Vieatnam vegetarisch. Anna Plumbaum
IN VIETNAM
Im Alltag essen Vietnamesen häufig alleine und öfter über den Tag verteilt. So genießt man morgens auf dem Weg zur Arbeit eine Nudelsuppe an einem der Straßenstände und holt sich zwischendurch an einem anderen Stand ein banh-mi-Sandwich, ein gefülltes Dampfbrötchen oder einen süßen Snack. Wer in einem Dorf oder in derselben Stadt mit der Familie lebt, isst gerne abends gemeinsam, manchmal auch im Freundes- oder Kollegenkreis.
In dörflichen Gegenden breitet man eine große Matte auf dem Boden aus, auf der man sich gemeinsam um das Essen gruppiert, in Städten werden hingegen niedrige Tische und Höckerchen bevorzugt. Auf dem Tisch landet nicht nur die Hauptspeise, gleich mehrere Gerichte auf einmal versammeln sich hier. Im Zentrum steht immer eine große Schüssel Reis oder Reisnudeln. Dazu gesellen sich eine Suppe oder ein Salat, ein warmes Pfannengericht mit Fleisch, Fisch oder Tofu sowie ein Teller mit gebratenem grünem Gemüse. Zum Abschmecken wird oft Fischsauce oder die klassische Dip-Sauce gereicht sowie fein gehackte Chilis oder Chilisauce, geröstete Schalotten und Kräuter.
Da viele Vietnamesen ihre Familien nicht häufig sehen, sind feierliche Anlässe wie das dreitägige Tet-Fest für das Zusammenkommen besonders wichtig. An dem bedeutendsten vietnamesischen Feiertag, der den Beginn des Jahres laut Mondkalender einläutet, reisen fast alle Vietnamesen zu ihren Familien, besuchen Tempel und treffen sich gemeinsam zum festlichen Essen. Die Vorbereitungen beginnen oft schon Wochen zuvor und auch die Zubereitung einiger Speisen erfolgt in der Regel einige Tage im Voraus. Der traditionelle Chung-Neujahrskuchen besteht aus Klebreis mit einer herzhaften Füllung aus Bohnen und Fleisch und wird, in Dong-Blättern eingewickelt, zwölf Stunden lang gekocht, was dem Reiskuchen sein besonderes Aroma und die grüne Farbe verleiht.
VEGETARISCHE KÜCHE IN VIETNAM
Die Geschichte Vietnams ist nicht nur von Fremdbesatzungen und Kriegen geprägt, sondern auch von Dürren, Überschwemmungen und Seuchen. Das führte dazu, dass fast alles Genießbare – von Pflanzen und Gemüse über Fisch und Fleisch bis hin zu Insekten – in der Küche verwendet wird. Und trotzdem hat sich in dem buddhistisch geprägten Land eine traditionelle vegetarische Küche herausgebildet.
Auch heute verzichten die meisten Menschen im Land jeweils am ersten und fünfzehnten Tag des Monats laut Mondkalender auf Fisch und Fleisch. Daher sind viele Einheimische mit dieser Form der Ernährung vertraut, auch wenn die wenigsten Vietnamesen im Alltag vegetarisch oder vegan leben. Selbst die Speisekarten einiger Garküchen und Restaurants bieten an den Mondfeiertagen vermehrt oder ausschließlich vegetarische Gerichte an. Dabei greift man zu Fleisch- und Fischimitaten aus Soja, die es oft in Konserven zu kaufen gibt, bereitet jedoch auch köstliche Gerichte mit Pilzen und Tofu zu.
Außerhalb der Mondfeiertage findet man in den großen Städten Vietnams zusätzlich eine bunte Auswahl an klassischen sowie modernen Restaurants und Cafés, die sich auf vegetarische und vegane Gerichte spezialisiert haben. Hier kann man zum Beispiel den köstlichen, im frischen Lotusblatt gedämpften Reis probieren, Spezialitäten aus Tofu verkosten oder Kreationen aus der bunten Obst- und Gemüsepalette des Landes genießen.
ALLES IN BALANCE
Das Streben hin zu einem Gleichgewicht, sowohl nach der Yin-und-Yang- als auch nach der Fünf-Elemente-Lehre, ist in der Küche Vietnams ausgeprägt. So werden beispielsweise einzelnen Lebensmitteln und Zubereitungsweisen Eigenschaften zugeschrieben, die es auszugleichen gilt. Nach diesem Prinzip stuft man beispielsweise Ingwer und gebratene Gerichte als »heiß« ein, wohingegen Tamarinde und gedämpfte Speisen als »kalt« klassifiziert sind.
Auch den fünf Elementen Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser ordnet man verschiedene Geschmäcker und Farben zu. Dazu zählen übrigens auch die fünf Geschmäcker salzig, süß, bitter, sauer und scharf. Die angestrebte Geschmacksbalance zeigt sich an dem wohldosierten Abschmecken von Dips, Dressings, Suppen und Co., welchem man in Vietnam viel Aufmerksamkeit schenkt. Am Beispiel der klassischen Dip-Sauce (siehe Seite 48) kann man dieses Prinzip gut sehen: Hier verbindet sich das Salzige der Fischsauce (bzw. der vegetarischen Alternative) mit der Süße des Zuckers, dem säuerlichen Limettensaft, der leicht bitteren Note des Knoblauchs und der Schärfe der Chilischote zu einer harmonischen Komposition.
Auch auf das Gleichgewicht möglichst verschiedener Texturen in den Gerichten wird Wert gelegt. So beinhaltet eine Pho-Suppe zugleich flüssige Brühe, bissfest gekochte Reisnudeln, knackiges Gemüse sowie beispielsweise seidig-festen Tofu und knusprige Toppings wie gehackte Nüsse oder Röstschalotten.
VON KOKOSNÜSSEN, KAFFEESPEZIALITÄTEN UND COCKTAILKREATIONEN
In den höheren Lagen des Nordens und im Zentrum Vietnams baut man Kaffee und Tee an. Beides trinken die Vietnamesen am liebsten eisgekühlt. Für den authentischen Kaffeegenuss muss man jedoch Geduld mitbringen und es süß mögen, denn das Wasser tröpfelt langsam durch den traditionellen Blechfilter (phin) mit dem Kaffeepulver darin in ein Glas und wird mit einer dicken Schicht gesüßter Kondensmilch verfeinert.
Der verwendete Kaffee weicht vom europäischen Geschmack ab, denn das Herstellungsverfahren in Vietnam ist ein anderes und beschert dem Kaffee ein oft kakaoähnliches Aroma. Weitere Kaffeespezialitäten des Landes sind der berühmte Eierkaffee aus Hanoi (siehe Seite 183), der mit einer süßen Creme aus Eiern versehen wird, die an eine Zabaione erinnert, und ein Eiskaffee (siehe Seite 184), der mit Joghurt zubereitet wird.
Zu den liebsten Erfrischungsgetränken sowohl bei Einheimischen als auch Touristen zählt außerdem das köstliche Wasser frisch aufgeschlagener Kokosnüsse – vor allem im heißen Süden des Landes ein Genuss. Auch Limettenlimonade (siehe Seite 188) wird im ganzen Land angeboten, genauso wie frisch gepresster Zuckerrohrsaft, aber ebenso Softdrinks und Bier sowie süße Shakes aus frischen Früchten (siehe Seite 187).
Wer Hochprozentiges sucht, wird in der lebendigen Barkultur Vietnams fündig. In Rooftop-Bars, kleinen versteckten Lokalen in den verwinkelten Gassen und in Bars einiger Hotels und kleiner Resorts beweisen viele lokale Bartender ihr Talent und zaubern kreative Drinks. Mal auf Basis des vietnamesischen Klebreiswodkas Nep Moi, der intensiv nach geröstetem Reis schmeckt, mal verfeinert mit den aromatischen Kräutern, Gewürzen und Früchten des Landes. Ein Hinweis zu den Rezepten in diesem Buch: Einige der verwendeten Zutaten sind typisch für die vietnamesische Küche und nicht unbedingt im Supermarkt erhältlich. Im Asialaden sollten Sie aber auf jeden Fall fündig werden.
KULINARISCHE ENTDECKUNGSREISE VON NORD NACH SÜD
Frühjahr 2017: Unsere Route führt uns vom kühleren Norden Vietnams in den tropisch warmen Süden. Mit meinem Partner Klaus an der Seite lasse ich mich von den vielfältigen Landschaften, den modern-quirligen Großstädten und ländlichen Idyllen des Landes mitreißen. Meine Mission: die köstliche Küche des Landes kennenzulernen und mich durch die bunte Palette der vegetarischen Leckereien zu probieren.
EINE FOOD-TOUR QUER DURCH HANOI
Unsere