Sophienlust - Die nächste Generation Staffel 1 – Familienroman. Karina Kaiser
Die Ferienanlage gefiel Liane, und sie wusste auch sehr schnell, wie sie ausdrucksvolle Fotos davon bekommen würde. Auf dem Flugplatz schaute sie sich später überrascht um.
»Ich hätte nie vermutet, dass es auf einem so kleinen Flugplatz so viele Flugzeuge gibt. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass hier zwei, vielleicht auch drei kleine Maschinen stehen, aber das sind ja mindestens zwanzig.«
»Ja, das stimmt ungefähr«, bestätigte Alex Landhuber. Viele Leute, die einen Flugschein besitzen haben ihre Maschinen hier abgestellt. Sie stammen nicht nur aus Österreich, sondern auch aus den benachbarten Ländern. Manche vermieten die Flugzeuge mitunter auch. Sie fliegen übrigens mit der Papa Tango, die dort drüben steht.«
Herr Landhuber wies auf ein kleines weißes Flugzeug mit mehreren dunkelblauen Streifen.
»Papa Tango?«, fragte Liane verwirrt. Ich weiß, dass manche Leute ihren Autos Namen geben, und könnte mir vorstellen, dass das bei Flugzeugbesitzern nicht anders ist. Aber Papa Tango ist ein ziemlich ungewöhnlicher Name.«
Alex Landhuber schüttelte lächelnd den Kopf. »Es handelt sich nicht um einen Namen, sondern um die Kennung. Können Sie die Buchstaben auf dem Flugzeug erkennen? Hinter der Landeskennung steht ein P und ein T. In dem Alphabet, das in der Luftfahrt benutzt wird, heißt das Papa und Tango.«
»Aha, jetzt versteh ich«, entgegnete Liane. »Als Name für so ein nettes kleines Flugzeug wäre diese Bezeichnung auch recht seltsam gewesen. Ich freue mich darauf, morgen damit fliegen zu dürfen.«
»Und ich freue mich auf die Fotos, die Sie von der Ferienanlage machen werden. Leider ist es nicht meine Anlage. Ich bin nur der Manager. Aber ich weiß, dass die Besitzer, es handelt sich dabei um zwei Brüder, großen Wert darauf legen, dass man auch bei den Luftaufnahmen einzelne Details gut erkennen kann. Besonders wichtig ist ihnen der wirklich wunderschön gestaltete kleine Badesee, der sich im Zentrum der Bungalowbebauung befindet. Diesem See sollten Sie besondere Aufmerksamkeit widmen.«
»Das werde ich beherzigen«, versprach Liane. »Aber ich werde nach der Landung viele schöne Aufnahmen präsentieren können. Da wird es für die Besitzer der Ferienanlage bestimmt nicht ganz leicht sein, die besten auszuwählen.«
Alex Landhuber lächelte Liane an.
»Ich bin davon überzeugt, dass Sie Ihr Handwerk verstehen. Sonst hätte man Sie bestimmt nicht aus Deutschland geholt, um hier in Österreich Fotos zu machen.«
Danach fuhren sie zurück, und Herr Landhuber brachte Liane zum Hotel und verabschiedete sich von ihr. Er bestand darauf, sie am nächsten Morgen abzuholen und zum Flugplatz zu fahren, obwohl sie selbst ein Auto hatte, das auf dem Parkplatz des Hotels stand. Liane verzichtete auf Einwände und erklärte sich einverstanden. Sie freute sich auf den kommenden Tag und auf ihre Arbeit. Damit sie frisch und ausgeruht ans Werk gehen konnte, ging sie an diesem Abend relativ früh schlafen.
*
»Na, Alfi, wohin geht es denn heute?«, wurde Alfred Luckner gefragt, als er sein Flugzeug betanken ließ. Niemand, der auf diesem Flugplatz beschäftigt war, nannte ihn bei seinem vollen Namen. Alle sagten nur Alfi zu ihm.
»Rüber zu der neuen Ferienanlage, mehrmals drum herum und dann noch einmal über die Jagdhütte, die ganz in der Nähe liegt. Ich nehme nachher zwei Passagiere auf, einen älteren Herrn und ein junge Frau. Beide wollen Luftaufnahmen machen. Ein langer Flug wird das nicht. Ich werde voraussichtlich etwa zwanzig Minuten unterwegs sein.«
Der Tank der kleinen Maschine war gerade gefüllt, als Liane auf dem Flugplatz erschien. Auch der ältere Mann, der seine Jagdhütte fotografieren wollte, fand sich ein paar Minuten später ein. Alfred Luckner gesellte sich zu ihnen und stellte sich vor. Gerade wollte er mit ihnen zum Flugzeug hinübergehen, als eine junge Frau von ungefähr zwanzig Jahren auf die kleine Gruppe zugelaufen kam.
»Entschuldigen Sie bitte, fliegen Sie jetzt los? Wenn es so ist, könnten Sie mich dann bitte mitnehmen? Mein Bruder verbringt mit seiner Frau regelmäßig seinen Urlaub in dieser Gegend und schwärmt immer wieder davon. Ich möchte ihm gerne ein selbst aufgenommenes Luftbild von der Landschaft, die er so liebt, zum Geburtstag schenken. In drei Wochen wird er sechsundzwanzig Jahre alt.«
»Da haben Sie aber Glück«, erklärte Alfred Luckner. »Es ist genau noch ein Platz frei. Haben Sie sich schon angemeldet? Alle Fluggäste melden sich dort drüben bei der netten Mitarbeiterin an.«
Die junge Frau blickte in die angegebene Richtung und sah die Mitarbeiterin hinter einem Tresen. »Nein, ich habe mich noch nicht angemeldet«, gestand sie. »Aber Sie können sich darauf verlassen, dass ich den Flugpreis bezahle.«
»Sie sehen auch nicht wie eine Betrügerin aus«, stellte Alfred Luckner lachend fest. »Nun gut, dann kommen Sie jetzt, wir wollen keine Zeit vergeuden. Wir können später alle geschäftlichen Dinge regeln, wenn wir wieder hier gelandet sind.«
Obwohl es sich um ein ziemlich kleines Flugzeug handelte, fanden die drei Passagiere wenig später gute Plätze, die ihnen freie Aussicht nach draußen ermöglichten. So würden alle ihre Fotos machen können.
Der Pilot gab sich Mühe, die begehrten Objekte möglichst tief zu überfliegen, damit die Qualität der Bilder optimal werden konnte. Liane hatte bereits zahlreiche Bilder gemacht, als ihr ein Vogelschwarm auffiel, der sich seitlich auf das kleine Flugzeug zubewegte. Sie dachte sich nichts weiter dabei, warf nur einen kurzen Blick auf die Vögel, die sie für Enten oder Gänse hielt, und widmete sich wieder ihrer Arbeit. Dann aber hörte sie, wie der Pilot fluchte und nahm unangenehm laute Geräusche wahr. Das Flugzeug wurde geschüttelt und geriet offensichtlich außer Kontrolle. Liane blickte für den Bruchteil einer Sekunde in die angstvoll geweiteten Augen der beiden anderen Passagiere und geriet selbst in stumme Panik, als der Pilot hektisch etwas von »Vogelschlag« und »Notlandung« rief. Der Vogelschwarm hatte die Propeller des Flugzeuges getroffen. Für die Tiere war das tödlich gewesen, aber dieser Zusammenstoß bedeutete auch für das Flugzeug eine Katastrophe.
Alles ging so schnell, dass Liane es kaum begreifen konnte. Der Pilot versuchte, auf einem Rübenfeld zu landen, was ihm jedoch nicht gelang, da das Flugzeug sich als nahezu manövrierunfähig erwies. In ihrer Panik war Liane überhaupt nicht fähig, irgendwo nach festem Halt zu suchen, so wie es die anderen beiden Fluggäste taten. Nachdem die Maschine mehr aufgeschlagen als gelandet war, zerbrach hinter Liane ein Fenster, und sie wurde nach draußen geschleudert, mitten in eine grüne Hecke, die das Rübenfeld begrenzte. So, als würde sie sich einen Film ansehen, schaute Liane dem Flugzeug nach, wie es sich durch die Pflanzen wühlte, sich schließlich überschlug und sofort in Flammen aufging. Bei diesem Anblick empfand Liane rein gar nichts. Sie begriff nicht, was dort vor sich ging und wusste auch nicht, wie sie in diese Hecke gekommen war. Dass sie sich noch wenige Sekunden zuvor in dem Flugzeug befunden hatte, war aus ihrem Erinnerungsvermögen gestrichen. Sie spürte nichts, nicht den geringsten Schmerz, sondern sank einfach bewusstlos in sich zusammen.
*
Eigentlich wollte Pünktchen nur rasch zur Weide gehen, um den Pferden ein paar Leckerbissen zu bringen. Magda war ein Versehen unterlaufen, über das sie sich zunächst sehr geärgert hatte, weil ihr solche Fehler normalerweise nie passierten. Ein großes Bauernbrot war hinter andere Backwaren geraten und hatte dort mehrere Tage lang unentdeckt gelegen. Nun war es zu hart und zu trocken, um es auf den Tisch zu bringen. Pünktchen hatte die verärgerte Köchin getröstet und ihr gesagt, das sich die Pferde bestimmt über das trockene Brot freuen würden. Frisches Brot dürfe man ihnen wegen ihrer empfindlichen Mägen nicht geben, aber trockenes Brot wäre eine Delikatesse für die Tiere.
Der Gedanke, dass sie wenigstens den Pferden eine Freude machen konnte, tröstete Magda. Sie griff zum Elektromesser und schnitt das große runde Bauernbrot damit in dicke Scheiben. Die wollte Pünktchen jetzt verfüttern. Doch dazu kam sie nicht mehr. Von Heidi liebevoll gestützt, kam Kim aus dem Park und humpelte auf die Freitreppe zu. Dicke Tränen kullerten über seine Wangen, und mit einer Hand schützte er sein rechtes Knie, das offensichtlich blutete.
»Ich mir gebrochen Bein«, jammerte der kleine Junge, als er Pünktchen entdeckte. »Ich bin