Meister deines Lebens. Dr. Brigitte Bösenkopf

Meister deines Lebens - Dr. Brigitte Bösenkopf


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uns zu filtern und digitale Abwechslung in der Freizeit gezielt einzusetzen. Studien zeigen, dass Internetkonsum nur teilweise zum Stressabbau geeignet ist. Vor allem, wenn Sie den ganzen Tag sitzend vor dem Bildschirm verbringen und dann noch zu Hause in den Fernseher oder ins Handy schauen.

      Der Deutsche Neurowissenschaftler und Psychiater Prof. Dr. Manfred Spitzer:

       Digitale Demenz ist ein Prozess, der von einem optimalen Zustand des Geistes wegführt. Durch Zunahme digitaler Medien wird weniger Wissen erworben, wodurch unsere Gedächtnisleistung sinkt. Wir können dadurch weniger auswendig lernen und kommen so ins „Zeitalter der Vergesslichkeit“.

      Vielleicht gehören Sie aber bereits zu der Gruppe, die einen digitalen Gegentrend entwickelt hat, und Spaß dabei empfindet, nicht immer online sein zu müssen – die Gruppe der JOMO – Joy of missing out. Das sind Menschen, die bewusst Offline-Phasen in ihre Freizeit integrieren, um sportliche oder mentale Techniken als Ausgleichsprogramm zu genießen. Wobei die Altersunterschiede hier sehr deutlich sind: 40 % der 18–39-Jährigen wollen „always on“ sein, während die Gruppe der 60+ nur zu 18 % immer dabei sein will. (6)

      1.4. Wenn der Stress die Lebensfreude killt

      In unser Stresscenter in Wien sind viele verzweifelte Menschen gekommen, die alle eines gemeinsam hatten: Sie waren durch hohen Stress mit ihrem Leben unzufrieden und hatten nur einen Wunsch: Sie wollten ihre Situation rasch verändern und wieder Spaß am Leben und an ihrer Arbeit finden.

      Die meisten Personen behaupteten, dass ihr Leben in den letzten Jahren immer stressiger geworden sei. Ob das tatsächlich so war, konnten wir nicht feststellen. Menschen, die sich auf unserer Stressskala ganz oben einstuften, hatten fast immer das Gefühl, dass ihr Stresspegel durch äußere Umstände gestiegen wäre und nicht, weil sie selbst schlechte Stressbewältigungsstrategien hatten.

      Selten nannten die Betroffenen nur eine Ursache wie Arbeit oder Beziehung, in den meisten Fällen waren es mehrere Faktoren, die zu ungesundem Stress führten.

      Als Psychologin habe ich viele Gespräche mit Frauen und Männern aller Altersgruppen im Stresscenter und in unterschiedlichen Unternehmen geführt, doch die Auslöser, warum Menschen Stress hatten, waren sehr ähnlich: Beruf und ständige Erreichbarkeit, Freizeit- und Familienstress, Konflikte in der Arbeit oder in privaten Beziehungen, gesundheitliche Sorgen und Belastungen durch Pflege von Angehörigen etc. Die Liste ließe sich noch individuell lange fortsetzen.

      Interessanterweise wurden die eigenen hohen Ansprüche und Erwartungen, die zu Stress führen, erst angesprochen, nachdem ich konkrete Fragen zu diesem Thema gestellt hatte. Viele wollten nicht wahrhaben, dass sie selbst die Ursache für viele belastende Situationen in ihrem Leben waren. Denn das würde bedeuten, dass sie sich selbst ändern müssten und nicht die anderen.

       Nehmen Sie sich bitte kurz Zeit und schreiben Sie Ihre täglichen Stressoren auf.

       Welche Tätigkeiten oder welche Menschen belasten Sie und rauben Ihnen die Lebensfreude? Und welche Rolle spielen Sie dabei?

      Am besten Sie bewerten auf Ihrer Liste jeden Stressor auf einer Skala (0 = kein Stress bis 10 = hoher Stressfaktor). So sehen Sie auf einen Blick, wo Ihre Belastungen liegen und können überlegen, ob Sie Einfluss zur Verbesserung der Situation haben oder Bewältigungsstrategien brauchen, um mit dem Stress leben zu lernen.

      1.5. Kampf, Flucht oder Augen zu

       Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ihr Chef holt Sie vor versammelter Mannschaft zu sich, um Ihnen lautstark zu erklären, wie schlecht Ihre Verkaufszahlen im letzten Monat waren und dass Sie nur mehr eine letzte Chance haben, wenn Sie nicht ausgetauscht werden wollen. Wie reagieren Sie in diesem Moment?

      Der Kämpfertyp ist durch die Performance seines Chefs nicht wirklich beeindruckt. Im Gegenteil: Er lässt sich nicht einschüchtern und läuft mit seinen Gegenargumenten zur Höchstform auf. Konflikte fürchtet er nicht, sondern nimmt die Herausforderung an, das Gegenteil zu beweisen, nämlich, dass nicht er schuld daran ist, sondern dass ungünstige Rahmenbedingungen für das schlechte Ergebnis verantwortlich waren.

      Der Durchhaltetyp ist in dieser Situation stark gestresst und angespannt, hofft aber, dass sich der Chef nach dem Donnerwetter beruhigt, wenn er selbst einsichtig reagiert und verspricht die Zahlen im nächsten Monat wieder zu steigern. Durchhalter haben große Ängste vor Jobverlust und sind oft bereit, lange Zeit ungünstige Bedingungen bei der Arbeit in Kauf zu nehmen. Sie hoffen immer wieder, wenn sie nicht aufgeben und durchhalten, dass sich die Lage in Zukunft verbessern wird.

      Für den Vermeidertyp ist diese Situation am schlimmsten. Normalerweise würde er mit Flucht reagieren und den Raum so rasch wie möglich verlassen, um auf den Moment zu warten, bis der Chef wieder besser gelaunt ist. Da Flucht nicht möglich ist, erträgt er die Situation in höchster körperlicher und psychischer Anspannung und nimmt sich vor, bei nächster Gelegenheit zu kündigen, damit er dieses Erlebnis kein zweites Mal ertragen muss.

       Und wie würden Sie reagieren? Welche Taktik zählt zu Ihrem Verhaltensrepertoire?

      In Deutschland zählen sich 56 % zum Durchhaltetyp, und da wundert es mich als Psychologin nicht, dass viele Menschen durch diese Strategie ins Burnout geraten. Augen zu und abwarten beziehungsweise hoffen, dass die Lage wieder besser wird, ist nicht die richtige Technik, um gesund mit Stress umzugehen.

      Doch auch Fluchttendenzen als Vermeider verbessern eine angespannte Situation nur selten. Dazu gehört auch der soziale Rückzug eines Menschen, um Konflikte mit seiner Umwelt zu vermeiden. Dieses Verhalten führt automatisch in die gesellschaftliche Isolation und nicht selten in eine schwere Depression. Jeder Fünfte in Deutschland zählt sich zu der Gruppe der Vermeider.

      16 % sehen sich als Kämpfertyp und sprechen vom positiven Stress, den es zu bewältigen gilt. Stress gehört für sie zum Leben, wenn man etwas erreichen will. (6)

      Doch auch als Kämpfer braucht es Techniken, um bei Konflikten erfolgreich zu agieren. Ist dieser Typ ein egoistischer Einzelkämpfer, der nur auf seinen Vorteil bedacht ist, wird auch er mit seiner Strategie scheitern. Kämpfen bedeutet nicht automatisch zu siegen, weil gerade im Business Win-win-Situationen für eine längere Zusammenarbeit oft viel vorteilhafter sind.

      Als langjährige Leiterin der Arbeitsgemeinschaft für Präventivpsychologie in Wien habe ich mit vielen Psychologen und Therapeuten zusammengearbeitet. Ziel des Vereines war die Prävention, das heißt, wir haben mit unserem Seminarprogramm und Einzelcoaching Menschen Techniken und psychologische Strategien vermittelt, damit sie gut vorbereitet sind für Krisen und veränderte Lebensbedingungen.

      Durchhalten aber wofür?

      Viele unserer Klienten kamen aber meistens, wenn sie bereits in einer belasteten Lebenssituation waren. Als klassische Durchhalter glaubten sie lange Zeit, schwierige Konstellationen beruflich oder privat aushalten zu müssen. Mit dieser Hoffnung passiv abzuwarten, verloren sie aber den realistischen Blick auf ihre eigenen gesundheitlichen Grenzen bis sie sich hilflos ausgeliefert fühlten, weil sie erschöpft, müde, depressiv und frustriert wurden und ihr Leben nicht mehr im Griff hatten.

      In unserem Verein hatten wir ca. 60 % weibliche und 40 % männliche Durchhalter, die unterschiedliche Berufe ausübten und in allen Alterskategorien vorkamen. Was sie verband, war der Irrglaube, dass sich belastende Situationen auch ohne ihr Zutun, von allein auflösen würden. (7)

      Es kamen aber auch viele Frauen und Männer, die jahrelang einen Job ausübten, der sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit brachte und dennoch hofften sie, dass ein neues Management irgendwann die Bedingungen der Mitarbeiter verbessern würde.

      Manche warteten bis zum Pensionseintritt, um ernüchtert festzustellen, dass die Arbeit nicht nur ihre gesamte Kraft beansprucht hatte, sondern auch ihre Lebensfreude verschwunden war.

      Wir


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