Harras - Alles wird böse. Winfried Thamm

Harras - Alles wird böse - Winfried Thamm


Скачать книгу
damit du eine Startchance hast, dein Leben endlich alleine zu regeln. Wie du das hinkriegst, ist dann deine Sache. Was hältst du davon?“, schlug er sachlich vor und seine Hände waren klamm.

      „Henning“, sagte sie und ihr Blick begann zu schwimmen, „wenn du das tust, wenn du das schaffst, werde ich dir das nie vergessen.“

      Sie legte ihre warmen Hände auf seine kalten. Ihre Finger griffen ineinander. Er fühlte ihre trockene Wärme und traute sich nicht sich ihrer Berührung zu entziehen. Er wollte sie noch einmal spüren, für einen kleinen, letzten Moment.

      Sein Blick senkte sich von ihrem Gesicht hinab auf ihrer beider Hände, als er tonlos sagte: „Doch, vergiss es, vergiss mich, vergiss alles, es ist besser so.“

      Jetzt zog er seine Hände zurück, legte einen Zehneuroschein auf den Tisch für die Getränke, die beide nicht angerührt hatten, und stand auf.

      „Fühl dich eingeladen“, lächelte er traurig in ihre Augen.

      Im Aufstehen sagte sie: „Auch wenn wir uns nie mehr im Leben begegnen sollten, du bleibst für immer mein Freund.“

      Dann tat sie einen schnellen Schritt nach vorn, umarmte ihn, gab ihm einen Kuss auf den erstaunten Mund und war verschwunden.

      In den Sekunden des Abschieds surrte leise der Motorzug einer Spiegelreflexkamera mit Teleobjektiv in einer verborgenen Ecke des Lokals. Als der Mann die Kamera in sein Futteral schob, trug er ein süffisant-zufriedenes Lächeln im Gesicht.

      Erst als Henning längst die Kettwiger Straße entlanglief, auf dem Weg zu seinem Auto, spürte er die stillen Tränen seine Wangen hinunter laufen. Sie schmeckten nach Stasia.

      Kapitel 8

      Streit um eine Geschäftsidee

      „Oooch nee, meine Knochen“, stöhnte Henning, als er vom Schreibtisch aufstand und seine Glieder dehnte.

      „Tun deine Gebeine immer noch weh, alter Mann?“, erkundigte sich Walter.

      „Ja, aber nur, wenn ich stundenlang am Schreibtisch hocke, wie heute. Ich sollte immer mal zwischendurch ein paar Übungen machen. Ich sollte, ich sollte … Machen wir Schluss für heute. Ist eh schon spät genug.“

      Drei Wochen waren vergangen, dass er Stasia getroffen hatte. Er dachte nicht sehr oft an sie, aber er spürte sie wie im Hintergrund eines Bildes, versteckt in der Landschaft seines Unterbewusstseins. Im hellen Vordergrund standen als Motiv seine Familie und die Firma. In den letzten Wochen hatte er viel geackert, um wieder auf den aktuellen Stand zu kommen und die Beziehungen zu seinen Kunden zu intensivieren.

      Jetzt saßen Walter und Henning noch spät im Büro, um über die Akquirierung neuer Kunden zu reden.

      „Eins noch, dann können wir gehen: Von einem Bekannten habe ich gehört, dass eine große Drogerie-Kette ein neues Modul in ihre Ausbildung integriert hat, und zwar mit großem Erfolg. Sie schicken ihre Azubis zweimal in ihrer Ausbildungszeit in theaterpädagogische Seminare, jeweils für zwei Wochen. Da lernen sie Auftreten, also Präsenz und Umgang mit Menschen. Es baut ihr Selbstbewusstsein auf und sie sind dann geschickter in der Kommunikation mit den Kunden. Die Azubis sind total begeistert und kriegen einen besseren Draht zu ihrem Arbeitgeber, also die Identifikation mit ihrem Laden erhöht sich enorm. Das wäre doch was für uns, oder?“, begeisterte sich Walter.

      „Woher hast du denn so ’n Quatsch?“, wehrte Henning ab.

      „Der Sohn von ’nem Freund macht da gerade eine Ausbildung. Der ist Feuer und Flamme.“

      „Theater spielen für Azubis, Blödsinn. Und wer von uns hat davon Ahnung und könnte solche Seminare geben?“

      „Keiner, aber …“

      „,Sein oder nicht sein‘, das neue Shampoo fürs Toupet, ich schrei mich weg.“

      „Aber, lass mich ausreden, es gibt arbeitslose Theaterpädagogen wie Sand am Meer. Die würden bestimmt kostengünstig auf Honorarbasis arbeiten. Ich habe mich da schon erkundigt.“ Walters Vehemenz war nicht zu überhören.

      „Ach, du hast dich also schon erkundigt, ja? Vielleicht redest du erst mal mit mir, bevor du solche Alleingänge machst.“ Auch Henning war jetzt lauter geworden.

      „Jetzt hör aber auf zu spinnen. Ich kann ja wohl mal ein paar Infos einholen, ohne dass du gleich den Chef markierst. Alleingang, was für ’n Blödsinn. Ich habe hier monatelang den Laden geschmissen, als du krank warst. Habe ich da irgendwas versaubeutelt, dann sag’s!“, giftete Walter.

      „Nein, nein, ist ja schon gut. Wenn ich dich nicht hätte, Walter“, versuchte Henning einzulenken. „Und dass mit dem Alleingang meinte ich nicht so.“

      „Ach nein, wie meintest du es denn?“ Walter war wirklich gekränkt.

      „Lass uns da die Tage noch mal drüber reden. Ich bin müde, heute wird das nichts mehr mit uns beiden.“

      „Du bist manchmal so wenig risikofreudig, ja so altmodisch.“ Das saß.

      „Jetzt ist aber gut. Schönen Feierabend, Walter“, verabschiedete sich Henning wenig freundlich.

      Als Henning zu Hause ankam, erzählte er Helen ziemlich abfällig von Walters Idee.

      „Aber das klingt doch gar nicht so dumm. Als ihr mit diesen Entspannungsübungen angefangen habt, warst du erst auch nicht begeistert, hast dich richtig überreden lassen müssen von eurer Yoga-Maus.“

      „Jetzt fängst du auch noch an. Ich habe zehn Stunden im Büro gehockt und geschuftet. Ich bin total kaputt und gehe jetzt schlafen, gute Nacht.“

      Langsam und missmutig stieg er die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Helen blieb im Wohnzimmer mit einem Buch und einem Glas Wein. Das hatte er eigentlich auch vorgehabt. Seine Beine taten ihm weh, wie lange nicht mehr.

      Als er im Bett lag, konnte er nicht einschlafen. Wenn sein Leben eine Landschaft wäre, so tat Stasia jetzt einen Schritt aus dem Hintergrund nach vorn. Ihr Körper blieb im Schatten, doch er sah ihr schönes, junges Gesicht im diffusen Licht eines neuen Tages.

      Henning starrte ins Dunkel. Ich bin einsam, dachte er.

      Kapitel 9

       Mails

      Von: H. Wennemann: [email protected]

      An: H. J. Stelzer: [email protected]

      stasia hat sich bei mir gemeldet, wollte mich unbedingt sehen, fühlt sich von dir mies behandelt, weil du ihr die wohnung kündigen willst. was läuft da?

      Von: H. J. Stelzer: [email protected]

      An: H. Wennmann: [email protected]

      habe nur deine bitte erfüllt und jeglichen kontakt abgebrochen. das mit der wohnung gehört eben dazu.

      Von: H. Wennemann: [email protected]

      An: H. J. Stelzer: [email protected]

      musste das sein?

      Von: H. J. Stelzer: [email protected]

      An: H. Wennemann: [email protected]

      ja!

      Von: H. Wennemann: [email protected]

      An: H. J. Stelzer: [email protected]

      du weißt, ich habe noch einiges gut bei dir. wenn du ihr die wohnung überschreibst und sie mit weiteren delikaten aufträgen verschonst, sind wir quitt. schenke ihr die wohnung und lass sie in ruhe. dann sind wir wieder auf augenhöhe.

      Von: H. J. Stelzer: [email protected]

      An: H. Wennemann: [email protected]

      weißt du, was du da von mir verlangst? das ist eine sache zwischen mir und ihr. das ist nicht fair!


Скачать книгу