Inseln der Macht. Frank Westermann
schaffen die Waffen und Transportmittel ran.«
Mit »wir« meint er wohl sich und Elfes, dachte Lerc. Sicher schlägt er gleich vor, die drei bei ihnen zu verstecken, bis die Marken fertig sind.
»Die drei können dann eine Zeit bei uns untertauchen«, erklärte Christer. »Unsere Wohnung ist sauber und wir sind bisher wahrscheinlich nicht auf ihrer Liste.«
»Da sei dir nicht so sicher«, warnte Jenka ihn.
»Na gut, aber wo sollen sie sonst hin.«
Darauf wußte keine/r eine Antwort. Christer wohnte wirklich von allen am Seriösesten. Er war Mathematiker bei einer großen Firma und wohnte nicht in einer WG. Lediglich mit Elfes zusammen, mit dem er auch arbeitete. Sie hatten sozusagen eine Betriebswohnung.
»Und wann soll nun das Ganze steigen?«, fragte Beppo.
»Ich schlage vor in vier Tagen. Bis dahin müssten wir die Vorbereitungen schaffen.«
Christer saß jetzt da wie in Siegerpose und Lerc fragte sich, warum sie ihn nicht gleich zum Chef wählten. An dem Plan selbst gab es nicht viel auszusetzen, nur an der Art, wie er zustande gekommen war. Lerc fühlte sich reichlich unwohl.
»Das ist aber eine dicke Scheiße«, ließ sich da plötzlich Big Kid vernehmen. »Die Tage bin ich doch gar nicht da. Wir müssen die Maschine aus Hemston in Neu-Ing holen und ich muss dabei sein, weil nur ich den Verbindungsmann kenne. Und er nur mich.«
Christer sackte in sich zusammen wie ein angestochener Luftballon. Lerc hätte beinahe losgelacht. Big Kid war nämlich als Offensivmann vorgesehen.
»Okay, dann übernehme ich halt seine Rolle«, schlug Lerc vor.
»Was?« Christer guckte entgeistert. »Du bist doch nie mit unseren Plänen einverstanden. Erinnerst du dich nicht mehr an das Hickhack, ob wir nur die drei oder gleich alle befreien sollen.«
»Klar, und ich bin immer noch dafür. Aber die Sache ist gegessen und ich bin genauso zuverlässig wie Big Kid.«
Ein schönes Team: Christer, Veila und er. Lerc sah zu Veila rüber. Sie starrte ihn misstrauisch an. Wieder stieg der Ärger in ihm hoch. Was sollte das? Nur weil er öfter Kritik übte, traute man ihm nicht mehr zu, eine aktive Rolle zu übernehmen? Er hatte nicht vor, sich auf einen Zuschauerplatz zu begeben.
»Warum soll Lerc denn nicht mitmachen«, schlug sich Jenka auf seine Seite. »Es gibt keinen vernünftigen Grund ihn abzulehnen. Er hilft uns aus der Klemme, da sollten wir ihn schon helfen lassen.«
Lerc war überrascht. Er war es nicht gewohnt, dass sich jemand auf seine Seite stellte. Und dann gerade Jenka, die sich sonst immer so passiv verhielt …
Anscheinend hatte jetzt niemand mehr etwas dagegen und Christer war wohl letztendlich auch froh, dass sich ein Ausweg gefunden hatte.
»Ich kann ja mit Big Kid noch mal alles durchsprechen«, meinte Lerc optimistisch. »Dann läuft die Sache schon.«
Wahrscheinlich grübelte Veila, warum gerade er sich gemeldet hatte. Tatsache war, er war erstens die dauernden Diskussionen leid und wollte wieder was tun und dann war er lediglich zu dem Schluss gekommen, dass er eh der Einzige war, der übrigblieb. Alle anderen hatten entweder eine andere Aufgabe oder konnten aus besonderen Gründen nicht dabei sein. Es hätte alles wieder umgestoßen werden müssen. Warum sollte man groß was ändern, wenn er einspringen konnte?
Der Rest des Treffens war dann nur noch Laberei und Lerc machte sich auf den Heimweg, nachdem er sich für den nächsten Tag mit Big Kid verabredet hatte. Mal sehen, was bei der Sache rauskommt, dachte er. Es kam diesmal wesentlich auf die Zusammenarbeit untereinander an. Und die Sache war zu ernsthaft, als dass sich jemand einen Schnitzer erlauben konnte. Er erinnerte sich kurz an den Streit vom letzten Mal, als er vorgeschlagen hatte, doch gleich so viel Gefangene wie möglich aus Bergotos rauszulassen. Die Gegenargumente gingen von »dazu haben wir keine Zeit« bis »wo sollen die denn alle hin?« und am Ende stand er allein da, ohne irgendwie von den Argumenten überzeugt zu sein. Gut, sie konnten keine Marken für alle herstellen, aber sicher machte sich jeder Gefangene Gedanken darüber, was er bei einer Befreiung unternehmen konnte. Und dies war eine großartige Möglichkeit, dadurch dass sie an geeignete Klamotten und den Krankenwagen rankamen. Nach der Diskussion hatte er sich trotzig aus allem Weiteren rausgehalten. Ein Fehler, wie er inzwischen eingesehen hatte. Auch daher ein Grund für seine Meldung als Ersatz für Big Kid.
Als weiteren Stoff zum Nachdenken für den verbleibenden Rest des Abends hatte er das Verhalten von Jenka. Ihre zwei Sätze hatten mehr zu bedeuten, als wenn Christer eine ganze Stunde redete. Jenka engagierte sich selten, wenn die Standpunkte klar waren und alles bereits mehrmals gesagt war. Es steckte also mehr dahinter. Und das Mehr konnte ein mehr an Sympathie für ihn sein. Hatte er etwas übersehen? Während seiner Streitereien mit Christer, dem Aufbau der Band und dem Grübeln über Veilas Verhalten war ihm vielleicht Naheliegendes entgangen. Lerc pfiff leise vor sich hin. Seine Zuneigung zu Jenka war so alt wie ihre Bekanntschaft und, wie er bisher angenommen hatte, ebenso hoffnungslos. Aber vielleicht könnte sich da jetzt was ändern …
We're only making plans for Nigel
Nigel just needs that helping hand
XTC - »Making Plans For Nigel«
2.
SPEEDY
Ich hatte natürlich furchtbar verrückte Sachen geträumt. Kein Wunder nach so einem Erlebnis. Als ich aufwachte, schien es wärmer geworden zu sein, ja ein wenig heiß sogar.
Ich schlug die Augen auf und dachte, ich würde immer noch träumen. Doch ich kriegte den Traum nicht weg. Das kahle Zimmer mit den weißen Wänden und der hohen Decke blieb bestehen. Langsam glaubte ich nicht mehr an einen Traum. Hatte man mich fortgebracht? Fort von Traumschwester und den anderen Dorfbewohnern?
Mit einem Schrei sprang ich auf. Nein, das war kein Alptraum mehr! Mein Rücken schmerzte ungeheuer und mein Magen knurrte erbärmlich. Teufel auch! Das war nicht mal mehr ein Zimmer!
Es erinnerte mich eher an die Knastzelle in der Geld-Stadt. Ein hartes, schmales Bett, Waschbecken, Gitterfenster.... Ich war mit einem Satz bei der Tür. Natürlich verschlossen! Man hatte mich in eine Art Nachthemd gesteckt und mir nichts gelassen. Nicht mal einen Spiegel gab es hier.
Alle möglichen Gedanken schossen mir durch den Kopf: das Dorf konnte überfallen worden sein oder jemand hatte mich entführt... Aber ich hatte davon nicht das Geringste gemerkt. Und mein Schlaf war normalerweise so leicht, dass ich bei einem ungewohnten Geräusch sofort aufwachte. Hatte man mich etwa betäubt? War ich deswegen so schlapp? Und Traumschwester, wo war Traumschwester?
Draußen war plötzlich ein eifriges Gerenne zu hören, ein Trampeln wie von schweren Stiefeln. Dann wurde die Tür aufgerissen, und zwei Typen mit angelegter MP stürmten herein. Ich brachte nur einen würgenden Laut hervor und tastete mich zum Bett zurück. Was mich entsetzte waren nicht nur die Bewaffnung und das Auftreten der Männer, sondern auch ihre Hautfarbe. Ihre dunkelbraunen Gesichter. Wo war ich da hineingeraten? Dunkelhäutige Menschen wurden schon seit langem in Neu-Ing nur noch absolut selten gesehen als Folge von sogenannten Säuberungen von Terroristen. Aber vielleicht war das in der Stammesrealität anders, obwohl mir dort auch bisher nur »Weiße« begegnet waren.
Es stellte sich heraus, dass die zwei nur als Geleitschutz dienten, denn Minuten später trat ein dritter Schwarzer auf. Etwas wuchtiger als die beiden ersten und mit einigen Orden dekoriert. Alle drei trugen hellrote Uniformen. Der dritte redete mich sofort barsch in einer Sprache an, die ich nicht verstand. Das schien ihm allerdings auch aufzufallen, denn er wechselte in ein nicht ganz astreines Neu-Ing.
»Ich habe die Ehre mit Mr.Spike Wallen?« spottete er.
Ich nickte betäubt.
»Gut, Sie haben wohl angenommen, wir würden Sie nicht identifizieren