Will denn in China gar kein Sack Reis mehr umfallen?. Wiglaf Droste
den Termin frei. Cheerio!« Wenn er jetzt noch »Bingo!« sagte, die Rolle der Angeberlallbacke wäre perfekt besetzt.
Mächtig etwas hermachen will diese Sprache, in der Beruf und Freizeit ineinander gleiten. Bedeutsam und locker, ganz, ganz locker will das sein, geradezu zwangslocker. Das tut lässig und souverän, suggeriert Überlegenheit und ist doch den scheußlichsten Moden unterworfen. Alles klingt wie Reklame: »Wir machen den Weg frei«, »Das ist auf einem guten Wege«, »Wir haben das im Griff«. Genau: Die Sprache steckt im Würgegriff von Leuten, die sich als handelnde, bestimmende Subjekte inszenieren. Gepflegt wird ein weichgespülter Betuttelungs- und Bekochlöffelungsjargon, eine Art Wellness-Sprache, die sich genauso inflationär verbreitet wie das Wort »Wellness« selbst.
Längst bietet ein Marmeladenhersteller »Wellness aufs Brot« an, ein Schuhfabrikant zieht nach und offeriert »Wellness für die Füße«, ein Hotel auf dem erzgebirgischen Fichtelberg, in dem niemand nennenswert der englischen Sprache mächtig ist, wirbt mit einer »Wellness-Oase«.
Sauna, Dampfbad und Schwimmbecken wären zutreffender, aber zur »Wellness-Oase« aufgedunsen und aufgechict kann man die Sache teurer verkaufen. Dass der Whirlpool auf deutsch ebenfalls Whirlpool heißt, ist eine Petitesse – aber auch sie ist der Phantasielosigkeit derjenigen geschuldet, die keine Freude am Spiel und an der Bereicherung der Sprache empfinden. Ich schlage als Übersetzung für Whirlpool übergangsweise Wirbelstrudelblubberbrausebecken vor.
Sprachkritik, die nur rechthaben will, ist uninteressant. Das gleichermaßen mäkelige wie auftrumpfende Einteilen in richtig und falsch mag die Ambitionen von professionellen Rotstiften oder Amateurdeutschlehrern befriedigen. Das ist piesepömpelig und kleinlich, ärmlich und latent peinlich. Man soll kein Rechthaber der Sprache sein, sondern ihr Liebhaber. Und also das unverbindliche und hässliche Vokabular meiden und das schöne, bildhaft sprechende, treffende suchen oder erfinden.
Es gilt, wach zu sein beim Senden und Empfangen. Der Fernsehsender 3sat preist seine Berichterstattung zu den Berliner Filmfestspielen mit den Worten »bärenstarkes Kino« an und wiederholt diese unoriginelle, aufdringliche Verweigerung einer Idee immerzu – »bärenstarkes Kino«, denn, Holzauge, Kino aus Berlin ist per se und vollautomatisch immer »bärenstarkes Kino«.
Sprache ist ein scharfes Instrument, wer nicht aufpasst, schneidet sich ins eigene Fleisch. Bei einem Aufenthalt in Norditalien klingelte mein Telefon; ein Kollege, der in Berlin gleich um die Ecke wohnt, wollte sich mit mir flink zum Kaffeetrinken verabreden. Anstatt zu sagen, »ich bin gerade nicht in der Stadt« oder etwas Ähnliches, ließ ich mich vom Prahlteufel reiten und sagte zwar wahrheitsgemäß, aber ganz unnötig: »Ich bin gerade im Piemont.« Kleine Eitelkeiten bestraft das Leben sofort. Der Kollege fragte ungerührt: »Und was machst du in Bad Pyrmont?« Federleicht, so wie es sich gehört, kam dieser treffsichere Hieb durch die Leitung. Hut ab, Herr Kollege, so macht man das.
Wenn Bären zu sehr Bruno heißen
Vom Teddy zur Bestie zum Tod Chronik einer öffentlichen Entniedlichung
EIN IM GRENZGEBIET zwischen Österreich und Bayern umherziehender Braunbär entwickelte sich im Frühsommer 2006 zu einem medialen Dauerbrenner. Das Tier, getauft als »JJ1« und der erste in Deutschland gesichtete Bär seit Ewigkeiten, bekam den nach Kinderbuch klingenden Knuffignamen Bruno verpasst. Dieser Bruno aber benahm sich nicht so, wie es die Kitschwelt vorschreibt. Infamerweise lag er des Abends nicht Halma spielend mit Lamm und Reh und Zicklein friedlich beieinander, sondern zog seiner Wege, missachtete in Unkenntnis von Erfindungen wie Landes- und Zollgrenzen menschliche Gesetze und stillte, wenn es nötig war, seinen Hunger. Das kostete einige Schafe das Leben. Einem Bären kann man das nicht anlasten. Es ist seine Art, sich auch von Schafen zu ernähren, wenn er sie bekommen kann.Der Ton, in dem über Bruno gesprochen wurde, änderte sich rasch. Nach der anfänglichen sentimentalen Sympathie für ihn, die auf einem vermenschelten Teddybärenbild beruhte, wurde er bald zur Gefahr stilisiert, die durch illegalen Fleischverzehr den Profit und durch unkontrollierbare Anwesenheit den Menschen selbst bedrohe. Panik und Hysterie kommen medial immer gut, und so hieß es Mitte Juni, der Braunbär solle »möglichst lebend gestellt werden.« Aus welchem Film war das: »möglichst lebend gestellt«? Lief nach »M – eine Stadt sucht einen Mörder« nun »B – alle Bayern jagen einen Bären«? Ist ein Bär ein Mensch, ein Täter und Verbrecher, der »gestellt« werden kann?
Es sieht ganz so aus. Das dem Bären juristisch zur Last gelegte Delikt war seine Bärennatur, der er folgte, auch zum Nachteil von Tieren, die weniger frei und wild leben als er. Wäre er gerichtlich belangbar gewesen, etwas anderes als Mundraub hätte ihm niemand anhängen können. Was soll ein Bär machen? Heilfasten, damit man ihn süß und kuschelig findet? Sich vegetarisch ernähren und dann enden wie Paul McCartney? Der Bär ist als Allesfresser nicht nur eine Honigpfote; zu seiner ausgewogenen Ernährung gehört auch frisches Fleisch. Dieses bietet ihm das Schaf, das zum armen Opfer des Bären verklärt wird. So konnte Bruno zum personifizierten Bösen aufgebauscht werden, zur blutrünstigen Bestie – die also, aus ethischen Gründen quasi, gejagt, gestellt und erlegt werden musste.
Schafe sind wollige, furchtsame Blökies; manchmal aber singen sie geradezu magisch schön im Chor und erzeugen, wenn sie über die Weiden getrieben werden, schreitend und Gras rupfend auch rhythmisch faszinierende Geräusche. Deutsche Rumpelkapellen wie Tomte, Wir sind Silber oder Julimond könnten von Schafen also noch alles lernen, wenn sie denn das Talent dazu hätten. Allzu oft aber ist es das Domestikenlos des Schafes, der katholischen Kirche als Quell eines Menschenbildes zu dienen, das von nicht wenigen Menschen begeistert bestätigt wird: Mähend und bähend stehen sie auf der Weide herum, köddeln alles voll, tragen ihre Haut zu Markte und liefern den ihnen Vorgesetzten brav und pünktlich ab, was sie an Nutz- und Gewinnbringendem zu bieten haben.
Wenn ein Bär ein Delinquent ist, was sind dann die mit Chappi gedungenen Hilfs- und Hetztruppen, die man auf ihn ansetzte? Wie ein SEK-Kommando wurden finnische Elchhunde nach Bayern eingeflogen, um den Bären aufzuspüren. Wenn also Köter Söldner sind – sind dann Soldaten auch Köter? Die hündischen finnischen Brunojäger, denen der Bär nicht das Geringste zuleide tat, waren Überläufer. Durch Domestizierung wird der Hund zum Charakterschwein. Genau deshalb wird er auch »der beste Freund des Menschen« genannt.
Was stand sonst noch auf der Liste der Bärenvergehen? Entging er nicht arglistig und undankbar einer eigens für ihn importierten amerikanischen Spezialfalle? Streifte er nicht den Rückspiegel eines Autofahrers und versetzte so Familie Kasko in Existenzangst? Zerbrach er nicht auch einen Weidezaun? Sodass anschließend Kühe muhend umherliefen? Schlimm! Sogar Touristen soll der dadurch vollends wieder entniedlichte Bruno – huch! – erschreckt haben. Schluss mit knuffig!, hieß es anschließend entschieden. Gehört aber denn das charmant beiläufige und nie verbissen professionell betriebene Verscheuchen von aufdringlichen Nasen aller Art nicht zum guten Ton? Das legendäre Bühnentrio »Die Drei Tornados« kannte jedenfalls den entscheidenden Unterschied zwischen Touristen und Terroristen: Terroristen haben Sympathisanten.
Es lief der Film »Der Bär, den sie Bruno nannten«. Weitere Anwürfe wurden laut: Wenn der Bär schon ein Schaf fressen will – kann er sich dann nicht eins kaufen? Zwar hat er nicht einmal ein Portemonnaie, geschweige denn eine Hosentasche dafür. Aber kann man nicht heute überall mühelos mit Kreditkarte zahlen, die laut Werbung überall hinpasst? Na also. Und putzt der Bär sich nach so einem Schaf eigentlich die Zähne? Nein? Dann ist er auch kein gutes Vorbild für unsere Kinder und muss aus Wappen und Büchern verbannt werden wie der stromernde Huckleberry Finn, der rauchende Lucky Luke oder der Spirituosen trinkende Käpt’n Haddock.
Überhaupt tat der Bär nichts von dem, was der ihm sittlich überlegene Mensch mit Leichtigkeit packt: Reklame für Unterhosen machen, den Dispokredit und die Staffelmiete ersinnen und zwanghaft freitag nachmittags oder samstag vormittags den Rasen mähen. Der Bär weigerte sich hartnäckig, eine Plage zu sein. Das unterscheidet ihn von Mücken und Menschen.Um ein Publikumsliebling zu bleiben, mangelte es Bruno vor allem an gewiefter Öffentlichkeitsarbeit, auch »Medienkompetenz« genannt. Er war einfach nicht kooperativ. Konnte er nicht in einer Talkshow alles einmal tüchtig durchsprechen? Oder sich ein Fußballtrikot anziehen, eine Fahne schwenken und balla-balla »Deutschland! Deutschland!« brummen? War das wirklich