Facts tell, Storys sell. Michael Moesslang
Sie das Ziel klar heraus
Das Ziel der Geschichte ist nicht gleichbedeutend mit dem Ziel der Präsentation. Wenn das Ziel Ihrer Präsentation ist, einen Kunden zu gewinnen, kann es sein, dass Sie im Laufe Ihrer Präsentation zwei, drei Geschichten erzählen. Jede hat ein anderes Ziel. Beispielsweise beweist eine Ihre Erfahrung und Kompetenz im gefragten Bereich. Eine andere stellt Ihr effektives, kundenorientiertes Arbeiten dar. Und eine dritte erläutert das Alleinstellungsmerkmal Ihres Angebotes.
Natürlich waren das drei sehr vereinfacht dargestellte Ziele. Je konkreter Sie mit Ihrem Ziel werden, desto besser kann Ihre Geschichte werden. Jede Geschichte hat ein Fazit, eine Essenz, die die Erkenntnis oder die Lernerfahrung ausmachen. Das ist Ihr Ziel der Geschichte. Welche Erkenntnis wollen Sie beim Publikum erreichen? Um welche Werte geht es Ihnen?
Das klingt abstrakt, doch sobald Sie in der Vorbereitung Ihrer Präsentation, Besprechung oder Verhandlung sind, werden Sie erkennen, wo Sie die Unterstützung einer Geschichte brauchen und was Sie damit erreichen wollen.
Jede Story braucht Struktur
Egal welche Quelle die Geschichte hat, ob es eine eigene, gefundene oder erfundene Geschichte ist, sie braucht eine Form, die der Wirkung dient. Auch das unterscheidet sie von der Small-Talk-Story, bei der es um Unterhaltung oder eine Empfehlung geht.
Ein Witz, bei dem Sie zuerst die Pointe erzählen, funktioniert nicht mehr. Die Pointe ist die Erkenntnis. Das heißt ganz einfach, bis kurz vor der Erkenntnis, genauer bis zu der Klimax, machen Sie es so spannend wie möglich und verraten keinesfalls zu früh, was diese Spannung nimmt. Eine spannende Struktur zu erstellen, folgt gewissen Regeln. Damit werden wir uns noch an mehreren Stellen dieses Buches beschäftigen.
Die Wahrheit der Geschichte
Ich erinnere mich daran, als ich damals in meinem Lieblingscafé in München saß. Jean, der Kellner, war schon jahrelang da – und er kannte viele der Gäste. An diesem Morgen war er wieder besonders humorvoll. Er erzählte einen Schwank aus seiner Kindheit: Und zwar … bla, bla, bla … Und wissen Sie, was das Witzige daran ist? Das ist ungefähr 15 oder sogar 20 Jahre her. Doch ich erinnere mich noch heute an seine Geschichte.
Und, ist diese Beschreibung wahr oder erfunden? Das ist das Gute an Geschichten, wenn Sie nicht dabei waren, können Sie es nicht beurteilen. Und damit auch nicht anzweifeln.
Geschichten müssen nicht wahr sein, sie müssen nur realistisch sein. Sie dürfen Ihre Geschichten abändern – und manchmal müssen Sie das sogar.
Sie tauschen Personen aus, weil statt der Mutter einer Bekannten die Tante einfacher ist. Oder weil ein Stereotyp viele Erklärungen erspart. Auch wenn es gesellschaftlich immer schwieriger wird, Sie dürfen mit Vorurteilen spielen. Oft müssen Sie sogar. Aber nicht mehr mit allen. Heute wird gleich Rassismus, Sexismus oder sonst eine Abwertung gewittert. Seien Sie also sehr vorsichtig mit Stereotypen.
Sie tauschen Namen aus, um lebende Personen nicht zu entblößen. Sie tauschen Ort oder Zeitpunkt der Handlung aus, weil es sie einfacher oder aktueller macht. Sie verändern vielleicht sogar Abläufe und Aussagen – oder das Ende der Geschichte.
Ihre Geschichte verfolgt einen bestimmten Zweck. Dabei ist es nicht wichtig, ob sie sich genau so zugetragen hat. Es geht um Glaubwürdigkeit und nicht Ehrlichkeit. Bei der Gelegenheit (Achtung, Spoiler!): Hänsel und Gretel hat es nie gegeben! So, jetzt ist es endlich raus.
Überprüfbare Aussagen müssen allerdings real sein. Insbesondere das, was im Internet überprüft werden kann. Denn fliegt ein erfundenes Detail auf, ist die gesamte Geschichte und vermutlich sogar die gesamte Präsentation unglaubwürdig geworden. Auch, wenn alles andere wahrheitsgemäß und korrekt ist. Wer einmal lügt …
Also erzählen Sie Ihre Geschichte so, wie es Ihr Ziel am besten unterstützt, und nicht so, wie sie sich genau zugetragen hat. Aber bitte nicht jedes Mal anders – womöglich vor demselben Publikum.
Meine kleine Geschichte vorhin spielte tatsächlich nicht in meinem Lieblingscafé in München, sondern im Stammhotel meiner Eltern in den Ötztaler Alpen und nicht vor 15 oder 20 Jahren, sondern in meiner Kindheit, also vor 45 oder 50 Jahren, und der Kellner hieß Paul und nicht Jean, war Kärntner und nicht Franzose. Warum habe ich sie abgeändert? Nur, um diese Möglichkeit hier zu illustrieren.
Geschichten ausleihen?
Da stellt sich natürlich auch gleich die Frage, dürfen Sie Geschichten klauen? Eigentlich wäre die Antwort ein klares Nein. Doch es gibt Ausnahmen. Denn nicht immer haben Sie eine eigene Geschichte parat.
Definitiv schlechter Stil ist, wenn ein Redner die Geschichte eines anderen erzählt. Wenn er dabei womöglich nicht einmal, die Quelle nennt, sondern so tut, als wäre es seine. Alles schon erlebt. Das gilt auch für Geschichten aus Büchern und weitgehend fürs Internet. Und dabei rede ich nicht einmal übers Copyright, das in Deutschland ans sklavische Kopieren und an eine Schöpfungshöhe geknüpft ist. Das bedeutet, es müsste wirklich wörtlich kopiert sein. Und der Text müsste so lang sein, dass er eine ausreichende Schöpfungshöhe erzielt.
Es geht hier erst einmal um guten Stil und darum, wie die Leute über Sie denken und reden, wenn die Kopiererei auffällt.
Doch es gibt Quellen, dort können Sie sich tatsächlich bedienen. Beispielsweise für Metaphern. Also nicht erlebte Geschichten, sondern welche, die Ihre Botschaft an fiktiven Personen indirekt erklären. Dazu gibt es zahlreiche Bücher von Grimmschen und Andersens Märchen über Sammlungen für Business oder Coaching bis hin zu den zahlreichen Geschichten über Mullah Nasrudin, einer umfangreichen Sammlung von kurzen Metaphern aus Persien.
Metaphern haben einen riesigen Vorteil: Sie gehen indirekt vor und dabei direkt ins Unterbewusstsein. Oft ist also nicht vordergründig klar, worum es geht, und doch wirken Sie. Sie haben aber auch einen großen praktischen Nachteil: Eine gute Metapher zu finden, ist zeitraubend. Das kann sich lohnen, wenn Sie sie immer wieder verwenden können, wie ich das tue. Für eine einmalige Präsentation ist es oft zu aufwendig.
Ein König hatte einen Traum. Er träumte eines Nachts, dass ihm all seine Zähne ausfallen. Und der König war neugierig und wollte wissen, was es bedeutet, wenn einem im Traum alle Zähne ausfallen. Er ließ einen Traumdeuter kommen und der Traumdeuter wusste: Jeder Zahn, der einem im Traum ausfällt, steht für einen Verwandten, der sterben wird. Und so sprach er denn zum König: „Euer Majestät, das bedeutet wohl, dass all Eure Verwandten sterben werden.“ – „Bist du des Wahnsinns“, brüllte der König. „Wie kannst du es wagen, mir so etwas zu sagen? Weißt du denn nicht, wen du vor dir hast?“ Und er ließ ihn bestrafen und in den Kerker sperren.
Doch dummerweise war der König immer noch neugierig und wollte wissen, was es bedeutet, wenn einem im Traum alle Zähne ausfallen. Er ließ wieder einen Traumdeuter rufen. Der beste Traumdeuter des Reiches kam von weit her. Auch er wusste, dass jeder Zahn, der einem im Traum ausfällt, für einen Verwandten steht, der sterben wird. Doch er wusste auch, was mit seinem Kollegen passiert ist, der immer noch drunten im Kerker schmorte. So überlegte er eine Weile. Schließlich sprach er: „Majestät das bedeutet wohl, dass Ihr all Eure Verwandten überleben werdet.“
Dies ist meine Signatur-Story. Signatur-Story ist eine Geschichte, die ein Keynote-Speaker immer wieder verwendet und für die er bekannt ist. Quasi ein Markenzeichen. Ich nutze sie seit fast zwei Jahrzehnten als Eisbrecher zu Beginn jedes Vortrages, Seminars, Webinars und Vorlesung zum Thema Präsentation. Sie zeigt so schön, dass es nicht nur darauf ankommt, was wir sagen, sondern wie wir es sagen. Natürlich geht es nicht nur, wie in der Geschichte, um die Wortwahl. Bei der Wirkung von Kommunikation und Präsentation geht es auch um Stimme, Sprechweise, Körpersprache und mehr.
Für Künstler gibt es einen Bestseller