Inseln der Macht. Frank Westermann

Inseln der Macht - Frank Westermann


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Das war ja Beppo! Er war der Letzte, den er jetzt sehen wollte. Hoffentlich schlug er nicht irgendein Treffen vor. Lerc war sicher, dass es eine Nachricht gab. Die Mitglieder der Gruppe hatten beschlossen, sich öffentlich so wenig wie möglich zusammen zu zeigen. Man wusste nie, welche Informationen der Sicherheitsdienst schon hatte und wer gerade überwacht wurde.

      Beppo schlich an ihm vorbei und drückte ihm dabei unauffällig einen Zettel in die Hand. Was wollte er bloß? Sein schwarzer Rücken - er hatte eine dunklere Hautfarbe als Lerc - verschwand um die nächste Ecke.

      Lerc ging noch fünf Minuten weiter, dann drückte er sich in einen leeren Hausflur. Bei der Dunkelheit hier konnte er kaum lesen, was auf dem Zettel stand: »Treffen heute Abend bei V. Dringend!« Auch das noch. Der Tag war gelaufen. Sicher wieder eine von Christers zündenden Ideen. V. war natürlich Veila. Lerc verbrannte den Zettel automatisch.

      Sein Gehirn war wie ausgetrocknet, als er sich auf den Rückweg machte.

      Vor der Haustür stand einer dieser widerlichen Typen von der Cran-Sekte. Lerc erkannte ihn schon von Weitem: weiter, dunkelblauer Umhang, Sandalen, kahlgeschorener Kopf. In der Hand das obligatorische Buch, unter dem Umhang wahrscheinlich ein Arsenal Drogen. Der hatte ihm gerade noch gefehlt! Wollte man ihm noch den letzten Rest Optimismus rauben?

      Er wusste, er würde nicht an dem Typen vorbeikommen, ohne sich seine wütenden Tiraden anhören zu müssen. Die Kerle konnten sehr rabiat werden.

      So stand er bewegungslos einige Minuten auf dem gegenüberliegenden Gehsteig und wartete auf eine Lösung. Er schwitzte wie verrückt unter seinem schwarzen Kraushaar und wünschte sich nichts als ein kühles Bier. Er hatte Glück. Der alte Daragon trat aus dem Hausflur und lief dem Cran-Typ direkt in die Arme. Geschah ihm recht, dem alten Plappermaul!

      Schnell wechselte er die Straßenseite und zwängte sich mit einem flüchtigen Gruß an den beiden vorbei. Es war zwar angenehm kühl auf der Treppe, roch aber muffig und nach abgestandenem Essen. Lerc machte, dass er raufkam. Sogar die Schlüsselprozedur nervte ihn heute. Der Spaziergang war ein glatter Reinfall gewesen.

      Es war immer noch keine/r zu Hause. Als Erstes riss er den Kühlschrank auf (er funktionierte schon zwei Wochen!) und genehmigte sich das letzte Bier. Seit Jungo den Job hatte, sahen sie mit der Kohle nicht mehr so alt aus. Vorher war's echt eine Plage gewesen. Ewig diese Rechnereien mit dem Haushaltsgeld! Wenn die Band jetzt noch etwas Geld reinbrachte, war alles klar.

      Er ging nach nebenan in sein Zimmer, schloss die Vorhänge, weil die Sonne jetzt direkt hereinschien, und stellte den Recorder an. Dann fläzte er sich mit dem Bier in den abgewetzten Sessel und versuchte, an gar nix mehr zu denken, nur der Musik zuzuhören.

      Gerade, als ihm das gelungen war, wurde die Wohnungstür aufgerissen, Sachen wurden auf den Boden geschmissen, und Jungos dröhnende Bassstimme machte sich breit. Gegen seinen Willen musste Lerc lachen: diese tiefe Stimme, die gar nicht zu der schmächtigen Gestalt passte. Er sollte die gespannte Atmosphäre zu Jungo schnellstens beseitigen. Wahrscheinlich lag es eher an ihm selbst, weil er schon seit Tagen etwas gereizt rumlief. Vielleicht erinnerte ihn die Stimme auch manchmal an Christer, zu dem sie allerdings passte wie die Faust aufs Auge.

      Die Tür ging auf, und Hanne sah herein.

      »Lerc, ich lass mal die Tür auf. Dann haben wir auch was von der Musik.«

      »Okay. Wie war's am Strand.«

      »Ganz lustig. Aber als ein paar Schläger mit Z-Abzeichen kamen, haben wir lieber die Stellung geräumt.«

      »Verständlich.«

      »He, Lerc.«schrie Jenka aus der Küche.«Hast du etwa sauber gemacht.«

      Er knurrte ein Ja in seinen nicht vorhandenen Bart.

      »Teufel, Teufel, da kann man ja wieder richtig drin kochen, » brummte Jungo.

      »Sag bloß, ihr habt was mitgebracht.«

      Lerc sprang aus dem Sessel, vergaß das Bier, vergaß seine Grübeleien. Tatsächlich, sie hatten eingekauft. Mindestens die Hälfte geklaut, dachte er, als er sah, was sie da alles aufgefahren hatten.

      Später, beim Essen, als sie alle in der Küche saßen, rückte er mit der Nachricht von dem Treffen raus.

      »Ich glaub, es ist etwas Besonderes«, meinte Jenka.

      Lerc zuckte die Schultern. Vermutlich war sie besser informiert als er. Tatsächlich hatte er sich überlegt, ob er überhaupt hingehen sollte.

      »Wahrscheinlich hast du recht, »stimmte Hanne ihr zu. »Keiner setzt ohne besonderen Grund zu dieser Zeit ein Treffen an. Das ist immer eine gefährliche Sache.«

      »Sie hatten bestimmt Mühe, einen von uns aufzutreiben«, vermutete Lerc. »Jenka war nicht im Laden und auch sonst war niemand zu Hause.«

      »Na, Beppo hat dich ja gefunden«, warf Hanne ein.

      Jungo sah auf die Uhr. »Scheiße, ich muss gehen. Ihr könnt mir ja morgen erzählen, wenn etwas Wichtiges war.«

      Alle sahen etwas bedrückt aus, als Jungo seinen Kram zusammenpackte.Er hatte wohl die beschissenste Arbeit von den Vieren zurzeit: Spätschicht in einer Fabrik. Eigentlich war er auch nicht Mitglied der Gruppe, wurde aber trotzdem über alles, was dort besprochen wurde, auf dem Laufenden gehalten.

      Die anderen tranken noch in Ruhe ihren Kaffee. Dann ging Hanne als Erste. Es war immer besser, getrennt zu kommen.

      »Wie bist du klargekommen«, fragte Jenka, als Hanne zur Tür raus war.

      »Ach, pffh, meine Gedanken gehen immer im Kreis. Ich hab irgendwie eine miese Stimmung, und die einzige Ursache, die mir einfällt, ist die Gruppe.«

      »Du solltest dich vielleicht nicht zu sehr auf Christer versteifen. Er ist nicht die Gruppe.«

      »Manchmal sieht es aber so aus.«

      »Vielleicht, aber ich glaube nicht, dass sich die anderen von ihm überreden lassen, wenn's drauf ankommt.«

      »Da bin ich nicht so sicher. Vielleicht bin ich auch nur mit mir selbst unzufrieden, weil die Beziehung mit Veila so komisch abgelaufen ist.«

      Jenka nickte.«Bist du traurig deswegen.«

      »Ich glaube nicht. Aber das ist auch so ein Punkt, wo ich nicht recht weiter weiß.«

      »Auf jeden Fall solltest du dich nicht in dein Schneckenhaus zurückziehen.«

      Diese Bemerkung ärgerte Lerc und es gab nichts mehr zu sagen. Also stand er auf, räumte den Tisch ab und folgte Hanne. Jenka sah ihm verdrießlich nach. Warum stellte er sich bloß so bockig an? Er tat gerade so, als ob alle was gegen ihn hätten. Und das war bestimmt nicht so.

      Auf dem Weg zu Veila versuchte Lerc seinen Ärger runterzuschlucken. Es hatte keinen Zweck, mit so einer Stimmung beim Treffen zu erscheinen. Dann würde er alles von vornherein in einem negativen Licht sehen.

      Der Weg war nicht weit. Lerc betrat ein ähnliches Gebäude wie das, in dem sie wohnten, nachdem er sich so gut es ging, vergewissert hatte, dass sich niemand Verdächtiges vor dem Haus rumtrieb. Veila wohnte ganz oben unterm Dach. Sie hatte eine kleine Wohnung mit einer Freundin zusammen, die kaum zuhause war.

      Beppo machte ihm auf und grinste ihn wie ein Honigkuchenpferd an. »Ich war den halben Tag unterwegs, um jemand von euch zu finden.”

      Man wusste bei ihm nie, ob er scherzte oder es ernst meinte. Lerc sagte gar nichts und ging weiter zu Veilas Zimmer. Veila war da und Christer, in der Ecke Latran und Elfes, Beppo kam jetzt auch, und natürlich Hanne.

      »Wird Zeit, dass wir loslegen«, sagte Christer bestimmt.

      Seine klotzige, braune Gestalt schien das Zimmer auszufüllen. »Wir können ruhig noch auf Jenka und die anderen warten«, ging Lerc sofort in Opposition.

      Hanne sah ihn stirnrunzelnd an. Sollte es schon wieder losgehen?

      Aber Christer


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