Die Poesie des Biers. Jürgen Roth

Die Poesie des Biers - Jürgen Roth


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      Heißt was?

      Über das Thema der Daseinsbewältigung sei vorderhand stark, streng und bei einem Glas Bier nachzudenken. Ist eine positive Antwort im Sinne des Thomas von Aquinarius und darob hinsichtlich der tatkräftigen Fortsetzung der Lebensführung gefunden, schreite man voran und kaufe sich sechzehn neue Deep-Purple-Platten. Prodesse et delectare.

      Danach lösche man alle Motorradmotorsport- und Videoportalfavoriten in seinem Internetexplorer. Dann kehre man sein Arbeitszimmer. Man mache obendrein alle Redaktionen/Geschäftsführungen jener Zeitungen/ Zeitschriften zur Sau, die (Freitag, Schwarzwälder Bote et alii) auch nach der vierzehnten Zahlungsaufforderung keine Honorare überweisen wollen.

      Man grüße indes fürderhin die Bekannten auf der Straße.

      Man schicke großen Leuten, die das eigene Dasein im abgelatschten Jahre ’07 durch ihre Anwesenheit, ihre Freundlichkeit und ihre Genialität (nur so oder auf einer gemeinsam geteilten Lesebühne) ab und an in einen luziden Punktualrausch zu verwandeln vermochten, pro Monat einen Gruß und eine Bierflasche ihrer Wahl. Also Manni Breuckmann, Hans Well, Stefan Gärtner, Horst Tomayer, Michl Gölling, F. W. Bernstein, Gerhard Polt. Und noch einigen.

      Man fasse den Beschluß, die Frauen noch mehr zu adorieren und zu lieben (besonders diese eine).

      Man lege, auf daß es wieder recht rund in der Rübe rattern möge, eine Liste mit Beleidigungen und Flüchen an, mit deren Hilfe man proper gerüstet in jeden Tag des Jahres 2008 wird einzusteigen vermögen. Westerwelle, Mehdorn, das Dreckspack aus dem Fernsehen en bloc, das Kapital, das Kerner im speziellen, sie stehen – als Adressaten – sicher alle drauf. Und noch ein paar mehr.

      Man fahre in die Eifel und bewundere sie.

      Man ehre die Eltern.

      Man wünsche den Freunden, denen das Leben mit dem Eispickel zusetzt (Andreas, Guido!), alles, was man wünschen kann.

      Man nehme sich vor, nicht nachzugeben. Man sei sorgsam und ausschweifend. Man drehe seine Zigaretten mit Andacht und rauche sie frohgemut. Man hoffe, daß die Courage nicht schwinde. Man danke. Man trinke ein Bier.

      Man schreibe endlich mal diese kreuzverfickte Reportage über Mosambik. Und die über Dortmund auch.

      Man esse Bohnen.

      Man überlege, was noch zu erledigen sei. Mal wieder zehn Bahnen schwimmen? Gebongt. Weniger wuxln? Frage gestrichen.

      Weniger Klage führen, mehr Heinz-Sauer-Platten kaufen? Das ja. Weniger fernsehen, mehr Fernseher zu Klump hauen? Na gut. Seltener den Lieblingswirt Apollo beschimpfen, öfter mal ein Bier mehr bei ihm …

      Nein, man, man, man – schaue einfach geflissentlich sich um, welche Chancen, Herausforderungen und Versprechen einem 2008, das Jahr des Daseins, zu Füßen zu legen sich anschickt, denn eins is’ mal klar: Der Megatrend der Daseinsbewältigung 2008 heißt:

      Och, hab’ ich grade vergessen.

      Das heilige Viereck

      Er habe, las ich in Thomas Kapielskis Buch Weltgunst (Berlin 2004), das Frühjahr 2002 u. a. damit hingebracht, den Blättern beim Wachsen zuzusehen. »Fernerhin«, erzählt Kapielski, »habe ich mich über Wochen an einer funktionierenden Deutschfassung der SATOR-Formel versucht; die ebenmäßigste war, wie bei den Blumen, zugleich auch die einfältigste:

      A U A

      U H U

      A U A«

      Um die gerade in Betrieb befindliche, begeisternde Jahreszeit auszukontern, hab’ ich mich dann, weil man auch mal was Sinnvolleres tun soll, als immerzu zu lesen, in eine Gastwirtschaft in der Nachbarschaft verdrückt und den Kollegen Tetzlaff dorthin bestellt, damit wir vom Tresen aus in den Regen gucken und den Blättern beim Fallen zuschauen konnten.

      Das war uns aber auf die Dauer zu interessant. Daher schlug ich vor, ein paar SATOR-Formeln zu basteln. Die berühmte SATOR-Formel »SATOR ARE-PO TENET OPERA ROTAS« stammt mutmaßlich aus dem 1. Jahrhundert und ist ein Satzpalindrom in Quadratform, das horizontal, vertikal, vorwärts und rückwärts gleich gelesen werden kann:

      S A T O R

      A R E P O

      T E N E T

      O P E R A

      R O T A S

      Was das SATOR-Quadrat, das eine Art magische Funktion besessen haben mag, bedeutet, ist umstritten. »Der Schöpfer (sator) lenkt (tenet) verborgen (arepo) die Räder (rotas) der Welt (opera)«? Oder »PA-TER NOSTER A O«, Vater unser, von Alpha bis Omega, vom Anfang bis zum Ende?

      Herrn Tetzlaff war das egal. Er fing flott an und legte mit

      O M A

      M A O

      A O K

      einen respektablen Klotz vor, der renten-, welt- und gesundheitspolitische Aspekte in sich vereinigte – obwohl die Wörter nur vorwärts, vertikal und horizontal, aber nicht rückwärts gleich zu lesen und deshalb keine Palindrome waren.

      »So ganz stimmt’s nicht«, wandte ich ein. »Mir doch wurst«, entgegnete Herr Tetzlaff. »Wer braucht heute noch Palindrome? Die Scheiße ist auch so schon schwer genug.« Und schon hatte er den nächsten Hammer aufs Papier gezaubert:

      I C H

      C D U

      H U T

      »Hut, Tuh«, sagte ich. »Gut, begnügen wir uns mit der entschärften Variante. Ich – du – CDU, schön. Bloß, was hast du und was hab’ ich mit der CDU am Hut?« – »Bitte …«, Herr Tetzlaff griff zum Kuli, »immer haste was zu meckern. Nimm dies!«

      Ich las:

      S P D

      P D S

      D S F

      Das war natürlich nicht von schlechten Eltern und ziemlich gut gegeben. Ich spendierte Herrn Tetzlaff ein Bier und versuchte mich, um ihm den Schneid abzukaufen, an einem etwas heikleren Begriff. Heraus kam folgendes:

      L I E B E

      I N S E L

      E S S E N

      B E E R E

      E L N – –

      »Blödmann«, sagte Herr Tetzlaff, »›Liebe‹, ts, ts. Wie wär’s mit ›Frau‹, hä?« – »Ja klar. Und wie?« fragte ich. »So«, sagte Herr Tetzlaff:

      F R A U

      R O S T

      A S T A

      U T A H

      Um mir den Rest zu geben, erledigte Herr Tetzlaff anschließend das Thema »Gott« durch

      G O T T

      O D E R

      T E S A

      T R A N

      – und rundete den erkenntnistheoretischen Teil des Treffens mit unserem neuen heiligen Viereck ab:

      B I E R

      I N R I

      E R S T

      R I T T

      Dann stierten wir in den Regen und schwiegen, wie es sich gehört.

      Kleine psychosoziale Biertypologie

      Startbier

      Vierundzwanzig Grad Celsius Außentemperatur. Am Himmel halten ein paar katzenkleine Schäfchenwolken Mittagsschlaf. Die Sonne blinzelt uns neckend zu, ihr Licht streift durch die Kronen der Bäume, durch die Büsche und Blumenstauden und legt sich in aller behaglichen Ruhe und Stille in Streifen, Kreisen und Klecksen auf der Wiese nieder.

      Da kommt es – das Startbier. Man sitzt zu viert,


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