Meister deines Lebens. Dr. Brigitte Bösenkopf

Meister deines Lebens - Dr. Brigitte Bösenkopf


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       Und wie reagieren Sie unter Stress?

       Welche Warnsignale spüren Sie körperlich und psychisch, wenn Sie unter Strom stehen?

      Wenn Ihnen zu der Frage nichts einfällt, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder haben Sie verlernt Unlustgefühle Ihres Körpers rechtzeitig zu spüren und mit Gegenmaßnahmen zu reagieren oder Sie gehören zu der Gruppe von Menschen, die Stress als positive motivatorische Aktivierung brauchen.

      „Stress ist die Würze des Lebens“ hat der österreichisch-kanadische Mediziner Hans Selje als Begründer der modernen Stressforschung einst formuliert und meinte damit jenen positiven Antrieb, den Menschen brauchen, um sich zu motivieren. Dieser Zustand wird als Eustress definiert, weil Personen energiegeladen und hoch konzentriert ihren Aufgaben nachgehen können.

      Krankmachender Stress wird auch als Disstress bezeichnet und entsteht immer dann, wenn individuelle Belastungsgrenzen über einen längeren Zeitraum überschritten werden, bis die Person ihre täglichen Anforderungen mit den vorhandenen Möglichkeiten nicht mehr bewältigen kann.

       Und wie bewerten Sie Ihre Arbeits- und Lebenssituation?

      Lassen Sie vor Ihrem geistigen Auge einen normalen Arbeitstag ablaufen und versuchen Sie prozentuell nachzuvollziehen, wie viele Eustress- oder Disstress-Empfindungen Sie gespürt haben.

      Eustress wird als lustvoller Zustand interpretiert, weil Sie eine Sache erledigen, die Sie erfüllt und interessiert, im besten Fall eine Tätigkeit, bei der Sie Freude spüren.

      Negativer Stress macht Sie hingegen nervös, getrieben, fahrig, gereizt oder antriebslos, weil Sie glauben, der Situation nicht gewachsen zu sein, oder keine Zeit haben, Ihre Aufgabe gewissenhaft zu erledigen.

      Für Ihre Analyse ist es wichtig zu überprüfen, ob Ihr Leben mehrheitlich durch negativen Stress geprägt wird oder ob es Ihnen gelungen ist durch Eustress Erlebnisse jeden Tag immer wieder spannend und lustvoll zu gestalten.

      Folgende Fragen sollen Sie anregen, über Ihre Eustress- und Disstress-Phasen im Alltag nachzudenken.

      Eustress:

       Welche Aufgaben fordern Sie auf positive Weise, weil Sie wissen, wie Sie die Situation bewältigen können?

       Welche Erlebnisse, Tätigkeiten oder Menschen machen Sie leistungsfähiger, weil Sie zusätzliche Kräfte mobilisieren können?

       Bei welchen Ereignissen sind Sie zwar kurzfristig angespannt, können danach aber rasch wieder regenerieren?

       Welche Situationen machen Sie optimistisch, stark und selbstbewusst?

      Disstress:

       Bei welchen Tätigkeiten und wie oft am Tag fühlen Sie sich überfordert oder handlungsunfähig?

       Welche Situationen machen Sie erschöpft, ärgerlich oder ängstlich?

       Gibt es wiederkehrende Aufgaben, die Sie bereits seit längerer Zeit überlasten?

       Haben Sie ungelöste berufliche oder private Probleme, die Sie blockieren, weil Sie keine Lösung finden?

      Ihre innere Haltung, ob sie Stress als gesund und positiv oder als ungesund und negativ wahrnehmen, spielt eine enorme Rolle, denn diese Einstellung entscheidet, wie gut oder schlecht sie in hohen Belastungssituationen reagieren.

      Wenn Sie ein KÄMPFERTYP sind, weil Sie unter Stress zur Höchstform auflaufen, dann werden Sie auch in extremeren Momenten nicht so leicht die Fassung verlieren und innerlich aufgeben.

      Sind Sie aber ein VERMEIDER, der Angst vor Belastung hat und auszuweichen versucht, dann gehören Sie zu der Gruppe von über 30 % der Menschen, die sich in diesen Situationen hilflos ausgeliefert fühlen, weil Sie keine Bewältigungsstrategien besitzen.

      Interessant ist auch die Frage, wie Menschen Disstress abzubauen versuchen.

      1.3. Privat offline – was bringt das?

      31 % der Menschen, die ihren Feierabend wieder in digitalen Netzen verbringen, können ihren ungesunden Stress auf diese Weise nicht abbauen.

      Im Gegensatz dazu haben aber nur 5 % der Personen, die in ihrer Freizeit bewusst offline gehen, Probleme, ihren Disstress zu reduzieren. Die übrigen haben Bewältigungsstrategien entwickelt, die ihnen helfen ihre innere Anspannung gezielt abzubauen: Sport als Ausgleich, Treffen mit Familien und Freunden, genussvolles Essen ohne Handykontakt oder Hobbys, die Spaß machen und ablenken. (5)

      Auch wir haben in unserem Stresscenter in Wien, im Gesundheitszentrum Döbling, viele Burnout-Patienten betreut und festgestellt, dass jeder fünfte Patient hoffte, sich durch das Internet und soziale Handykontakte von seinem angeschlagenen Gesundheitszustand abzulenken.

      Die Betroffenen konnten dann aber nicht mehr abschalten und waren in ihrem Kopf 24 Stunden online beschäftigt. Dass diese Gruppe auch unter Schlafstörungen litt, war nur eine Folgeerscheinung ihrer innerlichen Unruhe und dem Wunsch ständig erreichbar zu sein.

      Falls Sie ähnliche Muster erkennen und nicht sicher sind, ob eine Anfälligkeit in Richtung Internetsucht bereits gegeben ist, soll die Beschreibung einer unserer Patienten über seinen Zustand für Sie mehr Klarheit bringen.

      Heinz:

       Ich weiß, dass es besser wäre, mir Hobbys oder Entspannungstechniken zu suchen, aber ich habe ständig den exzessiven Drang, auch in meiner Freizeit nach meinem Handy zu greifen. Im Arbeitsalltag ist es normal, dass ich zwei Handys besitze, die ich abwechselnd kontrolliere und sogar auf das WC mitnehme, um nichts zu versäumen.

       Meinen Arbeitstag verbringe ich mehrheitlich vor meinem PC und auch in der Mittagspause habe ich es mir neben dem Essen angewöhnt, meine Aktienkurse zu kontrollieren, wobei diese Tätigkeit mich an manchen Tagen noch zusätzlich stresst.

       Mit meiner Frau habe ich abends dann jede Menge Ärger, weil sie behauptet, dass ich auch beim Abendessen ständig mit meinen beiden Handys spiele, statt ihr aktiv zuzuhören. Und wenn ich ehrlich zu mir bin, dann muss ich ihr recht geben. Kaum verlässt sie für einen Moment den Raum, halte ich bereits mein Handy in der Hand, um nachzuschauen, was ich versäumt haben könnte.

       Unter Schlafstörungen leide ich bereits seit einigen Jahren, im Gegensatz zu meiner Frau, die kein Problem hat, rasch einzuschlafen. Natürlich habe ich da begonnen, ungestört mit dem Handy ins Internet zu gehen, um müde zu werden. Leider erfolglos, da ich oft zwei Stunden mit dem Handy in der Hand wach liege. Morgens bin ich schon um 5 Uhr munter, und wenn meine Frau die Augen aufschlägt, sieht sie mich meistens mit dem Handy in der Hand. Das hat bei uns bereits zu einer Beziehungskrise geführt, weil auch unsere sexuellen Kontakte durch meinen regen Handyverkehr stark reduziert wurden.

       Langsam glaube ich selbst, dass meine mangelnde Lust auf Sex mit meiner Handysucht zu tun hat. Und ich merke auch, dass ich zunehmend gereizter werde, wenn mich jemand bei meinen Internetkontakten stört oder durch Aufgaben ablenken will. Wenn ich einige Stunden nicht im Netz war, habe ich auch gleich die Sorge, etwas Wichtiges verpasst zu haben.

       Ich glaube, ich brauche jetzt wirklich rasche Hilfe, um meine Gesundheit und meine Beziehung wiederaufzubauen. Manchmal träume ich von der Zeit, in der ich kein Handy hatte, aber viele Interessen und Hobbys. Mein Leben muss sich wieder ändern.

      Diese Beschreibung ist leider kein Einzelfall. 21 % der Männer haben Angst, etwas zu verpassen, wenn sie nicht online sind. So ist für diesen Typ bereits der Begriff FOMO – Fear of missing out entstanden. Unter dieser Angst leiden aber nur 14 % der Frauen.

      Das Internet und unsere sozialen Netzwerke haben den Stresspegel vieler Menschen in unserem digitalen Zeitalter erhöht und stellen uns alle vor eine


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