Ein guter Junge. Lisa Henry

Ein guter Junge - Lisa Henry


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gegenüber Acton. Nicht in ihrer Gesamtheit.

      Lane befand sich nicht im freien Fall. Auf keinen Fall, ganz und gar nicht. Er hielt durch, während die Anwälte die Sache klärten. Kindchen.

      Actons Lächeln war eine Spur zu wissend.

      Lane senkte seinen Blick und nippte an seinem Drink. Scotch. Er brannte seine Speiseröhre hinunter. „Ich meine, anscheinend denkt die SEC, er hätte das Geld.“

      „Hmmm.“ Acton verlagerte sein Gewicht, stellte seinen Brandy auf den Schreibtisch und verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Und, hat er?“

      Lanes Gesicht brannte. „Nein!“

      Er wusste nicht, ob er log oder nicht. Er wusste nicht, warum er seinen Vater verteidigte.

      „Landon.“ Acton streckte den Arm aus und legte eine große Hand auf Lanes Schulter. „Du würdest es mir sagen, wenn du es wüsstest, nicht wahr?“

      „Ja“, sagte Lane. Er sollte über den angedeuteten Vorwurf beleidigt sein, aber er war zu müde dafür. Wahrscheinlich hatte er seine Reserven an empörter Unschuld bei den SEC-Ermittlern aufgebraucht. Er war nur noch müde – müde und irgendwie froh, das Lächeln zu sehen, das sich auf Actons Gesicht ausbreitete.

      „Und du würdest es mir sagen, wenn du das Geld hättest, oder?“

      Lane konnte nicht bestimmen, ob das ein Scherz war oder nicht. Acton lächelte, aber es lag etwas Ernstes in seinem Ton. „Ich habe es nicht“, sagte Lane und wünschte sich, die Worte wären lauter, stärker aus seinem Mund gekommen.

      „Entspann dich. Es sind also nur Gerüchte. Die Konten?“

      „Welche Konten?“, verlangte Lane zu wissen.

      Acton zuckte mit den Schultern. „Ich habe neulich etwas in der Zeitung gelesen – irgendeinen Blödsinn über Offshore-Konten auf deinen Namen.“

      Nur Actons Beteuerung, dass es Blödsinn war, hielt Lane noch davon ab, in Panik zu geraten. Er hatte seit Tagen keine Zeitung mehr in die Hand genommen – konnte sich keine leisten. Und er hatte auch keinen Zugang zu einem Computer gehabt. Offshore-Konten – er wollte Acton nicht fragen, was genau das bedeutete. Wollte nicht, dass Acton wusste, wie ahnungslos er war. Kriminelle hatten in Filmen immer Offshore-Konten, richtig?

      Obwohl die Filme nie zeigten, wie die Kriminellen diese Konten bekamen oder was sie damit machten. Lane wusste, dass das schlecht war, und das war genug.

      Außer, dass die Konten nicht existierten. Lane verstand nicht, wie er für etwas beschuldigt werden konnte, mit dem er nichts zu tun hatte.

      „Warum sollten sie das behaupten?“, fragte Lane.

      Acton nahm einen großen Schluck Scotch. „Sie versuchen, der Geschichte ein bisschen neues Drama zu verpassen, nehme ich an. So ist das nun mal. Wenn du privilegiert bist, wenn du gut aussiehst, dich aber – und sei es nur ein wenig – nicht gut benimmst, machen die Medien Hackfleisch aus dir.“

      Bei diesen Worten durchfuhr Lane ein Schauer. Wenn du gut aussiehst, dich aber nicht gut benimmst … Sein Schwanz regte sich. Es war ihm peinlich, in so einem Moment an Sex zu denken. Actons Nähe bewirkte immer etwas in ihm. Und durch den Stress des Skandals funktionierte sein Verstand nicht richtig. Das war alles.

      Acton lächelte wieder. „Du bist ein guter Junge“, sagte er.

      Lane erwiderte das Lächeln, zum ersten Mal seit Wochen aufrichtig hoffnungsvoll. Er hob das Glas an seine Lippen und schluckte. Diesmal ging der Scotch leichter hinunter. Er breitete sich in ihm aus, warm und ließ seine Haut kribbeln. Und obendrein lockerte er auch seine Zunge.

      „Was ist mit deinem Gemälde passiert?“, fragte Lane.

      Acton hatte immer einen Stuart Davis in seinem Büro hängen gehabt – ein Stück moderne Kunst in Blau- und Stahlschattierungen. Eine Skyline.

      „Ich habe es verkauft“, sagte Acton. Er starrte auf die Stelle an der Wand, wo das Bild gehangen hatte. Abweisend wedelte er mit der Hand. „Um ein vorübergehendes Cashflow-Problem aufzufangen.“

      Schuldgefühle ploppten in Lanes Magen auf. Er konnte sich nicht dazu durchringen, nach dem Grund zu fragen.

      „Ich kann meine Studiengebühr für das nächste Semester nicht bezahlen“, sagte Lane plötzlich und fragte sich, ob es Acton half, wenn er wusste, dass es ihm ebenfalls wehtat. „Oder meine Motelrechnung im Moment. Oder irgendwas. Scheiße, sieh dir meine Schuhe an!“

      Lane war sich nicht sicher, welche Reaktion er auf seine Litanei des Elends erwartet hatte, aber sicher kein Lachen. Er gab sich einen Moment Zeit, um festzustellen, ob er empört war. Nein. Und es war irgendwie lustig, hier in Actons Büro zu sitzen, in seinen zerknitterten Klamotten und den Schuhen, die er aus dem Secondhand-Laden hatte. Lane würde alles, was er hatte, darauf wetten – was war das schon, sechs Dollar und fünfundsiebzig Cent? – dass der letzte Typ, der mit Acton in seinem Arbeitszimmer gesessen und Scotch getrunken hatte, nicht in der Lage wäre, einen Secondhand-Laden mit einer Stadtkarte zu finden.

      Seine Lippen zuckten. Es war lustig. Die Gerüchte über die Offshore-Konten. Die Medien erfanden den Scheiß, obwohl Lane nicht einmal wusste, was ein Offshore-Konto war.

      „Noch einen Drink?“

      Lane schaute auf sein Glas. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er ausgetrunken hatte. Er nickte und hielt Acton das Glas hin.

      „Tut mir leid, wenn, ähm – wenn du – wenn es wegen meiner Eltern ist. Das Gemälde.“ Er nahm das Glas, das Acton ihm reichte, und trank einen großen Schluck. Es klang seltsam, sich für etwas zu entschuldigen, für das er nichts konnte, aber Lane hatte oft das Bedürfnis, sich für alles zu entschuldigen, was schiefging, ob er es nun verursacht hatte oder nicht. Und er wollte Acton wissen lassen, dass es ihm leidtat.

      Acton gluckste. „Immer mit der Ruhe.“ Mit dem Kinn deutete er auf Lanes plötzlich leeres Glas. „Ich habe vergessen, dass du noch nicht einmal alt genug bist, um zu trinken.“

      Lane erwiderte Actons Lachen und reichte das Glas an Acton zurück. „Ich nehme noch einen, wenn es dir nichts ausmacht.“ Er war überrascht, wie deutlich ihm die Worte über die Lippen kamen. Er klang nicht wie sein übliches nuschelndes Ich, sondern wie jemand, der wusste, was ihm zustand. Er klang wie sein Vater.

      „Trinkst du in der Schule?“

      Die Art, wie Acton die Frage stellte, jagte Lane einen Schauer über den Rücken. Als ob Acton alles wusste, was er in Boston anstellte. Als ob Lane in Schwierigkeiten wäre. Er wollte Acton nicht verraten, wie oft er als Teenager solche Fantasien gehabt hatte. Fantasien, in denen er vor Acton stand, während Acton ihn belehrte. In denen Acton ihm sagte, dass er gegen die Regeln verstoßen hatte und er …

      Lane stoppte sich selbst. Irgendetwas stimmte ernsthaft nicht mit ihm. Das wusste er schon seit Jahren. Es war nur so, dass seine Eltern sich nie darum zu kümmern schienen, was Lane tat oder nicht. Aber Acton bemerkte es. Und die Vorstellung, dass jemand jede seiner Bewegungen bemerkte, jemand, der ihn zur Rede stellen würde, wenn er etwas falsch machte, war unglaublich … heiß?

      Nein, irgendetwas stimmte definitiv nicht mit ihm.

      Lane schüttelte den Kopf. „Nein, Sir.“ Das war die Wahrheit. Er trank nicht in der Schule. Nun, er trank hin und wieder ein Bier, um seine Nerven auf einer Party zu beruhigen. Aber er war nie betrunken gewesen. Ein Bier ab und zu war kein „Trinken“, oder? Hatte er Acton belogen, und würde Acton es merken?

      Lane ließ sich von der Fantasie mitreißen, als Acton sich über die Ablage beugte. Die Wärme in seinem Körper machte es okay, über diese Dinge nachzudenken. Acton wusste es, und in einer weiteren Sekunde würde er sich umdrehen und Lane zur Rede stellen. Ihm sagen, dass er für die Lüge bestraft würde.

      Oh Scheiße, Lanes Schwanz wurde steif. Das Letzte, was er brauchte, war, in Actons Arbeitszimmer einen Steifen zu bekommen, während Acton versuchte, ihm zu helfen, sein Leben in Ordnung zu bringen.

      Warum


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