Vieatnam vegetarisch. Anna Plumbaum
lassen uns direkt nach Ankunft durch die verwinkelten Gassen der Altstadt treiben. Anders als in Kambodschas Hauptstadt ist das Tempo in Hanois Straßen spürbar höher: Statt Tuk-Tuks und sich gemächlich durch den Verkehr schiebender Mopeds düsen Autos und Motorroller in einer fast schwindelerregenden Geschwindigkeit durch das Gewühl der Straßen.
Das Leben spielt sich auf den engen Bürgersteigen ab und an jeder Ecke fühle ich mich von neuen Eindrücken überwältigt. Fast jeder Winkel wirkt wie eine historisch angehauchte Filmkulisse – ein wenig surreal in dieser außerhalb des alten Kerns doch so modernen Stadt. Straßenverkäufer mit Körben voller Früchte und Blumen ziehen an uns vorbei, vor den kleinen Ladenlokalen wird debattiert, gespielt oder auch mal auf dem parkenden Moped ein Nickerchen gehalten und von überallher strömen köstliche Düfte zu uns.
Ich kann es kaum abwarten, etwas zu probieren, traue mich jedoch noch nicht an die vielen Straßenstände heran. Die Auswahl scheint so groß und die Unsicherheit, gleich zu Beginn der Reise etwas Unbekömmliches oder Fleischhaltiges aufgetischt zu bekommen, spielt mit. Die Entscheidung fällt daher zunächst auf ein vegetarisches Restaurant, das Uu Dam Chay. In der Nähe des Hoan-Kiem-Sees gelegen, wirkt es wie eine Ruheoase inmitten des Gewusels. Im Inneren trifft Beton auf Metall, Holz auf gemusterte Fliesen und Ziegel, die vielen Pflanzen machen es gemütlich. Wir bestellen einen Ananas-Bratreis mit Macadamianüssen, frisch gemachte Sommerrollen mit Erdnussdip und Tofu in einer pfeffrigen Zitronengraspanade – alle Gerichte sind wunderschön präsentiert und machen Appetit auf die kommenden Tage.
Am nächsten Morgen trauen wir uns schließlich doch ins Streetfood-Getummel, und zwar zusammen mit unserem Guide Tinh. Er führt Touristen bereits seit mehreren Jahren durch die Straßen Hanois und hat sich auf private Food-Touren spezialisiert – und er verspricht, uns seine Lieblingsgarküchen zu zeigen, die auch Veggie-Varianten in petto haben.
Gespannt ziehen wir los und probieren zunächst superknusprige banh xeo – Reismehl-Kurkuma-Crêpes mit Kräutern und Dip-Sauce –, die uns eine Köchin in der engen dampfenden Gasse extra ohne Shrimps zubereitet. Auf dem Weg zum nächsten Stand lassen wir uns einen Zuckerrohrsaft frisch pressen, genießen daraufhin, auf kleinen Schemeln hockend, grünen Papayasalat mit extra vielen gehackten Erdnüssen und machen schließlich eine Verschnaufpause im Café Giang, wo der berühmte Eierkaffee serviert wird. Dieser ist mit einer extradicken Schicht aus aufgeschlagenen Eiern und süßer Kondensmilch getoppt, schmeckt köstlich-cremig und erinnert an ein Dessert. Mein kulinarisches Highlight jedoch folgt im nächsten Lokal, in dem uns eine warme würzige Brühe mit Auberginen und großen frittierten Tofustücken serviert wird, garniert mit Kräutern und Lauchzwiebeln – gleichzeitig simpel und raffiniert abgeschmeckt.
Mittlerweile sind sechs Stunden vergangen, seit unsere Tour mit Tinh kreuz und quer durch das Gassenlabyrinth begonnen hat, und wir sind übersatt, doch er will uns zum Abschluss noch einen seiner vielen Lieblingsläden zeigen. Kurze Zeit später finden wir uns vor einem Ecklokal, auf roten und blauen Plastikstühlchen sitzend, inmitten einer stark befahrenen Kreuzung wieder und genießen Schälchen mit Früchten und Joghurt. Zunächst war ich verdutzt, denn Joghurt hätte ich nicht als klassisch vietnamesisch eingeschätzt. Doch seit der französischen Kolonialzeit stellen auch die Vietnamesen ihre eigene Joghurtvariante auf Basis von süßer Kondensmilch her. Dieser kommt mit zerstoßenem Eis, frischen Früchten wie reifer Jackfrucht, Ananas, Drachenfrucht und Melone als Dessert ins Schälchen und schmeckt köstlich erfrischend.
Bevor wir unsere Reise ins Zentrum des Landes fortsetzen, steuern wir noch die berühmte Halong-Bucht an mit ihren beeindruckenden Kalkfelsen, die oft steil und dichtbewachsen mit Bäumen aus dem türkisfarbenen Meer ragen. Es ist kalt und regnerisch – in Plastik-Regenmäntel eingehüllt, genießen wir vom Kajak aus die einzigartige Landschaft. Auf dem Boot gibt es warmen Tee, Kaffee und Frühlingsrollen.
BUNTE MÄRKTE UND EIN KOCHKURS IN HOI AN
Im Zentrum Vietnams angekommen, tauschen wir die Regenmäntel gegen T-Shirts ein und stürzen uns in das sommerlich-warme Hoi An. Das pittoreske Städtchen liegt an einem Fluss, aber auch unweit der Küste. Im Zentrum säumen historische Holzhäuser den alten Stadtkern und das Flussufer. Andere Gebäude zeugen von der Kolonialzeit, viele von ihnen sind in warmem Gelb gestrichen, der Putz bröckelt hier und da und bunte Laternen hängen zwischen den Häuserreihen. Wir schlendern durch die geschmückten Straßen mit ihren vielen Cafés, Läden und Restaurants und finden dazwischen kleine Eingänge, hinter denen sich reich verzierte Tempel verbergen. Wenn es ein Bilderbuch-Vietnam gibt, dann wahrscheinlich hier. Den Kern dieser hübschen Kulisse muss man sich tagsüber nicht mit vorbeirauschenden Mopeds teilen, dafür jedoch mit unzähligen anderen Touristen.
Wir beschließen daher, am nächsten Tag die Stadt zu erkunden, noch bevor die Läden öffnen und Besucher anlocken. Das frühe Aufstehen lohnt sich: Im warmen Morgenlicht und noch leichtem Nebel erleben wir, wie Hoi An langsam erwacht. Wir sehen, wie vereinzelte Mopeds Waren durch die Fußgängerzone zu den Läden liefern, wie Marktfrauen mit Reisstrohhüten vor Bergen von grünen Kräutern und buntem Gemüse an den Bürgersteigen hocken und wie Menschen sich in kleinen Seitengassen zu einem Kaffee oder einer Nudelsuppe zusammenfinden. Von Touristen gibt es so früh morgens kaum eine Spur.
Wir steuern den Stand Banh Mi Phuong an, vor dem sich schon eine kleine Schlange gebildet hat, und bestellen zum Frühstück je eines der noch warmen Sandwiches mit Ei und Tofu, bestrichen mit würziger Mayonnaise und getoppt mit eingelegtem Gemüse und Kräutern, und lassen es uns in einer ruhigen Ecke schmecken. Später am Tag setzen wir unseren kulinarischen Streifzug fort und probieren in einem der kleinen Restaurants köstliche Cao-Lau-Nudeln mit Gemüse, Tofu, Sprossen und kross frittierten Stückchen aus Wantan-Teigblättern. Die besonderen Nudeln gibt es nur in der Gegend um Hoi An, sie sind fast so dick wie Udon-Nudeln und haben eine karamellbraune Farbe. Der Herstellungsprozess wird von wenigen Familien der Stadt streng geheim gehalten, jedoch verleiht wohl die Asche aus Blättern vom Amarantbaum den Nudeln ihr intensives Aroma.
An einem der anderen Tage finden wir uns als einzige Teilnehmer eines vegetarischen Kochkurses wieder. Wir sind gespannt, was uns erwartet. Zusammen mit Köchin Minh steigen wir zunächst auf unsere Mopeds und fahren ins nahgelegene Dorf Tra Que, in dem Gemüse- und Kräuterfelder die Hauptattraktion sind. Auf dem Weg ist kaum etwas los, Wasserbüffel ziehen an uns vorbei. Wir steigen ab und Minh erklärt uns direkt auf den Feldern, was hier alles Leckeres wächst. Das Besondere an den vielen grünen Lebensmitteln, die hier gedeihen: Auf die Felder und Pflanzen kommt nur biologischer Dünger. Man findet zudem viele spezielle Kräuter- und Salatsorten, die nur in dieser Gegend wachsen. Minh entdeckt in der Ferne einen alten Mann, der auf dem Feld arbeitet, und erzählt uns, dass er mit seinen über 90 Jahren einer der Ältesten hier ist und immer noch topfit. Ein paar Wege weiter lernen wir seine Frau kennen, die ebenfalls im Kräuterfeld unterwegs ist. Ob die gesunden Lebensmittel, die hier wachsen, zu ihrem langen Leben beitragen? Wir steigen wieder auf unsere Motorroller und steuern einen gut besuchten lokalen Markt an. Die Stände verteilen sich sowohl in einer halboffenen Markthalle als auch an den umliegenden Bürgersteigen. Inmitten des quirligen Treibens sehe ich Berge aus tropischen Früchten, Gemüse, Gewürzen und Kräutern, die unterbrochen werden durch Reis-, Tofu-, Fisch- und Fleischstände. Für unser Menü kaufen wir frischen Tofu, Pilze, Kräuter und Gemüse. Minh zeigt mir, wo ich getrocknete Cao-Lao-Nudeln als Souvenir erstehen kann.
Wieder in der Kochschule angekommen, binden wir uns Schürzen um und schnippeln in der Gartenküche los. Bald schon genießen wir unseren selbst gemachten grünen Mangosalat, knusprige banh xeo, die wir, in Reispapier eingewickelt, dippen, eine Nudelsuppe mit Taro, Kürbis, Ananas sowie Tofu und gegrillte Auberginen mit einer würzigen Glasur aus Sojasauce. Zum Nachtisch flambieren wir kleine Bananen mit Rum, Zimt und Honig. An unserem letzten Abend in Hoi An lassen wir uns schließlich vom bunten Lichtermeer des einmal im Monat stattfindenden Laternenfestes