Mechanik. Michael Schulz
Der integrale Zusammenhang zwischen der Bogenlänge s und der Zeit t ist durch (2.7) gegeben, während der differentielle Zusammenhang
unmittelbar aus (2.6) folgt. Gleichungen von diesem Typ werden in der Physik als lokale Transformationsgleichungen bezeichnet. In unserem speziellen Fall wird eine Transformation zwischen der Zeit und der ihr äquivalenten Bogenlänge der Trajektorie hergestellt.
2.1.3 Beschleunigung
Die zeitliche Änderung der Geschwindigkeit wird durch die Beschleunigung beschrieben. Der Beschleunigungsvektor ist damit definiert als
Die Beschleunigung a ist wie die Geschwindigkeit υ eine Funktion der Zeit. Der Beschleunigungsvektor liegt in der Schmiegungsebene der Bahnkurve und zeigt dort in Richtung der konkaven Seite der Trajektorie. Da die meisten physikalisch relevanten Bahnkurven hinreichend glatt sind, lassen sich auch beliebige höhere zeitliche Ableitungen bilden. Diese spielen aber innerhalb der klassischen Mechanik nur eine untergeordnete Rolle und werden deshalb nicht weiter betrachtet.
2.2 Dekomposition von Geschwindigkeiten und Beschleunigungen
2.2.1 Kartesische Koordinaten
Wir bezeichnen mit ex, ey und ez die orthogonalen Einheitsvektoren in einem kartesischen Koordinatensystem. Dann wird der Ortsvektor folgendermaßen dargestellt:
Der Ortsvektor ist zeitabhängig und beschreibt damit eine Raumkurve, die im kartesischen Koordinatensystem durch die drei zeitabhängigen Koordinaten und die drei zeit- und ortsunabhängigen Basisvektoren beschrieben wird. Im Weiteren werden wir das Zeitargument in der Regel nicht mehr explizit aufführen. Ausnahmen machen wir nur dann, wenn das für das Verständnis notwendig ist. Nach (2.5, 2.12) erhalten wir die Geschwindigkeit und die Beschleunigung, wenn wir den Ortsvektor einmal bzw. zweimal nach der Zeit differenzieren. Bei dieser Differentiation berücksichtigen wir, dass sich die Einheitsvektoren in einem kartesischen Koordinatensystem zeitlich nicht ändern. Damit folgen sofort die beiden Beziehungen
(2.14)
(2.15)
oder, wenn wir die einzelnen Komponenten in Koordinatentupeln zusammenfassen,
(2.16)
(2.17)
Die Beträge der Geschwindigkeiten und Beschleunigungen ergeben sich wegen der kartesischen Struktur des Koordinatensystems zu
(2.18)
und
(2.19)
Kartesische Koordinatensysteme sind wegen der Unabhängigkeit der Basisvektoren ex, ey und ez von Raum und Zeit besonders populär. Es ist aber nicht immer sinnvoll, jedes Problem in kartesischen Koordinaten zu formulieren. Vielmehr gibt es Situationen, in denen andere Koordinatensysteme weitaus besser geeignet sind.
2.2.2 Zylinderkoordinaten, ebene Polarkoordinaten
Bei Bewegungen in einer Ebene können wir die Bewegung des Massenpunktes anstatt in kartesischen Koordinaten x(t) und y(t) auch in Polarkoordinaten ausdrücken. Die Trajektorie des Punktes ist durch den zeitabhängigen Betrag des Abstandsvektors zwischen dem Massenpunkt und dem Ursprung des Koordinatensystems r(t) = |r(t)| und durch den zeitabhängigen Winkel φ(t) des Abstandsvektors gegenüber einer festgelegten Achse gegeben, siehe Abb. 2.3. Um Ortsvektor, Geschwindigkeit und Beschleunigung in diesen Variablen auszudrücken, führen wir die zwei ortsabhängigen Einheitsvektoren er und eφ ein. Der Vektor er weist in die Richtung des Ortsvektors, eφ steht senkrecht auf ihm. Dabei geht eφ aus er hervor, indem man er in positiver φ-Richtung um 90° dreht. Damit lautet der zweidimensionale Ortsvektor in Polarkoordinaten
(2.20)
Diese Darstellung läßt sich auf den dreidimensionalen Raum erweitern, indem man einen dritten Basisvektor ez einführt, der senkrecht auf der durch die beiden Polarkoordinaten beschriebenen Ebene steht. Man gelangt dann zu Zylinderkoordinaten mit dem Ortsvektor
(2.21)
Dei z-Komponente verhält sich weiterhin „kartesisch“, sodass wir uns bei der Ableider Darstellung von Geschwindigkeiten und Beschleunigungen zunächst auf Polarkoordinaten beschränken.
Wenn sich jetzt der Massenpunkt von P nach P′ bewegt, ändert sich gewöhnlich die Richtung des Ortsvektors r und damit auch die Orientierung der beiden zu diesem Ortsvektor gehörigen Einheitsvektoren er und eφ. Im Gegensatz zu den kartesischen Einheitsvektoren ex und ey werden daher er und eφ im Allgemeinen über den Ortsvektor von der Zeit abhängen.
Abb. 2.3 Ebene Polarkoordinaten und kartesische Koordinaten. Die
Um diese Abhängigkeiten zu bestimmen, gehen wir wie folgt vor. Zunächst stellen wir fest, dass die Änderung der senkrecht auf er stehen muss. Diese Aussage haben wir bereits im vorangegangenen Abschnitt für den Tangenteneinheitsvektor bewiesen2) und auf beliebige Einheitsvektoren verallgemeinert. Deshalb wird auch die Änderung deφ senkrecht auf eφ stehen. Damit haben wir die beiden Orthogonalitätsrelationen
(2.22)
(2.23)
Für den Betrag der Änderung folgt aus einfachen trigonometrischen Überlegungen, die wir uns am besten an der