Aber das kann noch eine Weile dauern und wird vermutlich nur schrittweise geschehen.«

      »Er ist niedergeschlagen worden? Das erklärt vielleicht, wie er zu der Waffe gekommen ist.«

      Der junge Landarzt war der gleichen Meinung. »Ich denke, wir sollten die Waffe der Polizei geben, wenn es deinem Schützling bessergeht. Aber ich möchte mich nicht einmischen, das ist allein seine Entscheidung.«

      »Ich danke Ihnen, Herr Doktor«, sagte der junge Mann und drückte Max zum Abschied die Hand. »Jetzt weiß ich wenigstens, wie es zu meinem Gedächtnisverlust gekommen ist. Und dass ich Aussicht habe, mich bald wieder zu erinnern.«

      »Rechnen Sie aber nicht zu schnell damit, die Heilung braucht Ihre Zeit. Sie dürfen da nicht ungeduldig werden.«

      »Ich will mich bemühen. Vielen Dank für Ihre Hilfe.«

      »Schon gut. Wenn Sie Schmerzen bekommen oder Ihnen schwindlig wird, sagen Sie Tina bitte Bescheid. Es ist durchaus möglich, dass sich Komplikationen einstellen. Und dann müssen Sie ins Spital.«

      »Hoffen wir, dass es so abgeht«, erwiderte er mit einem schmalen Lächeln. »Trotz allem habe ich mich hier schon ein wenig eingelebt. Und ich muss sagen, es gefällt mir sehr.«

      »Sie sollten zu uns auf den Hof kommen, hier hat es doch überhaupt keinen Komfort«, schlug Tina vor. »Überlegen Sie es sich. Ich werde auch mit meinem Mann reden, damit alles seine Ordnung hat.«

      Lukas fiel aus allen Wolken, als er erfuhr, was sich da in der alten Sennhütte abgespielt hatte. Er machte seiner Frau zwar keine Vorwürfe, bat sie aber: »Wennst mal wieder über einen Fremden ohne Gedächtnis stolperst, sagst mir bitt’ schön Bescheid, Liebes. Was da alles hätte geschehen können…«

      »Es ist ja nix passiert«, rechtfertigte Tina sich. »Außerdem hast mich die ganze Zeit mit dem Hüttel gepflanzt.«

      Lukas seufzte leise. »Soll nimmer vorkommen. Man weiß schließlich nie, was einem so alles blüht…«

      Einige Tage vergingen, in denen sich am Zustand des jungen Mannes in der Almhütte nichts änderte. Heimlich wartete er darauf, morgens aufzuwachen und wieder über sich und sein Leben Bescheid zu wissen. Doch er hatte auch Max Brinkmeiers Worte verinnerlicht, dass es wenig Sinn machte, ungeduldig zu sein.

      Also gab der Logiergast in der Almhütte sich Mühe, die Zeit ein wenig zu genießen. Immer wenn Lissy ihn besuchte, gelang ihm das ohne Schwierigkeiten. Die Magd hatte eine nette und offene Art, die sein Herz ansprach und dafür sorgte, dass er sich einfach nur wohlfühlte. Wenn Lissy ihm zulächelte, dann empfand er ein warmes Gefühl der Zuneigung. Zugleich stand der junge Mann seinen eigenen Gefühlen eher skeptisch gegenüber. War es denn richtig, sich zu verlieben, wenn man nicht mal wußte, wer man war? Womöglich war er ja verheiratet und hatte Kinder, auch wenn er keinen Ehering trug.

      So plagten den Mann ohne Gedächtnis Zweifel und Unwägbarkeiten. Des Nachts lag er oft wach und grübelte nach. Aber in Lissys Gesellschaft waren die dunklen Gedanken rasch verflogen. Fast eine Woche war vergangen, seit Tina den Fremden in ihrer Sennhütte entdeckt hatte. Wieder einmal verbrachte Lissy ein wenig Zeit mit ihm. Und sie freute sich, dass sie dies nun nicht mehr heimlich tun musste. Gemeinsam folgten sie dem schmalen Pfad, der von der Hütte weg und hinauf zu dem Geröllfeld führte, auf dem der junge Mann nach seinem Unfall zu sich gekommen war. Dabei gab er sich schweigsam, blieb immer wieder stehen


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