Kinderärztin Dr. Martens Staffel 3 – Arztroman. Britta Frey

Kinderärztin Dr. Martens Staffel 3 – Arztroman - Britta Frey


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wie möglich. Aber ich glaube, ich kann Ihnen jetzt schon sagen, daß Florian nicht ins Heim muß. Es ist ja heutzutage gottlob so, daß man nicht einfach über die Kinder bestimmt, wenn sie schon im denkfähigen Alter sind. Und das ist Florian, denn er geht schließlich zur Schule und ist, wie Jörg mir erzählte, sogar ein ausgezeichneter Schüler. Machen Sie sich also keine Sorgen. Ich glaube schon, daß man Ihnen Florian anvertrauen wird.«

      »Fein.« Thea Markmann strahlte Hanna an und sagte erleichtert: »Sie haben keine Ahnung, wie traurig es sich anhörte, als Florian mit unserem Jörg sprach. Man muß kein besonders weiches Herz haben, wenn man offen zugibt, daß es einen angerührt hat.« Sie erhob sich und reichte Hanna die Hand. Achim stand neben seiner Frau. Er wirkte wie ein Fels in der Brandung, ehrlich, zuverlässig und grundanständig. Hanna lachte ihn an und sagte aufmunternd:

      »Na, warten wir es ab, Herr Markmann. Wenn Florian von seinem Vater zur Adoption freigegeben worden wäre, wäre das eine ungleich schwierigere Angelegenheit. Es geht aber nur um eine Pflegestelle. Ich bin ganz sicher, daß man Ihnen Florian anvertrauen wird, wenn mein Bruder und ich ausdrücklich betonen, daß das wirklich nur zu Florians Wohl sein wird.«

      »Danke!« stieß Achim Markmann heiser hervor und stammelte dann: »Es ist nämlich so… ich mein, ich sollte mit Ihnen reden und Ihnen erklären, wie ich…« Er hatte sich plötzlich restlos verheddert und sah sie an wie ein Kind, das sich große Mühe gegeben hat, ein Gedicht auswendig zu lernen und es nun, da es das Gelernte vortragen sollte, völlig vergessen hatte.

      »Ist schon gut, Herr Markmann«, sagte Hanna und sah ihn offen an. Dann legte sie ihm freundschaftlich die Hand auf den Ärmel. »Ich weiß schon, was Sie sagen wollten. Es ist schon gut. Ich finde es großartig, daß Sie sich auch noch Sorgen um Florian Beckhaus machen. Schließlich hat das niemand von Ihnen beiden erwartet oder gar verlangt. Sie können sicher sein, daß wir, mein Bruder und ich, alles tun werden, damit diese Angelegenheit so schnell wie möglich erledigt werden kann.«

      Thea und Achim Markmann waren mehr als zufrieden, als sie Hannas Sprechzimmer verließen und nach oben gingen, um nachzusehen, ob Jörg und Florian mittlerweile auf ihr Zimmer zurückgekehrt waren.

      *

      Drei Tage später kam Grete Vollmers noch einmal in die Klinik. Diesmal hatte sie saubere Wäsche für Florian und auch noch seine Schulbücher bei sich. Sie räumte die Wäsche in den Schrank und sagte dabei:

      »Wenn du schon nutzlos herumliegst, kannst du meiner Meinung nach auch mal einen Blick in deine Lehrbücher werfen. Schaden würde dir das jedenfalls nicht.«

      »Danke, daß du daran gedacht hast«, sagte Florian höflich. Man sah ihm an, daß er sich in der Gegenwart seiner Tante bedrückt und irgendwie schuldbewußt fühlte.

      Grete blieb nicht lange. Sie erklärte, daß sie noch eine Unmenge zu tun habe, und ging nach kurzem Abschied wieder. Jörg hatte sie gar nicht beachtet. Sie fand es sowieso nicht richtig, daß man Florian auf das Zimmer gelegt hatte, in dem Jörg untergebracht war.

      Florian atmete erleichtert auf, als Grete endlich wieder gegangen war. Und prompt hatte er eine halbe Stunde später wieder einen Schmerzanfall. Schwester Dorte, die heute Dienst auf der Station hatte, rief sofort Hanna, die wenig später vor Florians Bett stand und ihn mitleidig ansah.

      »Es tut so weh, Tante Hanna!« sagte Florian und keuchte vor Schmerzen.

      »Ich weiß, mein Kleiner«, sagte Hanna ruhig und zog schon die Injektionsspritze auf. »Du brauchst mir nichts zu sagen.«

      Jörg war zurückgetreten und sah zu, wie man seinem Freund die Injektion machte. Beinahe in dem gleichen Augenblick, in dem Hanna die Nadel aus Florians Armvene zog, entspannte sich sein vor Schmerz verkrampftes Gesicht. Er sah Hanna an und brachte schon wieder ein etwas schiefes Lächeln zustande.

      »Ich dachte, die Schmerzen würden nicht mehr wiederkommen, weil ich doch ein paar Tage Ruhe hatte.«

      Plötzlich meldete sich Jörg zu Wort. Es war ihm beinahe, als habe er soeben eine Erleuchtung gehabt. Er stand da und sah auf seinen Freund hinab. Und dann sprach er das aus, was ihm durch den Kopf ging.

      »Ich glaube, ich weiß, warum Florian immer Bauchweh hat.«

      Hanna wandte sich zu ihm und sah ihn antwortheischend an. Jörg wurde sehr rot und verlegen und sagte tapfer:

      »Florian will eine richtige Familie, Dr. Hanna.«

      Hanna nickte ihm zu und zog ihn ein wenig näher zu sich heran. Dann sagte sie freundlich:

      »Ja, das glaube ich auch. Florian braucht eine richtige Familie. Die braucht jeder Mensch, wenn er glücklich und zufrieden sein soll.«

      »Und er hat jedesmal Bauchweh, wenn seine Tante Grete hiergewesen ist«, stellte Jörg fest.

      »War sie denn heute auch hier?« wollte Hanna wissen. Florian nickte nur, und Jörg sagte erbittert:

      »Sie hat ihm nicht mal ein paar Bonbons mitgebracht oder eine Tafel Schokolade. Aber seine Schulbücher, die hat sie ihm mitgebracht und dazu gesagt, er soll lernen, wenn er schon nutzlos hier herumliegt.«

      Man hörte Jörg deutlich an, wie zornig er auf Grete Vollmers war. Hanna äußerte sich nicht dazu, obwohl sie eigentlich das gleiche empfand wie der Junge. Sie strich Jörg über das Haar und klopfte Florians Hand. Dabei sagte sie tröstend:

      »Sollst mal sehen, Florian, das kriegen wir schon wieder hin.« Der Junge sah zu ihr hoch und nickte. Man sah ihm an, daß er jedes Wort glaubte, das Hanna ihm sagte.

      »Das glaube ich auch, Tante Hanna«, sagte er mit rührender Tapferkeit und fügte noch ehrlich hinzu:

      »Wenn ich noch ein Weilchen hierbleiben darf, mit Jörg zusammen, werde ich mich ganz sicher wieder besser fühlen.«

      »Nun, wenn es weiter nichts ist – das kann man doch einrichten, meinst du nicht auch?« Damit ging sie schnell aus dem Zimmer.

      Als sie Kays Sprechzimmer betrat, fand sie Dr. Klaus Mettner bei ihm. Die beiden Herren unterhielten sich lebhaft miteinander. Kay sah seine Schwester an und sagte einladend:

      »Komm, setz dich zu uns. Wir unterhalten uns ausgezeichnet miteinander.«

      »Nun, dann kann ich auch noch etwas zu eurer Unterhaltung beitragen.« Hanna setzte sich und sah ihren Bruder ernst an. »Ich komme gerade eben von unserem Sorgenkind Florian. Ich glaube, nein, ich weiß sicher, worin seine Schmerzanfälle ihren Ursprung haben. Der kleine Jörg Markmann hat eine Diagnose gestellt, die an Präzision nichts zu wünschen übrig läßt.«

      »Da bin ich aber gespannt.« Klaus Mettner strich sich über den mit Sommersprossen übersäten Nasenrücken und sah Hanna aufmerksam an. Sie lachte leise auf und wiederholte, was Jörg ausgesprochen hatte.

      »Florian will eine richtige Familie«, sagte sie und merkte nicht einmal, daß sie wortwörtlich das wiederholte, was Jörg gesagt hatte – und wie er es gesagt hatte.

      Ehe die beiden Herren sich äußern konnten, fuhr Hanna eilig fort:

      »Jörg Markmann hat deutlich erkannt, wo bei Florian der Hase im Pfeffer liegt. Es ist seine Tante. Grete Vollmers ist nämlich bei ihm gewesen. Und prompt hat der Junge wieder einen dieser rätselhaften Schmerzanfälle gehabt.«

      »Wenn du mich fragst, ich möchte auch nicht dauernd mit Grete Vollmers zusammen sein müssen«, sagte Kay aus tiefstem Herzensgrund.

      »Sie fühlt sich durch Florian überfordert«, berichtete Hanna still. Kay sah seine Schwester scharf an. Und dann sagte er:

      »Ich kenne dich ganz genau, Hanna, und weiß deshalb, daß du noch mehr zu sagen hast. Also?«

      »Na, viel gibt es nicht mehr darüber zu sagen. Sie möchte, daß der Junge so schnell wie möglich einen Heimplatz zugewiesen bekommt, damit sie die Belastung los ist.«

      Klaus Mettner beugte sich vor. Er sah Hanna eindringlich an.

      »Das – das ist ungeheuerlich!« sagte er endlich. Und Kay nickte


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