Parodontologie von A bis Z. Peter Eickholz

Parodontologie von A bis Z - Peter Eickholz


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IL-3, -4, -5, -6, -10 und -13 sowie Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), Transformierender Wachstumsfaktor β (TGF-β), Interferon-γ (IFN-γ) und Chemotaxine wie Monozyten-Chemotaxis-Protein (MCP), Makrophagen-inflammatorisches Protein (MIP), „regulated on activation, normal T-cell expressed and secreted“ (RANTES). Plasmazellen treten vermehrt im Gewebe auf und produzieren Immunglobuline (z. B. IgG) und Zytokine (z. B. IL-6, TNF-α). Einige der neutrophilen segmentkernigen Granulozyten (PMN) im Gewebe werden aktiviert und setzen IL-1α, -1β, -6, -8, TNF-α, Leukotriene (LT) und Matrix-Metalloproteinasen (MMP) frei. Fibroblasten produzieren Kollagen, MMP und Gewebeinhibitoren der MMPs (TIMP). N-Formyl-Methionyl-Leucyl-Phenylalanin (FMLP), Lipopolysaccharide (LPS), Prostaglandin E2 (PGE2) (modifiziert nach Kornman et al.4).

      Abb. 6 Interleukin-1β (IL-1β) als Mediator parodontaler Destruktion: IL-1 wird von, durch entzündliche Reize aktivierten Makrophagen und Fibroblasten freigesetzt. Es induziert die Produktion von Matrix-Metalloproteinasen (z. B. Kollagenase) durch Fibroblasten, stimuliert die Osteoklasten und hemmt Osteoblasten, was schließlich zur Gewebezerstörung führt.

      Langerhanszellen im Saumepithel nehmen antigenes Material mikrobiellen Ursprungs auf und transportieren es in lymphatische Gewebe, wo die Antigene den Lymphozyten präsentiert werden. Diese Lymphozyten wandern zum Ort der mikrobiellen Exposition. Dort wandeln sich B-Lymphozyten in Plasmazellen um, die spezifische Antikörper bilden bzw. die T-Lymphozyten werden aktiviert, um die B-Zelldifferenzierung zu unterstützen. Antikörper können lokal und systemisch gebildet werden. Sie wirken protektiv durch die Verklumpung von Mikroorganismen. Im Zusammenwirken mit dem Komplementsystem durch Lyse der Bakterien und durch Markierung von Keimen (Opsonierung) ermöglichen sie eine effektive Phagozytose durch neutrophile Granulozyten.

      Durch Zytokine erhöht sich die Zahl der Lymphozyten, die in der frühen Läsion zusammen mit neutrophilen Granulozyten die vorherrschende Gruppe von Leukozyten darstellen, während nur wenige Plasmazellen vorhanden sind. Das Infiltrat nimmt in der frühen Läsion etwa 15 % des Volumens des gingivalen Bindegewebes ein.

      Durch die ebenfalls zytokinvermittelte Verschiebung des Bindegewebestoffwechsels zu kollagenabbauenden Prozessen kommt es zur Degeneration von Fibroblasten und zur Auflockerung der Kollagenstruktur durch das Infiltrat in lateraler und apikaler Richtung. Die Basalzellen des Sulkus- und Saumepithels proliferieren in einer Art Versuch, die Barriere gegen die Mikroorganismen zu verstärken. Es kommt zur Ausbildung von Retezapfen, die im koronalen Bereich in das subepitheliale Infiltrat ausstrahlen. Etwa 2 Wochen nach Beginn der Karenz oralhygienischer Maßnahmen findet sich subgingival bakterielle Plaque.

      Etablierte Läsion

      Die etablierte Läsion entspricht dem Zustand der chronischen Gingivitis (Abb. 7). Die gingivale Exsudation sowie die Größe des subepithelialen Infiltrates erhöhen sich und erreichen etwa 1 Monat nach Beginn der Plaqueakkumulation ein Maximum, das über lange Zeiträume stabil bleiben kann. Es finden sich nun zahlreiche Plasmazellen im koronalen Anteil und gefäßnah innerhalb des Infiltrates (Abb. 8). Im Unterschied zum Hundemodell, bei dem 3 bis 4 Wochen nach Beginn der Plaqueakkumulation ein von Plasmazellen dominiertes Infiltrat beobachtet wird, konnten beim Menschen noch nach 6 Monaten ungehinderter Plaqueakkumulation ein Plasmazellanteil von nur 10 % beobachtet werden5. Ein Dominieren der Plasmazellen scheint beim Menschen den Übergang von der etablierten (Gingivitis) zur fortgeschrittenen Läsion (Parodontitis) zu markieren6.

      Abb. 7 Klinisch manifeste plaqueinduzierte Gingivitis: interdental oraler Biofilm. Der Gingivarand ist ödematös und gerötet, ein Stippling ist nicht zu erkennen, die Interdentalpapillen sind geschwollen, approximal der Zähne 41 und 42 tritt eine Spontanblutung auf1.

      Abb. 8 Etablierte Läsion: Die Menge der Entzündungsmediatoren im Gewebe nimmt zu. Fibroblasten setzen Interleukin-1β (IL-1β), IL-6, -8 sowie Prostaglandin E2 (PGE2), Tumornekrosefaktor-α [TNF-α], Kollagen, Matrix-Metalloproteinasen (MMP) und Gewebeinhibitoren der MMPs (TIMP) frei. Monozyten-Chemotaxis-Protein (MCP), Makrophageninflammatorisches Protein (MIP), „regulated on activation, normal T-cell expressed and secreted“ (RANTES), transformierender Wachstumsfaktor β (TGF-β), Interferon-γ (IFN-γ), neutrophile segmentkernige Granulozyten (PMN), Leukotriene (LT), Immunglobulin G (IgG), Interleukin-1-Rezeptorantagonist (IL-1ra) (modifiziert nach Kornman et al.4).

      Die Proliferation des Saumepithels mit Ausbildung von Retezapfen nimmt zu und es geht Kollagen verloren. Der das Infiltrat begrenzende Anteil des Epithels ist nun dünner und fragiler als das Saumepithel und bildet kein epitheliales Attachment zur Zahnoberfläche aus7. Dieses Taschenepithel weist einen hohen Anteil in die Tasche wandernder Leukozyten auf. Es weist eine höhere Permeabilität als das Saumepithel auf und kann an einzelnen Stellen vorübergehend ulzerieren.

      Im Unterschied zur Parodontitis, die alle Anteile des Parodonts betrifft und dabei den Zahnhalteapparat zerstört, bleibt die Gingivitis auf die Gingiva beschränkt und kann nach Beseitigung der ätiologischen Faktoren vollständig ausheilen, d. h. es ist eine Restitutio ad Integrum möglich. Der Übergang von chronischer Gingivitis in eine Parodontitis wurde beim Menschen nicht experimentell provoziert. Epidemiologisch konnte aber gezeigt werden, dass eine chronische Gingivitis, die lange genug persistiert, in eine Parodontitis übergehen kann8. Die chronische Gingivitis kann über Zeiträume von unterschiedlicher, in manchen Fällen unbegrenzter Dauer stationär bleiben, geht aber in vielen Fällen in eine Parodontitis mit Zerstörung von Anteilen des Zahnhalteapparates über. Der Parodontitis geht immer eine Gingivitis voraus, wogegen eine Gingivitis nicht zwangsläufig in eine Parodontitis übergehen muss1.

      Die Rolle der neutrophilen Granulozyten

      Die segmentkernigen neutrophilen Granulozyten stellen die erste Verteidigungslinie gegen die bakterielle Exposition dar. Sie finden sich in parodontal gesundem Gewebe, bei Gingivitis und Parodontitis. Ihre Zahl nimmt mit zunehmendem Fortschreiten der Erkrankung zu und erreicht bei Parodontitis ihr Maximum. Die neutrophilen Granulozyten werden durch chemotaktische Konzentrationsgradienten von Produkten der bakteriellen Plaque (z. B. FMLP, LPS) oder durch Botenstoffe von Wirtszellen (z. B. Interleukin-8, Komplementfaktor C5a, Leukotrien B4) angelockt und wandern entlang dieser Konzentrationsgradienten von den sulkusnahen Blutgefäßen durch Bindegewebe und Saumepithel in den gingivalen Sulkus oder in die gingivale bzw. parodontale Tasche. Auf dem Weg durch das Gewebe leiten Adhäsionsmoleküle (ICAM-1, ELAM-1) die Wanderung der neutrophilen Granulozyten. Nach Verlassen des Gewebes und Wanderung in den Sulkus bzw. in die Tasche nähern sie sich den Mikroorganismen und heften sich ihnen an. Viele Bakterien müssen durch spezifische Antikörper markiert (opsoniert) werden, um von den neutrophilen Granulozyten erkannt und aufgenommen (Phagozytose) werden zu können. Die Plasmamembran der neutrophilen Granulozyten fließt um die Mikroorganismen, um sie schließlich in sogenannten Phagosomen einzuschließen. Ein neutrophiler Granulozyt kann mehrere Mikroorganismen gleichzeitig einschließen. Synchron mit der Phagozytose der Mikroorganismen wandern Granula (Lysosomen) des neutrophilen Granulozyten zum Phagosom und verschmelzen mit ihm. Diese Lysosomen enthalten antimikrobielle Substanzen, z. B. Myeloperoxidase, Lysozym, Laktoferrin, Elastase. Diese Substanzen töten die Bakterien und lösen sie auf. Vor der völligen Umschließung des Bakteriums können Inhaltsstoffe der Lysosomen in die Umgebung des neutrophilen Granulozyten gelangen. Dies hilft bei der Zerstörung nicht phagozytierter Mikroorganismen, kann aber auch zu Gewebezerstörungen führen. Neutrophile Granulozyten haben eine primär protektive Funktion. Sie sind zur Phagozytose und zur Zerstörung von Bakterien in der Lage (Abb. 9). Die Granula der neutrophilen


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