Backstagepass. Peter O. Bischoff
hatte meine Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel bei Herlitz mit Ach und Krach abgeschlossen und noch ein halbes Jahr in meiner Lehrstelle verbracht, als es mich drängte, endlich auch mal was anderes zu tun. Neben der Band fuhr ich fortan Parfüm durch Berlin und hörte dabei Musik auf AFN.
Iggy Pop – Hochschule Der Künste Berlin 1977
Der US Sender brachte ‛ne Menge Pop & Soul, und ich verbesserte ganz nebenbei meine Englischkenntnisse. Die Lektüre von Melody Maker und New Musical Express bereicherte zudem mein Wissen um die Musikbranche. Deshalb bezeichnete man mich wohl damals schon als wandelndes Rocklexikon.
Apropos Rocklexikon: Mal nachschlagen bei Fela Kuti
Mein Bandkollege Uli rief an, hatte einen interessanten Job für mich. Fela Kuti und Ginger Baker sollten abends zusammen in der Berliner Philharmonie auftreten. Am Nachmittag gab es eine Presseparty in Joes Bierhaus und ich durfte die Fotos machen.
Fela Kuti
Der Nigerianische Afrobeat Superstar kam mit großem Gefolge. Er hatte, schätze ich, 27 Frauen dabei plus Nachkommenschaft und sonstige Verwandte. Ginger erschien ohne Verwandschaft und selber auch nicht. Er spielte abends auch nicht wie angekündigt mit Fela, sondern vor ihm. Da hatte es wohl Stress zwischen den beiden gegeben. Ginger begann mit einem langen Drum-Solo, ich fotografierte ihn dabei und später auch Fela mit Band und Tänzerinnen.
Ginger hatte ich in den 80ern für die Fabrik mit der neuen Band Energy engagiert. Er verschwand nach einer Stunde Spiel mit seinen Leuten von der Bühne. Und harrte in der Garderobe der Zugaberufe. Nichts zu hören. Das Publikum meinte wohl, dass Pause sei. Man ging zum Tresen, um Getränke zu bestellen und wartete danach geduldig. In der Garderobe verklickerte ich Ginger das Missverständnis. Nach dreißig Minuten wurde das Konzert fortgesetzt. Uneingeladen kam dann die Polizei, die wegen der Lautstärke von aufgebrachten Nachbarn alarmiert worden war. Gottseidank konnte ich die Beamten gerade noch überzeugen, nicht einzuschreiten. Das Konzert sei ohnehin gleich zu Ende.
Ginger Baker – Berlin Philharmonie 1978
Konzerte blieben ein wichtiger Teil meiner Freizeit. Leider fehlte mir oft das Geld dafür und ich konnte mir z.B. Led Zeppelin nicht leisten. Bei anderen Konzerten versuchte ich, mich rein zu mogeln.
Als ich bei anderer Gelegenheit wieder mal abgebrannt vor dem Bühneneingang der Deutschlandhalle herumlungerte, um irgendwie umsonst rein ins Konzert zu kommen, haute mich ein Typ um einen Job an. Als ich ihn fragte, wieso er ausgerechnet mich um einen Job fragte, sagte er, ich würde so aussehen als wäre ich hier für so was zuständig. Da ahnte ich noch nicht, dass mir eine glänzende Karriere als Konzertveranstalter in Hamburg winkte.
Don‘t Be Cruel (Elvis)
Im Peter Jahnel Musik Shop war ich als Aushilfe beschäftigt. Ich half im Verkauf oder sortierte Ware in die Regale. Ich hatte einen VW-Bus, fuhr zur Metro oder holte Pakete von der Post ab. Einmal fand eine Produktpräsentation einer Gitarrenverstärkerfirma statt. Mit dem Elvis Presley-Gitarristen James Burton. Ich war wenig beeindruckt, weil Elvis mich nie interessiert hatte und den Gitarristen kannte ich auch nicht. Danach bei der Session, setzte ich mich ans Schlagzeug und spielte mit. Mit meiner Spielpraxis war‘s nicht so doll, und so wurde ich bald ausgetauscht. Immerhin hatte ich mal mit James Burton gespielt. Interessant, nicht?
Interessanter aber waren die Gespräche mit dem Techniker im Laden, Bernd Koschmidder, ehemals Bassist bei Birth Control.
Peter Jahnel und Bernd Koschmidder
Silver Machine (Hawkwind)
Silver Machine war der Hit der englischen Psychedelic Band Hawkwind. Ich genoss sie 1973 im Amsterdamer Paradiso. Ein langhaariges Mädchen saß im Schneidersitz auf der Bühne und baute einen imaginären Riesenjoint, den sie dann auch später theatralisch rauchte. Am Bass Lemmy Kilmister, der später bekanntlich Motörhead gründen sollte. Wir waren nachmittags aus Berlin gekommen und hatten unser Zelt in der Nähe von Amsterdam, in Alkmaar, auf einem Zeltplatz errichtet. Wer aber stammt ursprünglich aus Alkmaar? Rudolf Wijbrand Kesselaar, besser bekannt als Rudi Carrell.
Beim Bob Dylan-Konzert kam ich auch irgendwie so rein:
Blowing In The Wind (Bob Dylan)
Ich war mit ‘ner Freundin bei einem Bob Dylan-Konzert in der Deutschlandhalle, als sie Elvis Costello erspähte. Sie wollte ihn gleich fotografieren, aber Costello verwies sie an seinen Manager, der sie mit den Worten: „I‘m busy!“ abwies. Dabei zerriss er seine Eintrittskarte in zig kleine Schnipsel, drehte sich und verschwand in der Menge. Arroganter Sack.
Meine erste Single war Cadillac von The Renegades „My baby grew up in a brandnew ... Cadillac!“ Ich wollte eigentlich „Poor Boy“ von den Lords, aber die war in dem kleinen Plattengeschäft am Innsbrucker Platz in Friedenau ausverkauft. Das war so ‘n Geschäft, wo man am Tresen mit einem einzigen Hörer direkt vom Plattenspieler reinhören konnte in die Musik. Eine Single kostete damals fünf Mark.
Viel Geld für einen Schüler. Da musstest du lange sparen, bei ‘nem Taschengeld von 5,- Märkern die Woche. Wenn man außerdem noch ins Kino wollte und ab und zu Prickel Pit oder Mr.Tom naschen...
Einen eigenen Plattenspieler besaß ich da natürlich auch noch nicht; ich durfte die fette Musiktruhe meiner Eltern benutzen. Deren Platten waren nicht so nach Sohnemanns Geschmack. Elvis mochte ich nicht, weil mein Vater den gut fand. Seiner Meinung nach war das Urwaldmusik, die ich mochte. Meine zweite Platte war „When I was young!“ von The Animals. Nachdem ich die Platte fünfmal hintereinander gehört hatte, rannte ich vier Treppen runter ziellos durch die Straßen. Ich wusste gar nicht, wohin mit mir und der ganzen Energie...
Später ging ich dann in einen Plattenladen mit Stereokabinen. Da hockte ich oft, hörte LPs von Deep Purple oder die Rolling Stones mit „Let it Bleed“. Oft war ich da mit einem Freund, nur um Musik zu hören. Ich kriegte als Lehrling monatlich 130,- Mark. Da verplemperte ich die Kohle meist doch lieber woanders.
Als ich eines abends auf dem Weg nach Hause war, taumelte Udo Jürgens mit Lord Knud aus der Kneipe nebenan. Udo lallte zu Knud: „Du musst mehr humpeln, sonst erkennt dich keiner.“ Lord Knud hatte bei einem Autounfall mit den Lords ein Bein verloren. Beide lachten und wankten an mir vorbei Richtung Kudamm. Ich glaube, nüchtern waren die nicht.
Zuerst hatte ich ein simples Tonbandgerät, um Musiksendungen im Radio aufzunehmen. Ein altes Grundiggerät, später dann eine Akai und dann ein Uher Report. Lange davor weckte ein Transistorradio mit Kurz- und Langwelle mein Interesse an Beatmusik. Da wurde nur Radio Luxemburg gehört. Oder die Schlager der Woche. Mit Götz Kronburger und Lord Knud als Moderatoren. Später SFBeat mit Wolfgang Kraesze, Rock over Rias, präsentiert von Burghard Rausch (Bel Ami) – kompetente Moderatoren. Keine Werbung. Das waren Leute, die die Musik liebten, die sie da spielten. Da wurde sogar das ellenlange „Tubular Bells“ von Mike Oldfield komplett gebracht. Mit dem Kofferradio ging ich im Sommer oft in den Park und drehte zur Freude der Hörgerätebenutzer richtig auf.
Dann der Beat Club von Radio Bremen und die Monkees-Serie am Samstagnachmittag im Ersten. Durfte man auf keinen Fall verpassen, denn Video kannte man noch nicht. Den ersten Betamax-Videorecorder kaufte ich Ende der 70er. Dieses Gerät hatte noch keinen Timer, man musste bei der Aufnahme stets dabei sein. Neben Musiksendungen nahm ich auch Spielfilme und Serien auf. 82 Folgen habe ich von der Muppetshow. Dann all die Rockpaläste. Mothers Finest, Mitch Ryder, Little Feat, ZZTop, besitze ich alles noch und die Tonbänder mit den LPs, den Musik-Radiosendungen der 70er. Die LP-Sammlung habe ich irgendwann komplett verkauft, da ist jetzt nur noch ein kleiner Restbestand mit persönlichen Erinnerungen – Weißmuster und Anpressungen. Und natürlich Kassetten mit Konzertmitschnitten von Level 42, Herman Brood und Wilson Pickett. Fehlt noch die Erwähnung der Schellacksammlung aus den 50ern mit Elvis, Buddy