Parodontologie von A bis Z. Peter Eickholz

Parodontologie von A bis Z - Peter Eickholz


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weniger häufig vor. An der Zungenspitze sind bis zu 90 Stück auf 1 cm2 zu finden, diese Zahl halbiert sich bis zur Zungenmitte. Der Aufbau mit Primär- und Sekundärpapille ähnelt dem der Papillae filiformes. Sie enthalten Geschmacksknospen in variabler Anzahl, die die Qualitäten süß, sauer, salzig, bitter und umami (fleischig) wahrnehmen (s. Abb. 1)8. Es ist durchaus möglich, dass eine Papille unterschiedliche Knospen enthält und somit auch verschiedene Geschmacksqualitäten aufnehmen kann. Über den Geschmack hinaus können die Papillae fungiformes über zahlreiche Mechano- und Temperaturrezeptoren sowie freie Nervenendigungen Druck und Temperatur wahrnehmen.

      Papillae foliatae

      Am dorsolateralen Zungenrand liegen vor dem Sulcus terminalis 10–15 vertikal angeordnete Schleimhautfalten, die als Papillae foliatae bezeichnet werden. In der Tiefe der Falten liegen Ausführungsgänge der sogenannten serösen Ebner’schen Spüldrüsen.

      Papillae vallatae

      Ventral des Sulcus terminalis liegen die 8 bis 10 in einer Linie angeordneten Papillae vallatae. Sie sind rund, mit einer zentralen Einbuchtung und mit einem Durchmesser von 2 bis 3 mm die größten aller Zungenpapillen. Die Papillae vallatae vermitteln primär über mehrere Geschmacksknospen den bitteren Geschmack. Sie beherbergen, wie die Papillae foliatae, in ihrer zentralen Einsenkung Ausführungsgänge der Ebner’schen Spüldrüsen.

      Fazit

      Der Aufbau der Zunge ist weitaus komplexer als er im Rahmen dieses Glossars beschrieben werden kann. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass es zu Abweichungen von der normalen Anatomie kommen kann. Diese Variationen müssen keinen Krankheitswert besitzen, können aber neben einer pathologischen Veränderung auch Ausdruck allgemeinmedizinischer Erkrankungen sein9. Therapeutische Ansätze, wie beispielsweise der Einsatz eines Zungenschabers (Abb. 3a und b), sind oftmals symptombezogen oder bei exogen verursachenden Faktoren streng ursachenbezogen2. Für detailliertere Ausführungen wird auf die Bücher von Filippi5 und Bork10 verwiesen.

      Abb. 3a und b Anwendung eines Zungenschabers auf dem Zungenrücken und exemplarische Einzeldarstellung.

      Literatur

      1. Quirynen M, Teughels W, van Steenberghe D. Impact of antiseptics on one-stage, full-mouth disinfection. J Clin Periodontol 2006;33:49–52.

      2. Scharf S, Eickholz P. Glossar der Grundbegriffe für die Praxis: Halitosis. Parodontologie 2014;25:461–467 (s. Beitrag 18 in diesem Buch).

      3. Filippi A. Halitosis – Professionelle Behandlung von Mundgeruch in der zahnärztlichen Praxis. Berlin: Quintessenz, 2011.

      4. Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus Kopf, Hals und Neuroanatomie. Stuttgart: Thieme, 2012.

      5. Filippi A, Hitz Lindenmüller I (Hrsg.). Die Zunge. Berlin: Quintessenz, 2016.

      6. Chandrashekar J, Hoon MA, Ryba NJ, Zuker CS. The receptors and cells for mammalian taste. Nature 2006;444:288–294.

      7. Naumova EA, Dierkes T, Sprang J, Arnold WH. The oral mucosal surface and blood vessels. Head Face Med 2013;9:8.

      8. Shadan S. Molecular biology: A taste of umami. Nature 2009;457:160.

      9. Petsos H, Aldiri T, Eickholz P. Glossar der Grundbegriffe für die Praxis: Die Zunge 2: Normvarianten und pathologische Veränderungen. Parodontologie 2018;29:71–77 (s. Beitrag 20 in diesem Buch).

      10. Bork K., Burgdorf W., Hoede N. Mundschleimhaut- und Lippenkrankheiten: Klinik, Diagnostik und Therapie. Stuttgart: Schattauer, 2008.

       Ätiologie

       Peter Eickholz

Gingivitis3

      Gesunde Gingiva

      Klinisch entzündungsfreie gesunde Gingiva hat eine feste Konsistenz, der Gingivarand verläuft girlandenförmig, die Papillen füllen die Interdentalräume aus und bluten bei Sondierung nicht. Bei hellhäutigen Menschen ist entzündungsfreie Gingiva rosa, bei dunkelhäutigen Menschen finden sich häufig melaninpigmentierte Areale (Abb. 1). Histologisch stellt sich die Situation differenzierter dar. Bei völliger Entzündungsfreiheit finden sich keine bzw. nur vereinzelte Entzündungszeichen; man spricht von normaler Gingiva. Das Saumepithel haftet der Zahnoberfläche über Hemidesmosomen an. Auch bei normaler Gingiva finden sich im Saumepithel vereinzelte Leukozyten (neutrophile Granulozyten und Makrophagen) (Abb. 2)1. Histomorphometrisch setzt sich die völlig entzündungsfreie Gingiva zu etwa 30 % aus oralem Epithel, zu etwa 10 % aus Saumepithel und zu 60 % aus Bindegewebe zusammen. Ein solcher völlig entzündungsfreier Zustand erfordert allerdings eine perfekte Plaquekontrolle, die fast nur unter experimentellen Bedingungen, wenn die individuelle Mundhygiene über mehrere Wochen durch häufige professionelle Zahnreinigungen unterstützt wird, erreicht werden kann. Deshalb ist er selbst bei Personen mit effektiver individueller Mundhygiene, die vereinzelt immer noch geringe Mengen von bakterieller Plaque auf den Zähnen aufweisen, nicht zu finden. Bei effektiver individueller Mundhygiene zeigt die Gingiva ebenfalls keine klinischen, aber bereits histologische Entzündungszeichen; man spricht von klinisch gesunder Gingiva. Das histologische Erscheinungsbild der klinisch gesunden Gingiva entspricht in etwa dem Bild der initialen Läsion2.

      Abb. 1a und b Klinisch entzündungsfreie Gingiva: a) Frau im Alter von 24 Jahren, b) Frau im Alter von 41 Jahren.

      Abb. 2 Klinisch normale Gingiva: Bakterielle Plaque setzt Stoffwechselprodukte wie Fettsäuren, N-Formyl-MethionylLeucyl-Phenylalanin (FMLP) und Lipopolysaccharide (LPS) gramnegativer Bakterien frei. Diese antigenen Substanzen induzieren in den Saumepithelzellen die Produktion verschiedener Entzündungsmediatoren wie Interleukin-8 (IL-8), IL-1α, Prostaglandin E2 (PGE2), Matrix-Metalloproteinasen (MMP) und Tumornekrosefaktor-α (TNF-α). Neurale Komponenten des Epithels setzen Neuropeptide frei, die die Gefäße beeinflussen. Die bakteriellen Antigene und die epithelialen Produkte aktivieren perivaskuläre Mastzellen, die Histamin freisetzen, und Endothelzellen zur Freisetzung von IL-8, das ein Chemotaxin für neutrophile segmentkernige Granulozyten (PMN) ist (modifiziert nach Kornman et al.4).

      Initiale Läsion: akute entzündliche Reaktion

      Die Umsatzrate des Saumepithels


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