Parodontologie von A bis Z. Peter Eickholz
A. Genetische/entwicklungsbedingte Störungeni. Erbliche GingivafibromatoseB. Spezifische Infektioneni. Bakterieller Genese(a) Neisseria gonorhoeae*(b) Treponema pallidum*(c) Mycobacterium tuberculosis*(d) Streptokokken-Gingivitisii. Viraler Genese(a) Coxsackie-Virus (Hand-Fuß-Mund-Krankheit)*(b) Herpes simplex I und II (primär oder rezidivierend)*(c) Varizella zoster (Windpocken und Gürtelrose – Nervus trigeminus)*(d) Molluscum contagiosum(e) Humanes Papillomavirusiii. Fungaler Genese(a) Candidose(b) Andere Mykosen (z. B. Histoplasmose, Aspergillose)C. Entzündliche und Immunzuständei. Überempfindlichkeitsreaktionen(a) Kontaktallergie*(b) Plasmazellgingivitis*(c) Erythema multiforme*ii. Autoimmunerkrankungen von Haut und Schleimhäuten(a) Pemphigus vulgaris*(b) Pemphigoid*(c) Lupus erythematodes* (systemischer LE, diskoider LE)iii. Granulomatös entzündliche Erkrankungen (Orofaziale Granulomatosen)(a) Morbus Crohn*(b) Sarkoidose*D. Reaktive Prozessei. Epuliden(a) Epulis fibrosa (peripheres Fibrom)(b) Kalzifizierendes fibroblastisches Granulom(c) Epulis vascularis (pyogenes Granulom)(d) Peripheres RiesenzellgranulomE. Tumoreni. Präkanzerosen(a) Leukoplakie(b) Erythroplakieii. Maligne Tumore(a) Plattenepithelkarzinom*(b) Leukämische Zellinfiltration*(c) Lymphome* (Hodgkin, Non-Hodgkin)F. Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselerkrankungeni. Vitaminmangel*(a) Vitamin-C-Mangel (Skorbut)G. Traumatische Läsioneni. Physikalisches/mechanisches Trauma(a) Reibungskeratose(b) Mechanisch induzierte Gingivaulzeration(c) Selbstzugefügte Läsionenii. Chemische (toxische) Läsioneniii. Thermische Läsionen(a) GingivaverbrennungenH. Gingivale Pigmentierungeni. Melanoplakieii. Rauchermelanoseiii. Medikamenteninduzierte Pigmentierung (Antimalariamedikamente, Minocyclin)iv. Amalgamtätowierung |
* systemische Beteiligung oder orale Manifestation systemischer Zustände
Eine Vielzahl spezifischer bakterieller, viraler und mykotischer Infektionen kann sich an der Gingiva manifestieren (Tab. 4).
Die ICD-10 unterscheidet die akute und chronische Gingivitis. Dabei werden die akute nekrotisierende ulzeröse Gingivitis (A69.1) und die Gingivostomatitis herpetica (Herpes simplex; B00.2; s. Tab. 4) in der Systematik nicht den parodontalen, sondern anderen Erkrankungen zugeordnet (Tab. 5)3.
Tab. 5 Gingivitis nach ICD-103.
K05.0 Akute Gingivitis |
K05.1 Chronische GingivitisGingivitis (chronica):– desquamativa– hyperplastica– simplex marginalis– ulcerosao. n. A. |
Parodontitis
Nekrotisierende Parodontalerkrankungen
Die nekrotisierenden Parodontalerkrankungen haben infektiösen Charakter, aber modifizierende Faktoren, insbesondere eine herabgesetzte Immunantwort, sind entscheidend in der Pathogenese. Mikrobiologisch spielen Spirochäten eine große Rolle, es wurden aber auch P. intermedia, Selemonas- und Fusobacterium-Spezies nachgewiesen. Innerhalb der Läsionen wurden vier Zonen differenziert:
1) die oberflächliche bakterielle,
2) die an neutrophilen Granulozyten reiche,
3) die nekrotische und
4) die spirochätere Infiltrationszone.
Die nekrotisierenden Parodontalerkrankungen (NG: nekrotisierende Gingivitis; NP: nekrotisierende Parodontitis; NS: nekrotisierende Stomatitis; Noma) werden nach folgenden Patientengruppen unterschieden: (a) chronisch, schwer kompromittierte Patienten (HIV-Infektion, AIDS, Immunsuppression, schwere Unterernährung, Virusinfektionen, extreme Lebensbedingungen), (b vorübergehend und/oder moderat kompromittierte Patienten (psychosozialer Stress, Ernährung, Rauchen, Angewohnheiten; Tab. 6). Die Diagnose der nekrotisierenden Parodontalerkrankungen erfolgt nach klinischen Kriterien: Nekrose und Ulkus der Interdentalpapillen (in 94–100 % der Fälle), Zahnfleischbluten (95–100 %), Schmerzen (86–100 %), Ausbildung von Pseudomembranen (73–88 %) und Mundgeruch (84–97 %). Extraorale Symptome sind eine regionäre Lymphadenitis (44–61 %) und seltener Fieber (20–39 %)5. Die ICD-10 listet die akute nekrotisierende ulzeröse Gingivitis unter „Sonstige Spirochätenkrankheiten“ (A65-69) und dort unter „Sonstige Fusospirochätosen“ auf (A69.1)3.
Tab. 6 Nekrotisierende Parodontalerkrankungen (NG: nekrotisierende Gingivitis; NP: nekrotisierende Parodontitis; NS: nekrotisierende Stomatitis; PAR: Parodontium)5,10.
Kategorie | Patienten | Prädisponierende Faktoren | Klinischer Zustand |
Chronisch schwer immunkompromittierte Patienten | Erwachsene | HIV+/AIDS mit CD4-Zellzahlen < 200 und nachweisbarer Viruslast | NG, NP, NS, Noma (mögliche Progression) |
Andere schwerwiegende systemische Zustände (Immunsuppression) | |||
Kinder | Schwere Mangelernährung | ||
Extreme Lebensumstände | |||
Schwere (virale) Infektionen | |||
Temporär und/oder moderat immunkompromittierte Patienten | Gingivitispatienten | Unkontrollierte Faktoren: Stress, Ernährung, Rauchen, Habits | Generalisierte NG (mögliche Progression zu NP) |
Frühere nekrotisierende PAR-Erkrankungen, residuale Krater | |||
Lokale Faktoren: Wurzelengstand, Zahnfehlstellungen | Lokalisierte NG (mögliche Progression zu NP) | ||
Allgemeine prädisponierende Faktoren für nekrotisierende PAR-Erkrankungen | NG (nur selten Progression) | ||
Parodontitispatienten | Allgemeine prädisponierende Faktoren für nekrotisierende PAR-Erkrankungen | NP (nur selten Progression) |
Parodontitis
Bei Belassen der bakteriellen Beläge auf den Zahnoberflächen persistiert die durch den oralen Biofilm induzierte Gingivitis. Dieser Zustand kann bei einigen Menschen über lange Zeiträume unverändert bestehen bleiben, ohne dass es zu Destruktionen kommt, während es bei den meisten später und bei wenigen Menschen früher zur Zerstörungen des Zahnhalteapparats kommt (Parodontitis). Das entscheidende Unterscheidungsmerkmal zwischen Gingivitis und Parodontitis ist die weitgehend irreversible Zerstörung des Zahnhalteapparats, die als Verlust klinischen Attachments und röntgenologischer Knochenabbau festgestellt wird. Beginn, Ausmaß