Kinderärztin Dr. Martens Staffel 3 – Arztroman. Britta Frey

Kinderärztin Dr. Martens Staffel 3 – Arztroman - Britta Frey


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Sorgen machen? Ist doch nicht alles in Ordnung mit unserem Jungen?«

      »Und ob alles in Ordnung ist.« Kay lachte Thea aufmunternd an, weil er spürte, wie sie sich verkrampft hatte. »Er hat uns gerade eben gesagt, daß er großen Hunger hat und so schnell wie möglich etwas essen möchte.«

      »Mein Kleiner«, sagte Thea und hatte Mühe, die Tränen, die ihr schon wieder ganz oben im Hals saßen, zurückzudrängen. Nein, sie durfte jetzt nicht weinen, sie mußte ihrem Jungen ein fröhliches Gesicht zeigen. Und Achim brummelte gerührt:

      »Wenn er schon wieder Hunger hat, geht’s ihm wirklich besser. Man sagt doch immer, daß einer, dessen Lebensgeister wieder erwacht sind, Hunger spürt. Dann ist das bei unserem Jörg auch ein gutes Zeichen, oder?«

      »Gehen Sie nur hinein.« Hannas warme Stimme wirkte beruhigend. »Sie werden sich mit ihm unterhalten können. Jedenfalls ist er ausgeruhter, als Sie es sein können nach der schrecklichen Angst der vergangenen Stunden.«

      Und dann standen die Markmanns vor ihrem Jungen. Thea wußte nicht, ob sie ihn umarmen durfte oder nicht. Aber dann war sie von Jörgs Lächeln so überwältigt, daß sie sich niederbeugte und ihn ganz fest an sich drückte. Die verbundene Hand, die auf einer bequemen Armstütze gebettet lag, beachtete sie einfach nicht.

      »Mein Kleiner«, flüsterte Thea unter Tränen. »Mein armer Kleiner. Hast du große Schmerzen?«

      »Überhaupt nicht, Mami. Es tut nicht weh, wirklich nicht. Und wenn ich die verbundene Hand nicht hätte, fühlte ich mich ganz gesund. Ich habe großen Hunger und freue mich auf ein richtiges Essen.«

      In diesem Augenblick betrat Schwester Dorte das Zimmer mit einem Tablett. Sie nickte Jörgs Eltern freundlich zu und sagte dann zu ihrem kleinen Patienten:

      »Ich habe Curry-Wurst mit Pommes frites für dich. Magst du das?«

      »Und ob«, sagte Jörg begeistert. »Ist eines von meinen Lieblingsessen.«

      »Na fein, dann haben wir ja deinen Geschmack getroffen. Die Wurst ist übrigens schon kleingeschnitten, damit du nur eine Hand brauchst zum Essen.«

      Während dieser Unterhaltung hatte Schwester Dorte schon das Bett-Tischchen gerichtet und den Teller daraufgestellt.

      Jörg sah begehrlich auf den Teller mit der appetitlich duftenden Currywurst und der großen Portion Pommes frites.

      »Gibt’s hier immer so was Leckeres?« fragte Jörg, während er die Gabel in die rechte Hand nahm und ein Stückchen Wurst aufspießte.

      »Du wirst dich wundern«, sagte Schwester Dorte fröhlich. »Denk daran, daß wir hier eine Kinderklinik sind. Hier weiß man, was Kinder gern essen.«

      »Das finde ich echt stark«, lobte Jörg und sah sehr zufrieden drein, als Schwester Dorte lachend das Zimmer verließ. Dann wandte er sich seinen Eltern zu, die ihn noch immer staunend und bewundernd zugleich anschauten.

      »Du scheinst tatsächlich keine Schmerzen zu haben, mein Liebling«, sagte Thea endlich leise und machte ein ungläubiges Gesicht. Und auch Achim seufzte tief auf und erklärte endlich bedächtig:

      »Ich habe schon öfter gelesen, daß Leute, denen man im Krieg einen Arm oder ein Bein weggeschossen hatte, keine Schmerzen spürten. Das habe ich bis heute nicht glauben wollen. Aber jetzt, bei dir, Jörg, da scheint sich herauszustellen, daß das wahr ist.«

      Jörg warf seinem Vater einen unsicheren Blick zu.

      »Ich finde es prima, Vati, daß du nicht mit mir schimpfst, weil ich an die Kreissäge gegangen bin, obwohl du es mir verboten hattest. Ich – ich wollte doch den Hasenstall so schnell wie möglich fertig haben. Und da habe ich einfach nicht mehr länger warten mögen.«

      »Mach dir deshalb keine Sorgen, mein Junge.« Achim Markmann war ordentlich gerührt, aber er war auch bemüht, sich das nicht allzusehr anmerken zu lassen. »Den Hasenstall mache ich fertig, solange du hier liegen mußt. Ich nehme an, daß wir beide zusammen noch mehr als einen bauen müssen, denn ich nehme doch an, daß du eine richtige Stallhasenzucht anfangen willst, oder?«

      »Ach, Vati, ich weiß ja gar nicht, was ich dazu sagen soll.«

      Jörg strahlte nur so und schob sich wieder ein Stück Wurst in den Mund. »Ich dachte, du würdest es mir verbieten. Deshalb habe ich ja auch nur erst den Stall für den einen Hasen bauen wollen. Aber jetzt kann ich es dir ja sagen. Es ist eine Häsin, und sie kriegt Junge.«

      Jörgs Wangen waren plötzlich rot, und man konnte die paar Sommersprossen, die er auf der Nase hatte, deutlich sehen. Er machte einen schuldbewußten Eindruck.

      Achim sah seinen Sohn erst verblüfft an. Dann aber brach er in lautes Lachen aus und sagte endlich, nachdem er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte:

      »Du Schlawiner. Das hättest du mir von Anfang an sagen sollen, denn dann wäre das alles nicht geschehen. Oh, wenn ich das doch nur geahnt hätte! Dann lägst du jetzt nicht mit abgeschnittenen und wieder angenähten Fingern hier!«

      »Was meinst du damit, Vati? Hättest du mir dann alles verboten?« fragte Jörg zerknirscht. Aber Achim Markmann schüttelte nur den Kopf und sagte dann voller Bedauern:

      »Ach, Kerlchen, dann hätten wir doch den ehemaligen Schweinestall umbauen können. Dann brauchten die Hasen nicht in Einzelkäfigen untergebracht zu werden, sondern könnten im Schweinestall umherlaufen. Und für den Sommer hätte man ihnen im Garten ein Gehege machen können. Das ist doch viel schöner, als wenn man die Tiere in einzelnen Käfigen hält.«

      »Können wir das nicht noch machen, Vati?« fragte Jörg und sah seinen Vater überwältigt an. Da mischte sich Thea ein.

      »Und ob man das noch machen kann. Wir werden es alle drei gemeinsam in Angriff nehmen, wenn du erst wieder daheim bist. Und die trächtige Häsin, die holt Vati schon, damit sie sich im Schweinestall im Stroh schon mal ein Nest bauen kann für ihren Nachwuchs. Seht ihr?« setzte sie noch triumphierend hinzu. »Es war doch gut, daß ich den Schweinestall ausgeschrubbt habe, als wir uns einig waren, daß wir kein Schwein halten wollen, das wir dann später doch nicht aufessen konnten, weil es zu uns gehört hatte. Mit der Hasenzucht ist es da ganz anders, nicht wahr?«

      »Klar hast du recht gehabt«, sagte Achim und legte den Arm um seine Thea. »Ich habe ja oft über deinen vermeintlichen Putzfimmel gelacht – aber jetzt finde ich nichts daran auszusetzen. Ich glaube, es ist wirklich wahr, wenn man sagt, daß es darauf ankommt, von welcher Seite man eine Angelegenheit betrachtet, was?«

      »Wenn du das man nur weißt«, setzte Thea hinzu und streichelte ihrem Jungen über das flachsblonde Haar. Sie hätte die ganze Welt umarmen können vor lauter Glück darüber, daß es Jörg anscheinend gutging, daß er keine Schmerzen hatte und daß er schon wieder ordentlich essen konnte. Sicher würde es nicht mehr lange dauern, nur ein paar Wochen, bis er wieder daheim war. Und was waren schon ein paar Wochen, wenn man sich klarmachte, daß das große Unglück sich sozusagen in Wohlgefallen aufgelöst hatte?

      Sie blieben, bis Jörg müde wurde und Schwester Dorte sie auffordernd ansah. Da war es Thea, die sich als erste erhob und ihrem Mann einen Blick zuwarf. Achim verstand und nickte Jörg verabschiedend zu. Er traute sich einfach noch nicht, ihn anzufassen.

      »Auf morgen denn, Kleiner«, sagte er weich. »Ich komme nach dem Dienst hierher, weil ich annehme, daß Mami dann sowieso bei dir sitzt. Dann kann ich sie anschließend gleich im Auto mit heimnehmen.«

      »Und das mit dem Schweinestall, Vati, das machst du wirklich, nicht wahr?« fragte Jörg müde. Achim Markmann nickte nachdrücklich und zog Thea, die sich ganz offensichtlich kaum von ihrem Jungen trennen mochte, mit sich.

      »Komm, damit er endlich schlafen kann. Er hat eh schon ganz kleine Augen.«

      Thea folgte ihrem Mann und sagte auf dem Flur:

      »Ich kann es nicht fassen, Achim. Es ist wie ein Wunder.«

      »Und ob es das ist. Ich komme mir ganz klein und häßlich vor, weil ich mich gestern wie ein Schwerverbrecher verhalten habe.«


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