Parodontologie von A bis Z. Peter Eickholz
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Abb. 6 Faziale Rezession am Zahn 23 mit schmalem Band keratinisierter Gingiva und horizontalen Rillen auf dem freiliegenden Zahnhals. Am Zahn 24, der keine Rezession aufweist, findet sich ein deutlich breiterer Saum keratinisierter Gingiva. Es ist sehr wahrscheinlich, dass am Zahn 23 vor Entstehung der Rezession ein ähnlich breiter Saum keratinisierter Gingiva existierte.
Plaqueakkumulation
Lokalisierte Plaqueakkumulation mit daraus resultierender subgingivaler Infektion kann insbesondere bei Vorliegen einer dünnen, fragilen Gingiva zur Entstehung fazialer Rezessionen führen. Wenn das subgingivale entzündliche Infiltrat bei dünner Gingiva den gesamten bukkooralen Durchmesser der Gingiva einnimmt, kann es zu Nekrosen des Gewebes kommen.
Subgingivale Restaurationsränder
An Zähnen mit subgingivalen Restaurationsrändern (Abb. 7) sind insbesondere bei Vorliegen einer dünnen Gingiva häufiger entzündliche Veränderungen beobachtet worden als an Zähnen mit supragingivaler Randgestaltung1,7,8. Restaurationsränder sind Plaqueretentionsstellen. Diese Plaqueretention kann bei Vorliegen prädisponierender Faktoren, wie einer dünnen, fragilen Gingiva, zur Ausbildung von gingivalen Rezessionen führen.
Abb. 7 Kronen an den Zähnen 11 und 21 mit subgingivaler Kronenrandgestaltung und RT1-Rezessionen.
Kieferorthopädische Zahnbewegungen
Insbesondere an Unterkieferschneidezähnen lässt sich im Zuge kieferorthopädischer Bewegungen häufig die Ausbildung fazialer Rezessionen beobachten (Abb. 8). Dies kann zum einen daran liegen, dass Knochendehiszenzen entstehen können, wenn Zähne aus dem Alveolarfortsatz heraus bewegt werden.
Abb. 8 Faziale Rezessionen an den Zähnen 31 und 41 bei einer Patientin während einer kieferorthopädischen Therapie.
In zahlreichen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass unabhängig von der koronoapikalen (Höhe) oder vestibulooralen (Dicke) Ausdehnung der befestigten Gingiva körperliche Zahnbewegungen durchgeführt werden konnten, ohne dass es zu Rezessionen kam, wenn eine effektive Plaquekontrolle und dadurch Entzündungsfreiheit gewährleistet war. Bei bakterieller Exposition und Vorliegen von Entzündungszeichen besteht allerdings ein erhöhtes Risiko für gingivale Rezessionen infolge kieferorthopädischer Labialbewegungen, insbesondere bei Vorliegen einer dünnen Gingiva1.
Fazit
Früher war ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer schmalen keratinisierten bzw. befestigten Gingiva und der Entstehung gingivaler (insbesondere fazial gelegener) Rezessionen angenommen worden. Querschnittsstudien hatten ergeben, dass an Stellen, die faziale Rezessionen aufwiesen, zumeist auch nur ein schmales Band oder gar keine befestigte Gingiva zu finden war. Mittels Querschnittsstudien lässt sich allerdings keine Kausalität belegen. Eine ebenso schlüssige Interpretation solcher Befunde wäre, dass die geringe koronoapikale Ausdehnung der befestigten Gingiva Folge und nicht Ursache der Rezession ist (Abb. 6). Longitudinale Studien bei Patienten mit Stellen mit schmaler befestigter Gingiva konnten kein erhöhtes Risiko für die Entstehung gingivaler Rezessionen an diesen Stellen zeigen9.
Die Entstehung von gingivalen Rezessionen spielt sich in diesem Spannungsfeld aus prädisponierenden und auslösenden Faktoren ab (Tab. 1). Eine traumatisierende Zahnbürsttechnik mit harten Borsten allein reicht möglicherweise nicht aus, um Rezessionen hervorzurufen. Bei Vorliegen eines oder mehrerer prädisponierender Faktoren, beispielsweise auch in Kombination mit weiteren auslösenden Faktoren (z. B. ineffektive Plaquekontrolle, subgingivale Restaurationsränder), besteht allerdings eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass eine traumatisierende Putztechnik zur Ausbildung von Rezessionen führt.
Tab. 1 Pathogenetische Faktoren für gingivale Rezessionen.
Prädisponierende Faktoren | Auslösende Faktoren |
knöcherne Dehiszenzen | Plaqueakkumulation |
Phänotypen der Gingiva | traumatisierende Putztechnik |
marginal einstrahlende Bänder | subgingivale Restaurationsränder |
kieferorthopädische Zahnbewegungen |
Literatur
1. Jepsen S, Caton JG, Albandar JM et al. Periodontal manifestations of systemic diseases and developmental and acquired conditions: Consensus report of workgroup 3 of the 2017 World Workshop on the Classification of Periodontal and Peri-Implant Diseases and Conditions. J Clin Periodontol 2018;45(Suppl 20):S219–S229.
2. Yoneyama T, Okamoto H, Lindhe J et al. Probing depth, attachment loss and gingival recession. Findings from a clinical examination in Ushiku, Japan. J Clin Periodontol 1988;15:581–591.
3. Löe H, Anerud A, Boysen H. The natural history of periodontal disease in man: prevalence, severity, and extent of gingival recession. J Periodontol 1992;63:489–490.
4. Müller H-P, Heinecke A, Schaller N et al. Masticatory mucosa in subjects with different periodontal phenotypes. J Clin Periodontol 2000;27:621–626.
5. Khocht A, Simon G, Person P et al. Gingival recession in relation to history of hard toothbrush use. J Periodontol 1993;64:900–905.
6. Levin L, Zadik J. Oral percing: Complications and side effects. Am J Dent 2007;20:340–344.
7. Valderhaug J. Periodontal conditions and carious lesions following the insertion of fixed protheses: a 10-year follow-up study. Int Dent J 1980;30:209–213.
8. Stetler KJ, Bissada NB. Significance of the width of keratinized gingiva on the periodontal status of teeth with submarginal restorations. J Periodontol 1987;58:696–700.
9. Freedman AL, Green K, Salkin LM et al. An 18-year longitudinal study of untreated mucogingival defects. J Periodontol 1999;70:1174–1176.
Peter Eickholz, Katrin Nickles
Klassifikation der parodontalen und periimplantären Erkrankungen und Zustände | 9 |
Einleitung
18 Jahre nach dem letzten Klassifikationsworkshop fand vom 8. bis zum 11. November 2017 in Chicago, Illinois, USA, der von der American Academy of Periodontology (AAP) und der European Federation of Periodontology (EFP) organisierte „World Workshop on the Classification of Periodontal and Peri-Implant Diseases and Conditions“ statt1. Auf dieser Konsensuskonferenz wurde von 110 Experten (Abb. 1), die aus der ganzen Welt zusammengekommen waren, eine neue Klassifikation der parodontalen und periimplantären Erkrankungen