Parodontologie von A bis Z. Peter Eickholz
2)2. Die Klassifikation differenziert auf einer ersten Ebene in die parodontalen und periimplantären Erkrankungen und Zustände. Bei den parodontalen Erkrankungen und Zuständen wird dann in:
Abb. 1 Auf der Konsensuskonferenz in Chicago wurde von 110 Experten aus der ganzen Welt eine neue Klassifikation der parodontalen und periimplantären Erkrankungen und Zustände erarbeitet: Prof. Tord Berglundh (Göteborg, Schweden) stellt dem Plenum die Klassifikation der periimplantären Erkrankungen und Zustände vor.
Abb. 2 Klassifikation der parodontalen und periimplantären Erkrankungen und Zustände1,2.
parodontale Gesundheit, Gingivitis und gingivale Zustände,
Parodontitis sowie
andere das Parodont betreffende Zustände
unterschieden (s. Abb. 2).
Auch die aktuelle Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems: ICD-10) umfasst parodontale Erkrankungen, deren Bezeichnungen zum Teil erheblich von der parodontologischen Nomenklatur abweichen. Die ICD-10 wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstellt und im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ins Deutsche übertragen sowie herausgegeben. Die Ziffer 10 bezeichnet die 10. Revision der Klassifikation. Die ICD-10 wird seit dem 01.01.2000 zur Verschlüsselung von Diagnosen in der ambulanten und stationären Versorgung (§§ 295 und 301 Sozialgesetzbuch V) eingesetzt, insbesondere für die Zwecke des pauschalierenden Entgeltsystems G-DRG (German Diagnosis Related Groups). Für diese Zwecke wird die ICD-10-GM verwendet (GM: German Modification). Diese spezielle Ausgabe der ICD-10 beruht auf der deutschsprachigen ICD-10-WHO-Ausgabe, wurde jedoch für die Zwecke des Sozialgesetzbuches V deutlich verändert3.
Ab dem 01.01.2019 ist zur Verschlüsselung von Diagnosen in der ambulanten und stationären Versorgung die ICD-10-GM Version 2019 anzuwenden. Die parodontalen Erkrankungen sind dem Kapitel XI „Krankheiten des Verdauungssystems“ (K00-K93) zugeordnet und finden sich als Gingivitis und Krankheiten des Parodonts (K05) unter „Krankheiten der Mundhöhle, der Speicheldrüsen und der Kiefer“ (K00-K14)3.
Parodontale Erkrankungen und Zustände
Parodontale Gesundheit, Gingivitis und gingivale Zustände
Erstmals wird in der neuen Klassifikation gingivale Gesundheit definiert (Tab. 1 und 2, Abb. 3a), die auch im durch Parodontitis reduzierten Parodont nach erfolgreicher Behandlung hergestellt werden kann (Tab. 1, Abb. 3b). Beim reduzierten Parodont wird zwischen Zuständen, die nicht durch Parodontitis verursacht wurden wie Rezessionen (Abb. 3c), oder Zustand nach chirurgischer Kronenverlängerung und dem stabilen Zustand nach erfolgreicher Parodontitistherapie unterschieden. Bei Erkrankungen, für die es zwar eine Therapie, aber keine Heilung gibt (z.B. rheumatoide Arthritis, Parodontitis) können die Schwellenwerte, die zwischen Stabilität/Gesundheit und Gingivitis unterscheiden, anders sein als bei Nicht-Parodontitispatienten (Tab. 1). Beim stabilen Parodontitispatienten wird deshalb eine Sondierungstiefe von 4 mm ohne Bluten noch als gingivale Gesundheit bewertet. Bei den Erkrankungen der Gingiva wird zwischen der sehr häufigen plaqueinduzierten Gingivitis (Tab. 3) und den nicht plaqueinduzierten Gingivaerkrankungen (Tab. 4) unterschieden. Ohne effektive Plaquekontrolle werden die Zahnoberflächen schnell bakteriell besiedelt. Aus einer Situation klinischer Entzündungsfreiheit bei vollkommen intakten parodontalen Verhältnissen entsteht spätestens nach einem Zeitraum von 3 Wochen ungehinderter Plaqueakkumulation eine manifeste Entzündung der Gingiva (plaqueinduzierte Gingivitis)4.
Abb. 3a bis c a) Gesundheit im intakten Parodont; b) bei stabilem Zustand nach erfolgreicher Parodontitistherapie; c) im reduzierten Parodont, das nicht durch Parodontitis (hier: Rezessionen) verursacht wurde8.
Tab. 1 Diagnostische Kriterien für gingivale Gesundheit und durch dentale Plaque induzierte Gingivitis4.
Zustand des Parodonts | Gesundheit | Gingivitis |
Intaktes Parodont | ||
Sondierbarer Attachmentverlust | nein | nein |
Sondierungstiefen (bei Ausschluss von Pseudotaschen) | ≤ 3 mm | ≤ 3 mm |
Bluten auf Sondieren (BOP) | < 10 % | ja (≥10 %) |
Röntgenologischer Knochenabbau | nein | nein |
Reduziertes Parodont | ||
Kein Parodontitispatient, (z. B. bei fazialen Rezessionen) | ||
Sondierbarer Attachmentverlust | ja | ja |
Sondierungstiefen (alle Stellen und bei Ausschluss von Pseudotaschen) | ≤ 3 mm | ≤ 3 mm |
Bluten auf Sondieren (BOP) | < 10 % | ja (≥ 10 %) |
Röntgenologischer Knochenabbau | möglich | möglich |
Erfolgreich behandelter stabiler Parodontitispatient | ||
Sondierbarer Attachmentverlust | ja | ja |
Sondierungstiefen (alle Stellen und bei Ausschluss von Pseudotaschen) | ≤ 4 mm (keine Stelle ≥ 4 mm und BOP) | ≤ 3 mm |
Bluten auf Sondieren (BOP) | < 10 % | ja (≥ 10 %) |
Röntgenologischer Knochenabbau | ja | ja |
Tab. 2 Parodontale und gingivale Gesundheit4.
A. Klinische gingivale Gesundheit bei intaktem Parodont |
B. Klinische gingivale Gesundheit bei reduziertem Parodonti. Stabiler Parodontitispatientii. Kein Parodontitispatient |
Tab. 3 Gingivitis – durch dentalen Biofilm induziert4.
A. Allein mit dentalem Biofilm assoziiert |
B. Beeinflusst durch systemische oder lokale Risikofaktoreni. Systemische Risikofaktoren (modifizierende Faktoren)(a) Rauchen(b) Hyperglykämie(c) Ernährungsfaktoren(d) Pharmakologische Wirkstoffe (verordnungspflichtig, nichtverordnungspflichtig, Partydrogen)(e) Geschlechtshormone (Pubertät, Menstruationszyklus, Schwangerschaft, orale Kontrazeptiva)(f) Hämatologische Zuständeii. Lokale Risikofaktoren (prädisponierende Faktoren)(a) Faktoren, die zur Retention dentalen Plaquebiofilms beitragen (z. B. überstehende Restaurationsränder)(b) Mundtrockenheit |
C. Medikamentös induzierte Gingivavergrößerung |
Tab.