Die Poesie des Biers. Jürgen Roth

Die Poesie des Biers - Jürgen Roth


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das Marginalbier, welches andernorts zu erörtern wäre.)

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      Pufferbier

      Schützt vor extremistische Folgen zeitigenden, soziopositivistisch gesehen desaströsen Ausfällen gegen die Sack- und Sabbergesichtigkeit der sau- und schweinemäßigen Verbandelungssozialentropiebrotzklotzhaftigkeit höherer Gesellschaftsniedergruppierungen (Ackermann, Adel, Angela M.) im Sinne einer alsbald schlammschlappen Einschläferungsschwerigkeit des akut in solchen Verhältnissen aufhältigen »Einzelindividuums« (Gerhard Polt), das aus Weisheit Bier trinkt.

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      Fremdbier

      Ein hergelaufenes Bier. Von niemandem geordert. Ist auf einmal da. Nicht gewollt, nicht erkiest. Wie der Sozialdemokrat am Krummgurkenbiegetisch im Ludwigshafener Wolf-Biermann-Kulturkinderheim. Was hat er, was hat es, das Fremdbier, hier verloren?

      Die Wege des Herrn sind verworren und dappert, doch auf allem ruht Segen.

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      Fahrbier

      Rasch müssen wir nach München. Mit dem Automobil. Wir haben etwelche Überbiere in uns und können weder recht Farben sehen noch unseren Namen als Palindrom aussprechen.

      Da greifen wir zum Fahrbier, das uns mephistophelische Abilitäten injiziert. Zwischen Würzburg und Nürnberg werden wir, frohbefeuert Rockmusik mitgrölend und mit rechtem Betonfuß ausgestattet, auf dreißig Kilometern dreimal abgelichtet und hernach blitzsauber ins Flensburger Pilsenerphotographiearchiv eingeliefert.

      Wir reichen das bei der Künstlersozialkasse ein.

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      Bestätigungs- und Beglaubigungsbier

      Der Japaner ist zum Biertrinken nicht fähig. Deshalb schnallt er auch gar nichts vom Bestätigungs- und Beglaubigungsbier, das wir verehren wollen.

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      Unterhaltungsbier/Sozialbier

      Siehe Startbier.

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       Zugabenbier

      Noch eins? Nein, zur Frau, der unermeßlich schönen und geliebten.

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      Finalbier

      Versteht sich von selbst. Trinkt sich auch wie von selbst, meist bei abgeschaltetem Hirn (sogenanntes subjektloses Trinken, seit Ausbruch der Postmoderne und auf Grund der durch sie epidemisch gewordenen zerebralen Aufschäumungen unter Akademikern und anderweitigen Arschlöchern beliebt und verbreitet). Das Finalbier vermag sich daher leicht zu multiplizieren, kann »mithin« (Finalbiertrinker) in mehrere Finalbiere mutieren. Wie viele Finalbiere »es dann noch waren«, weiß der gründlich finalisierte, das heißt komplett fertige Trinker am nächsten Morgen naturgemäß meist nicht mehr. Es empfiehlt sich ein Teetag. Nun ja, bedingt.

      Bohlens Bier (im Kontext)

      Wer meint, der umsichtig inszenierte sogenannte Skandal rund um Martin Walsers sogenannten Reich-Ranicki-Schlüsselroman sei das sogenannte Buch- und Kulturereignis des vergangenen Jahres gewesen, der irrt. Er irrt, weil Irren nicht nur allzumenschlich ist, sondern auch schlicht aus Unkenntnis erwächst, oft sogar aus Faulheit und Feigheit, den – laut Immanuel Kant – beiden Kardinaluntugenden des Unaufgeklärten.

      Das skandalproduzierende Walser-Feuilleton von der FAZ bis zur Zeit und die in ihm beschäftigten Literaturexperten hatten mutmaßlich wochenlang genug damit zu tun, über Walsers Tod eines Kritikers und dessen Implikationen zu debattieren. Gleichwohl ist unentschuldbar, daß diese aufgeklärten Frauen und Männer weder jenes Buch lasen, das mit 500.000 verkauften Exemplaren zum Topseller des Jahres 2002 avancierte, noch die begleitende Enthüllungs- und Aufstachelungspresse von Bild bis Gala zur Kenntnis nahmen, aus Dünkel vielleicht, sehr wahrscheinlich aber aus Feigheit und Faulheit.

      Im Zentrum der Quasselgemeinde Bundesrepublik Deutschland jedenfalls tobte seit der Buchmesse, auf der Dieter Bohlens gemeinsam mit der Bild-Zeitungs-Chefredakteursgattin Katja Keßler verantwortetes Memoirenmachwerk Nichts als die Wahrheit (München 2002) präsentiert worden war, ein wahrer Deutungskrieg um die literarische Qualität der Bohlen-Beichte und um die juristische Brisanz bestimmter Passagen und »Stellen«.

      Wenigstens die seriöse Frankfurter Rundschau kürte den so steinreichen wie blonden Musikproduzenten darob zum »ewigen Bohlen«, und die Bunte, das unmöglichste aller Peoplemagazine, das Karl Kraus in den fugendichten Wahnsinn getrieben hätte, stammelte: »Unglaublich, was der Popstar über seine Frauen erzählt.«

      Ja, unglaublich war das. Einen »Aufstand gegen Bohlen« beschwor die Gala (44/2002) deshalb herauf, zimmerte die das ganze verbale Entblößungsgerammel konzis an den Leser herantragende Überschrift »Die Rache der Enthüllten« zusammen, lobte die erkenntnistheoretische oder wohl doch -praktische Brillanz des Buchbalgs wegen der »von Einsteinscher Genialität durchwehten Formel fürs Männerglück (Kohle = Frauen = Autos)« – Frauen gleich Autos, ist das wahr? Oder in umgekehrter Relation? – und stemmte zudem den wegweisenden Unterleibsopener: »Vielleicht hat er die Latte einfach etwas zu hoch gelegt.«

      Verglichen mit der artistisch-stilistischen Maßstabslatte, die Walsers Tod eines Kritikers vorgelegt hatte, lag Bohlens Latte, ohne daß es die für Literatur zuständigen Feuilletons bemerkt hatten, tatsächlich hoch. Wer ein Liebhaber der verrutschten Formulierung, des schönschäbigen Bildes, des ächzenden Vergleichs, der vermurksten Redewendung ist, kam bei Bohlen auf seine Kosten. »Ich hatte schon damals, was mich heute auszeichnet: eine halbe Wassermelone auf den Schultern«, steht im Kapitel über die Kindheit, und bereits in der Pubertät leuchtete dem Dieter die Relativität aller Erkenntnis als gleichsam modernes wahrheitstheoretisches Axiom heim oder auch ein – jenseits der gängigen Grammatik: »Anscheinend gibt es verschiedene Wahrheiten: welche, die man sagen darf, und welche, die man für sich behält. Ich habe bis heute nicht begriffen, welche welche ist.«

      Vielleicht aus diesem dualen Zustand der Naivität und der Weisheit heraus vermochte Bohlen seiner Ghostwriterklatschtante Kati Keßler einen Kessel Knallbuntes aufzutischen, in dem noch den letzten Walser und den vorletzten Grass überdauernde Satzkunststücke herumtollen: »Ich glaube: Wäre ich mir selbst begegnet, ich hätte mir nicht hallo gesagt.« Oder: »Wie ein Wahnsinniger düste ich Richtung Eppendorf, um Naddel einzutüten.«

      Daß Naddel leider, wie Bohlen schmerzlich gesteht, »was Tiefgang und innere Reflexion anbelangt, platt wie eine Flunder« war, soll seinen eigenen inneren Reflexionstiefgang nicht schmälern; noch kann es das. Und den unsrigen erst recht nicht. Angesichts der Ankündigung, es werde im neuen Jahr eine Fortsetzung von Nichts als die Wahrheit erscheinen – nicht mehr im mit Springer assoziierten Heyne Verlag, sondern bei der Bertelsmann-Tochter Random House, und zwar unter dem Arbeitstitel Hinter den Kulissen –, dürfen wir daher Bohlens Lebensreflexions- und Formulierungskünsten, bevor womöglich alles in die Hose geht, mal kurz aufs Pferd helfen.

      Was also kann da kommen? Gemessen an einem Bekenntnis wie »Ich fuhr mit zweihundertfünfzig Sachen über den Standstreifen, das Blut lief mir aus der Hose« nicht viel. Dennoch wäre wünschenswert, daß Bohlen vor allem in Sachen Feldbusch nachlegt, zum Beispiel mit folgender, hier und jetzt zur Welturaufführung gelangender zweiter Folge der Saga »Das bekannteste Bekloppten-Paar Deutschlands«:

      »Verona saß auf der sündhaft teuren Ledercouch in unserem Alsterappartement. Ich hatte sowieso schon wieder die totale Portemonnaieparanoia, die hatte ich ja schon immer, die Angst, Geld und Besitz zu verlieren. Verona saugte an ihrer Lulle, und die Asche fiel einfach so auf das Sofa. Ich dachte, ich krieg’ die Krise. Also schrei’ ich sie voll an. So einen Megaanschiß hatte sie noch nie gekriegt. Das mußte einfach raus. Dabei guckte ich sie plötzlich so an und sah, daß ihre Duddeln so hochgequetscht waren wie zwei Knödel. Schade, dachte ich, daß ich meine Gabel nicht dabei hatte. Da war der Ärger kurz verraucht. Bei Gabel mußte ich aber auch gleich wieder daran denken, daß Verona nicht nur ein bißchen


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