Parodontologie von A bis Z. Peter Eickholz

Parodontologie von A bis Z - Peter Eickholz


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      Einleitung

      Die Zunge ist mit ihrer mikrorauen Oberfläche das größte Organ der Mundhöhle. Zu ihren Funktionen zählen das Schmecken, Tasten und Sprechen, die Selbstreinigung der Mundhöhle sowie die Nahrungsverteilung. Sofern eine dieser Funktionen aufgrund einer Veränderung der Zunge beeinträchtigt ist, empfinden dies viele Patienten als unangenehm und störend. Gründe für eine Funktionsstörung der Zunge können primäre pathologische Veränderungen und Normvarianten, aber auch sekundär auftretende Oberflächenveränderungen (z. B. nach Radiatio im Kopf-Hals-Bereich) sein. Aufgrund ihrer variablen Oberflächenbeschaffenheit bildet die Zunge einen optimalen Lebensraum für Mikroorganismen, welche einen Biofilm organisieren, um sich vor äußeren Einflüssen zu schützen. Wie modernere Therapieformen in der Parodontologie belegen (Full-Mouth-Disinfection1 oder die Therapie der Halitosis2,3), wurde die Zunge als Keimreservoir längst identifiziert und findet dementsprechend in vereinzelten Behandlungsstrategien Berücksichtigung. Unabhängig davon bietet sie genügend Oberfläche für pathologische Mundschleimhautbefunde, weshalb ihre konsequente Begutachtung, wie auch die der restlichen Mundschleimhaut, zum Rahmen der regelmäßigen zahnärztlichen Kontrolluntersuchungen gehört.

      Anatomie der Zunge

      Physiologisch liegt die Zunge bei geschlossenem Mund palatinal bzw. lingual der Zahnreihen, von wo aus sie bei normal ausgeprägtem Zungenbändchen aufgrund ihrer Binnenmuskulatur so beweglich ist, dass sie jeden Punkt der Mundhöhle erreichen kann. Dies wird durch verschiedene Muskelgruppen erreicht, die die Zunge in sagittaler (M. longitudinalis superior, M. longitudinalis inferior, M. genioglossus, M. geniohyoideus), transversaler (M. transversus linguae) und vertikaler Richtung (M. verticalis linguae) durchziehen. Des Weiteren strahlen Muskeln in sie ein (M. genioglossus, M. hyoglossus, M. palatoglossus, M. styloglossus), die ebenfalls eigenständig oder in Kombination mit dem Zungenbein als mögliches Widerlager, die Beweglichkeit der Zunge beeinflussen4.

      Die Zunge gliedert sich in zwei Hälften, deren sagittale Trennung durch den Sulcus medianus erfolgt. Transversal trennt der Sulcus terminalis das hintere Zungendrittel – die Zungenwurzel (Radix linguae), von den beiden vorderen Anteilen – dem Zungenkörper (Corpus linguae) und der Zungenspitze (Apex linguae). Während die sogenannten Papillae vallatae direkt vor dem Sulcus terminalis sitzen, liegt das Foramen caecum, als Endpunkt des Ductus thyreoglossus und Residuum der Entwicklung der Glandula thyroidea, mittig hinter diesem. Dorsal des Sulcus terminalis ist die Schleimhaut der Zunge stark zerklüftet, da in diesem Bereich die Zungentonsillen (Tonsillae linguales) als lymphatische Gewebe dominieren (Abb. 1)4.

      Abb. 1 Schematische Darstellung der Zunge mit ihren Papillen- und Geschmacksregionen (modifizierte Abbildung nach Filippi et al.5).

      Die spezialisierte Mundschleimhaut des Zungenrückens unterscheidet sich von den beiden übrigen Mundschleimhauttypen, der auskleidenden und der mastikatorischen Mundschleimhaut. Die etwa 0,1 bis 0,5 mm dicke auskleidende Schicht der Mundschleimhaut besteht aus unverhorntem Plattenepithel, enthält dementsprechend keine keratinhaltigen Epithelzellen, und ist anteilig die größte Mundschleimhautschicht. Sie kleidet den weichen Gaumen, die Unterseite der Zunge, die Alveolarfortsätze (bis zum Übergang in die Gingiva) sowie den Mundboden und -vorhof aus.

      Die mastikatorische Schicht der Mundschleimhaut ist etwa 0,2 bis 0,3 mm dick, setzt sich aus verhorntem Plattenepithel zusammen und kann zusätzlich in ein Stratum basale, Stratum spinosum, Stratum granulosum sowie ein Stratum corneum unterteilt werden. Sie bekleidet den harten Gaumen und die Gingiva.

      Die spezialisierte Mundschleimhaut kleidet den Zungenrücken aus. Dieser wird überzogen von einem keratinisierten Epithel, welches innerhalb seiner derben Lamina propria eine Vielzahl von Papillen beherbergt. Hierbei werden fadenförmige Papillen (Papillae filiformes), die sich über den gesamten Zungenrücken erstrecken, von pilzförmigen Papillen (Papillae fungiformes), die sich mehr an der Zungenspitze und am Zungenrand befinden, unterschieden. Kurz vor dem Sulcus terminalis findet man am hinteren Zungenrand die sogenannten Papillae foliatae, die nach median hin etwas v-förmig in die Papillae vallatae übergehen. Während die Papillae filiformes in erster Linie das Tastempfinden vermitteln, können die anderen Papillen darüber hinaus noch Temperatur- und Geschmackswahrnehmungen übermitteln. Hierzu lässt sich die Zunge in verschiedene Areale aufteilen, in denen sich die Wahrnehmung einzelner Geschmacksrichtungen konzentriert und teilweise auch überlappen kann (s. Abb. 1)5,6.

      Die Unterseite der Zunge ist von einem dreischichtigen unverhornten Epithel überzogen. Dieses spielt aufgrund der guten Vaskularisation neben dem Mundboden bei der schnellen Aufnahme von Medikamenten eine wichtige Rolle7.

      Blutversorgung und Innervation

      Die Blutversorgung der Zunge erfolgt über die A. lingualis als zweiter Abkömmling der A. carotis externa. Die motorische Innervation erfolgt über den N. hypoglossus (N. XII). Sensibel wird sie in den vorderen zwei Dritteln über den N. lingualis, der im Bereich der dorsalen Innenfläche des Corpus mandibulae aus dem N. alveolaris inferior entspringt, und dem N. mandibularis innerviert. Die sensible Innervation des hinteren Zungendrittels erfolgt durch den N. glossopharyngeus (N. IX). Sensorisch erfolgt die Innervation in den vorderen zwei Dritteln wiederum über den N. lingualis, wobei die Geschmackswahrnehmung über die Chorda tympani zum N. facialis (N. VII) weitergeleitet wird. Für den posterioren Zungenanteil ist ebenfalls der N. glossopharyngeus (N. IX) zuständig5.

      Zungenpapillen

      Ein Alleinstellungsmerkmal der Schleimhaut des Zungenrückens sind die verschiedenen Zungenpapillen. Diese kommen in unterschiedlicher Anzahl in verschiedenen Arealen des Zungenrückens vor und vermitteln neben den unterschiedlichen Geschmacksrichtungen auch Tast- und Temperaturempfindungen. Sie prägen optisch das charakteristische Bild des Zungenrückens (Abb. 2a bis c), weshalb Veränderungen der Papillen oftmals als erstes Symptom einen diagnostischen Hinweis liefern können.

      Abb. 2a bis c Ansicht des Zungenrückens und der lateralen Zungenränder einer normalen Zunge mit leichtem Belag.

      Papillae filiformes

      Diese Art der haarförmigen Papillen verteilt sich über den gesamten Zungenrücken, wo sich auf 1 cm2 in etwa 20 Primärpapillen befinden. Diese teilen sich in 400–500 Sekundärpapillen auf, zur Zungenspitze hin wird die Aufteilung noch dichter. Während die Primärpapillen innerhalb der Lamina propria liegen, sitzen die Sekundärpapillen dem Rand der Primärpapillen auf. Das Epithel läuft an den Spitzen der Papillen in Form kleiner Hornnadeln dünn aus. Mit ihm steigen arterielle Kapillarschlingen und freie Nervenendigungen aus dem Bindegewebe bis in die Sekundärpapillen auf. Auf diese Weise wird zum einen die Blutversorgung garantiert und zum anderen ein hochkomplex aufgebauter Mechanosensor gebildet, der seinen Reiz über kleinste Auslenkungen der Hornnadeln in das Bindegewebe und die dortigen Nervenbahnen überträgt. Dies führt letztendlich zu einer vergrößerten Wahrnehmung bereits kleinster Partikel.

      Papillae fungiformes

      Klinisch erscheinen die Papillae


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