Die Poesie des Biers. Jürgen Roth

Die Poesie des Biers - Jürgen Roth


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aus döm Willibecher!«

      Draußen, im und auf dem besagten Felde, herkulisiert Kohl schon als Jugendlicher schwerbehammelt herum. »Im Zeichen der europäischen Aufbruchstimmung reißt er mit Gleichgesinnten deutsch-französische Grenzpfähle nieder« (Henscheid), welche er späterhin gar in Richtung Rußland zerquetscht, den wiedererstandenen deutschen Staat aus den archimedischen Angeln zu zerren. Mit Kraft und Geschick, abermals. Und um das Bier gegen die Wodkawelle und -schwemme zu verbannen. Zu verteidigen.

      »Manchmal«, wispert das treue Fernsehen, »gleicht er einem Raubvogel«, der sich Parteigelichter schnappt, manchmal humort er bloß bei III nach 9 herum, der Selbstsicherheit eichendeutsch anvertraut, daß ihn »Niederlagen stärken«. (Wenn er sich hinterher stärken kann – bei Bier, Busen und Bambulalerang.)

      Das Hinterland feiert ihn längst. »In den Dörfern der Vorderpfalz wartet man ohne Murren auf das Erscheinen des großen Gastes«, ächzt eine Reportage aus dem Jahr 1976, und keine neun Jahre später weiß man: »Helmut Kohl – unser Kanzler für eine Zukunft mit menschlichem Gesicht« – das indes bereits ein wenig gerötet dreinbrumst.

      Welches der stern 2000 dann als porentiefe, schier poröse Landschaft für den bekannten Titel, ob er, Kohl, noch normal ticke, ausschnitt.

      Was verfängt’s, ts, ts, wisperte dazumal überdies Kohl und bölkte ein Sixpack Mayer Premium nieder, Kanzlerei ist ein schwieriges Geschäft. Sehr ahnend und sich selbst und irgendwie eventuell zur Vorsicht ermahnend, bekannte er denn den Kameras: »Dies ist ein Amt, das voller Schrecken, voller Eiseskälte der Distanz ist«, gedenkend der eichendorffischen Tage der Bubenprügel, der Bindenkipperei und des familiären Dreiradfahrens. Die ewige Presse, die nörgelnde Journaille wies Kohl zu dieser Stunde souverän bereits ab und fauchte Fragende vollfreihals an: »Zu was?« Und blökte magenbittergrimmig 1998: »Kamera läuft, um diesen Schafskäse abzusetzen.«

      Eben drum fällten ihn, Kohl, nicht die 1991er Hallenser Chöre »Lügner! Lügner!« und nicht die da genau fünfzehn Jahre zurückliegenden CSU-Abspaltungsbeschlüsse eines Strauß, der keine zehn Halbe vertrug: »Wir sind nicht in einer Partei und einer Gemeinschaft von Sterndeutern. Wir sind unter aufrechten Männern und Frauen, wir lieben eine klare Sprache, wir lieben ein klares Bier, und wir lieben die Wahrheit in der Auseinandersetzung«, sprach Kohl gen Wildbad Kreuth, was hinwieder den Ex-SWF-Bonnkorrespondenten Wolfgang Wiedenmeyer in seinem Urteil bestärkte: »Er ist in der CDU so tief verwurzelt, daß er immer Bescheid weiß, wenn sich gegen ihn etwas zusammenbraut. Deswegen hat er alle seine Gegner im Grunde genommen gekillt, ehe die gegen ihn Front gemacht und ihn gekillt haben.«

      Killing and kissing, dieses arabische Stichwort des P. Scholli-Latour meint doch: nach oben getrunken! Schäuble, Wolfgang (Baden-Württemberg) gesteht 1999: »Wie sind stolz auf unseren Ehrenvorsitzenden«, erinnernd an und ehrend dessen 1970er Credo: »Ich will, wenn ich anpacke, selbst anpacken, die Maid, das Amt, den Henkel(l).« Er, Kohl, »weiß«, plaudert derselbe aus, »ganz genau, wohin der Weg geht«, so daß des zeitweiligen Parteivorsitzenden Bruder Thomas Schäuble am 18. Februar 2000 labert: »Ich verabscheue Herrn Kohl, und da kann ich für die ganze Familie sprechen.«

      So reden (und denken!) Weintrinker … Schäuble stützte den Kohl nach seiner Niederlage 1976 und »hat damals alles getan, daß Kohl vorankam« (Th. Schäuble), und er selbst bereinigt die Geschichte via Phoenix (Schäubles Fall, 2000) im bedeutenden Jahr 2000: »Mir schien es damals richtig […], die Verantwortung nicht einzelnen in der Wirtschaft anzulasten, die dann zum Teil in für sie subjektiv sehr schwer nachvollziehbare Strafprozesse verstrickt worden sind, sondern die Verantwortung der Politik durch die Politik zu übernehmen, was ja auf deutsch hieß: durch eine Amnestiegesetzgebung zu sagen, das war nicht die Schuld derjenigen. Sondern die Schuld liegt bei anderen. Das ist gescheitert.«

      So Wolfgang zu 1984. Da war was gewesen. Parteispenden, die die Grenze von 20.000 Mark überschritten, schwätzte ehedem ein Bundesverfassungsgerichtsurteil, müßten öffentlich ausgewiesen sein und versteuerten Einkommen entstammen. Nix di. Eine »Flut von Tarn-Organisationen« (Spiegel 33/1999), »an die steuerfrei gestiftet werden konnte – in jeder Höhe und ohne Namensnennung«, schäumte unterm Schutz des mittlerweile gestaltgewordenen Kohlmachthaushaltes derart riesenhaft, daß alles »ging«. Kanzlerabgesegnet. Eberhard von Brauchitschs Erinnerungen Der Preis des Schweigens – Erfahrungen eines Unternehmers (Berlin 1999) scherzen: »Die sogenannte Spendenaffäre war in Wahrheit eine ›Schutzgeldaffäre‹«, denn selbst die Flick KG habe lediglich gelöhnt, »um sich vor Repressionen in Form wirtschaftsfeindlicher Politik zu schützen und die Riesenbierrechnungen beim Mayer absetzen zu können«.

      Hier ein letztes, eventuell monumentales Mal fuhrwerkte Kaiser-Bräu-Kohl durch die Landschaft, daß es, »Mafiamethoden, Erpressung, Steuer-Schraubzwingen« inklusive, eine penible Pfälzer Art besaß. Brauchitsch beschwerte sich, Parteien könnten nicht richtig »an der Meinungsbildung mitwirken«, und wanderte in den Steuerhinterzieherknast des Zürcher Exils. Von dort pöbelte er den »Ja-Sager Schäuble« an und möhrte wider den »Schatten Helmut Kohl«, der im allgemeinen Chaos des »Bargeld-Pornos und Biergemoppels« (H. Böll) lichtgescheit die ungescheite Managerexistenz in die Flucht jagte.

      Kohl est it. Bier brumm sum.

      Brauchitsch, teilte uns Christian Semler (taz, 1. April 2000) mit, hatte seine Schwierigkeiten, »Politiker zu erpressen«. Die Nudel hielt fortan »Distanz« zum »Braumeister« und wartete, bis der Gerstenreiche ihr/ihm einen Posten im sächsischen Bierrevier zuschanzte. Semler: »Als er den jugendlichen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz vor mehr als dreißig Jahren kennenlernte, anläßlich einer Großinvestition von Eichbaum im pfälzischen Wörth, sah er sofort, daß hier ein Rohdiamant funkelte«, und der furunkelte fürderhin finster fort, als ein »noch etwas ungeschliffener Volkstribun« und demnächst antikischer Weltenlenker und Gebieter.

      Die Summe des Systems Kohl liegt wohl auch in solchen perfekten Erfahrungen begründet. »Schon beim ersten Hausbesuch bei von Brauchitsch beharrte der sichtlich bierfidele Kohl darauf, die dortigen Bilder umzuhängen«, und jener sekundäre Gestaltungswille, gründend in, in summsa, Henningerästhetik und Licheraufklärung, schlug sich nieder in Couvertbewegungen (»wg. Kohl 30.000«) nach Blüchers Motto: »Draufschlagen!« (Auf den Deckel. Is’ doch eh schon Bohne!)

      Also mehr Geld draufschlagen.

      Das Br. folgsam draufschlug, »selbst wenn die Präferenzen des alten Flick und seines Sohnes Friedrich Karl eher Franz Josef Strauß galten« (Semler), den Kohl bereits leichter Hand weitsichtig weggeböllert hatte.

      »Wird«, unkte Semler, »mit dem Adlatus Schäuble auch sein ehemaliger Meister doch noch vor die Schranken des Strafgerichts zitiert werden, ganz so, wie es von Brauchitsch widerfuhr? Das wäre das letzte Kapitel ihrer Freundschaft.«

      »Die Nummer eins muß man möglichst unbeschädigt in solchen Situationen halten. Das war immer mein Anliegen.« (W. Schäuble)

      War. War, war, war.

      Und Kohl macht und lacht weiter, an den blütengelben Stränden Oggersheims. Brobst!

      Wrba contra Rehse

      Eins. Zwei. Drei. Vier. / Vater braucht ein Bier. / Vier. Drei.

      Zwei. Eins. / Mutter braucht keins.

      Bertolt Brecht: »Liedchen aus alter Zeit«

      Während es da hinten, etwas erhöht gelegen, in den Gerätschaften, die nicht unerheblich zum Glück der Menschheit beitragen, brodelt und gärt, hocken hier unten, auf der Eckbank in der Brauküche, der Brauer Wrba und sein Knecht Rehse und erzählen, wie man braut und wie man an diese teuflischen Kessel und Bottiche herankommt.

      Meister Wrba kaut auf einem Käsebrot herum, Knecht Rehse steht auf, füllt die Gläser und setzt sich wieder. Meister Wrba entflammt eine Zigarette und kommt nebenbei auf diese Malzsackmalaise zu sprechen. Er, der Knecht, habe doch tatsächlich die falschen Säcke mit zur Mälzerei genommen, diese wunderbaren Privatsäcke, und jetzt seien die unwiderruflich verschwunden.

      Nichts


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