Athanor 4: Die letzte Schlacht. David Falk

Athanor 4: Die letzte Schlacht - David  Falk


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Licht der bläulich weißen Flammen warfen die Untoten wilde Schatten. Mal groß wie Trolle, mal verzerrt und verschwommen tanzten die Schemen über die hell erleuchtete Mauer. Leones griff nach der vorletzten Kürbisflasche. Seine Kameraden hatten den Vorstoß neben dem Nordturm und dann einen weiteren abgewehrt. Brennende Teile des Greifenunterstands, Balken, Bretter, Strohbündel vom Dach, alles war auf die Gegner hinabgeregnet, und Leones hatte das Feuer auch in die hinteren Reihen getragen. Von Turm zu Turm erstreckte sich nun zu Füßen der Mauer ein Streifen aus lodernden Trümmern und sich windenden Orks. Rauch und der Gestank verkohlenden Fleischs erfüllten die Luft. Leones keuchte. Wie Feuer brannte sich Qualm in seine Lungen hinab. Die mühsam gewahrte Konzentration zerbrach, seine Magie entglitt ihm. Hustend lenkte er Sturmlöwe auf einen Bogen, weg von Mauer und Rauch.

      Kühle Nachtluft streifte seine Wangen, doch als er sie gierig einsog, packte ihn erneutes Husten und rüttelte ihn durch. Geistesgegenwärtig umklammerte er die Flasche. Er war so erschöpft, dass er seinen Fingern nicht mehr vertraute. Endlich konnte er wieder atmen. Erleichtert richtete er sich auf und wischte mit dem Ärmel den Schweiß aus der Stirn. Komm schon! Nur noch zwei. Er musste nur das Gewicht verlagern, um wieder Kurs auf den Westhang zu nehmen. Müde schloss er die Augen, suchte in sich nach der Hitze, nach den Strömen der Magie. Er sah vor sich, wie er die Wärme als rötliche Schlieren in das Öl hinter der dünnen Kürbisschale lenkte, doch es waren nur Bilder, er spürte es nicht. Wie konnte er nur so verflucht erschöpft sein? Seine Lider waren so schwer … Danaels Ohnmacht fiel ihm ein. Wenn ihm dasselbe geschah, stürzte er in den sicheren Tod. Alarmiert richtete er sich auf. Was tat er noch hier? Seine Magie war versiegt, die Flasche nutzlos. Jede Bewegung fiel ihm schwer, doch er schob den Kürbis in die Tasche zurück und lenkte Sturmlöwe knapp am Nordturm vorbei. Wegen der Zauberei hatte er völlig den Überblick verloren. Er musste wissen, wie es stand, wie weit die Orks auf den anderen Seiten vorgedrungen waren.

      An der Nordmauer ballten sich die Wiedergänger bereits an drei Stellen, um ihre Leitern aus untoten Körpern zu bilden. Theremon hatte die Gefahr bemerkt und warf mit Rhayuna brennende Bretter und Balken auf die Gegner hinab, doch sie konnten nicht überall gleichzeitig sein. Bald würde einer der Türme aus Leibern hoch genug sein, dass die Untoten auf den Wehrgang drängten.

      »Schneller!«, feuerte Leones Sturmlöwe an. Der Greif schlug hektischer mit den Flügeln. Vor der Ostmauer strömten die Orks von beiden Seiten auf das Tor zu. Die ersten hatten es schon erreicht. Mit Äxten, Steinen und Fäusten trommelten sie darauf ein. Um das mit mächtigen Zaubern getränkte Holz machte sich Leones keine Sorgen, es hatte selbst Angriffen der Trolle getrotzt. Doch sobald sie es merkten, würden die Untoten auch hier versuchen, die Mauer zu erklimmen.

      Schon fegte Sturmlöwe um die Ecke. Die Südseite kam in Leones’ Blick. Wiedergänger drängten sich dicht an dicht. Während sich Keatos mühte, einen brennenden Balken allein zur Mauerkante zu schleifen, schoss Danael wahllos Brandpfeile in die Menge. Leones warf sich nach rechts und lehnte sich ein wenig nach hinten. Knurrend bog Sturmlöwe scharf ab. Dennoch landeten sie erst knapp vor dem Südturm auf der Mauer.

      »Warte!«, befahl Leones. Er sprang ab und stürzte der Länge nach hin. Seine Beine hatten einfach unter ihm nachgegeben. Fluchend rappelte er sich auf. Vor seinen Augen platzten schwarze Nebelflecken und raubten ihm die Sicht. Er hätte niemals so viel Magie wirken dürfen. Doch was nützte ihm diese Erkenntnis jetzt? Wankend eilte er auf Keatos zu. Wenigstens klärte sich sein Blick wieder, auch wenn ihm seine Beine weich wie Grashalme vorkamen. Der Sohn Ameas zerrte den Balken auf jene Stelle zu, wo sich die Orks bereits am höchsten türmten. Rasch packte Leones das andere Ende, und gemeinsam wuchteten sie den Balken über den Rand. Das Gewicht genügte, um die obersten Wiedergänger in die Tiefe zu reißen. Wer mit den Flammen in Berührung kam, fing sogleich Feuer.

      »Ich muss zu Theremon«, rief Leones und wollte zu Sturmlöwe zurück, aber Keatos hielt ihn am Ärmel fest.

      »Wir sind verloren!« Selbst durch schweißverklebte Haarsträhnen vermochte Keatos ihn so eindringlich anzusehen, dass Leones nichts zu erwidern wusste. »Bring wenigstens Danael in Sicherheit! Mit dem Greif könnt ihr es schaffen.«

      Überrascht blickte Leones zu ihrem Kameraden, der gerade seinen letzten Brandpfeil verschoss. Torkelnd sah er sich nach Nachschub um. Er ist so fertig wie ich. »Er kann nicht mehr zaubern. Ohne seine Magie kommen wir nicht weit.«

      »Versuch es doch!« Keatos’ Stimme schwankte zwischen Flehen und Drohen.

      »Wir stürzen da unten ab!«, fuhr Leones auf. »Der ganze Wald wimmelt von Orks!« Zu Fuß und ohne Feuermagie würden sie niemals entkommen.

      Bevor Keatos etwas erwidern konnte, riss sich Leones los und rannte zu Sturmlöwe zurück. »Die Öleimer!«, rief er Danael im Vorüberlaufen zu. »Anzünden und über die Kante schieben!«

      Sturmlöwe brüllte vom Wehrgang herab und fletschte die Zähne. Zum Glück schien er nicht dumm genug, um sich in die Übermacht der Untoten zu werfen.

      »Wir müssen da rüber!« Leones deutete zur Nordmauer und schwang sich auf Sturmlöwes Rücken. Der Greif wendete, sprang und war mit drei Flügelschlägen auf der anderen Seite der Festung, wo Die Faust und Theremon Latten und Bretter aus einem brennenden Stapel auf die Orks hinabwarfen. Der bläuliche Schein der magischen Flammen flackerte auf ihren Gesichtern wie Wetterleuchten.

      »Wir müssen weg!«, rief Leones, noch bevor er von Sturmlöwes Rücken geglitten war. Mit seinen müden Beinen würde er nicht noch einmal springen. »Sie sind schon am Tor!«

      Die Faust hielt inne und sah Theremon an, der mit grimmiger Miene ein weiteres Brett schleuderte. Schwer atmend wandte er sich Leones zu, starrte ihn an und doch durch ihn hindurch. Was gab es da lange zu überlegen? Aus dem Hof hallte das Hämmern der Orks gegen das Tor herauf.

      »Es ist zu spät.«

      Leones zweifelte an seinen Ohren. Was hatte der Erste gerade gesagt?

      »Sobald wir den Riegel wegnehmen, drücken sie das Tor auf und drängen herein.«

      Fassungslos wechselte Leones einen Blick mit Rhayuna. Der Erste hatte recht. Wie sollten sie den brennenden Karren durch das Tor hinausschieben, wenn gleichzeitig die Orks hereinstürmten? Hatte Theremon das nicht bedacht? Warum hatte er nicht früher den Rückzug befohlen?

      »Dann müssen wir sie eben vom Tor verjagen.« Entschlossen zog Die Faust zwei Latten aus dem Feuer und eilte mit ihnen davon, als ob sie sich mit brennenden Schwertern in den Kampf stürzen wollte. Leones begriff, dass sie die Untoten vor dem Tor damit in Brand setzen wollte, doch wenn sich die Orks dort am Boden wälzten, kam der Karren erst recht nicht mehr durch. Was sollte ihnen dann den Hang hinunter als Rammbock dienen?

      »Du kannst immer noch wegfliegen«, sagte Theremon, als ginge ihn das alles nichts an. »Du hast ihn.« Sein Blick schweifte zu Sturmlöwe, der erneut den Feinden vor der Mauer drohte.

      Das würde dir so passen. Zornig starrte Leones ihn an. Damit du mich noch in deinem Heldentod für einen Verräter halten kannst. Was konnte er dafür, dass Theremons Greif vor Theroia gestorben war?

      Plötzlich fiel ihm etwas ein. »Befehlt den Rückzug, Erster, oder ich schwöre, ich werde nach Anvalon fliegen und vor dem Rat aussagen, dass Ihr meine Kameraden bewusst in den Tod geschickt habt!«

      Theremons Augen funkelten vor Wut. »Es ist zu spät!«

      »Ist es nicht. Bringt mir Feuer! Wir treffen uns über dem Tor.«

      Ohne sich noch einmal umzublicken, schwang sich Leones wieder auf Sturmlöwes Rücken. Er hörte Theremon »Rückzug!« brüllen, alles Weitere ging im Säuseln des Winds und dem Fauchen und Prasseln des Feuers unter. Zufrieden sah er, wie viele Untote brennend am Fuß der Mauer lagen, doch es war nur ein Bruchteil des Heers, und während er in einem Bogen über den nordöstlichen Hang flog, entdeckte er im Mondlicht Scharen von ihnen, die Nehora den Rücken kehrten und in die Elfenlande weiterzogen.

      Rasch schob er den Gedanken beiseite. Es blieben immer noch Tausende Gegner, von denen sich die ersten gerade auf den Wehrgang der Südmauer stemmten. Leones


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