Will denn in China gar kein Sack Reis mehr umfallen?. Wiglaf Droste

Will denn in China gar kein Sack Reis mehr umfallen? - Wiglaf Droste


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in den Dampf der Suggestion. Die Verwertungsstrategen des Konsumismus wurden auch im Teetrinkersektor zielgruppentherapeutisch tätig. »Father and Son« von Cat Stevens, eine zeitgenössische Kopf­wacklerhymne, wurde für die Teewerbung um­getextet: »Wenn der Teekessel summt und der Gold-TeeFix duftet, hat man’s gut, hat man’s gut, ja dann hat man’s wirklich gut, ja dann, dann hat man’s gut...«

      Mit Menschen, die fünfmal am Tag gedehnt »Willsten Tee?« oder, noch teeiger, »Magsten Tee« fragen, ist es nicht auszuhalten. Also gab es wieder Kaffee. Überall im Land prötterten Kaffeemaschinen den Filterkaffee durch, der dann stundenlang auf der Warmhaltekonsole simmerte, eindampfte und vor sich hin verbitterte, bis er vollends nach gegerbtem Leder schmeckte. Die Rettung kam aus Italien und hieß Espresso, von vielen Landsleuten Expresso genannt. Sie zogen auch die Variante mit Haube oder Kapuze vor – Capuccino, also Caffè mit heißer oder aufgeschäumter Milch. Im deutschen Café wurde als Capuccino allerdings Maschinenkaffee mit Sahne serviert, die manchmal geschlagen wurde, meist aber Sprühkunststoff aus der Flasche und weit besser zum Rasieren geeignet oder als Dichtungsmasse beim Fenstereinbau zu verwenden war.

      In italienischen Eiscafés oder Restaurants dagegen standen gewaltige Espressomaschinen, schimmernde, gewienerte, liebevoll geblitzblankte Monster, fauchend und dampfend wie der Drache Smaug und so groß und so kostspielig wie ein Kleinwagen. Aus diesen Getümen kam das schwarze Destillat, das zum Wachwerden, Wachbleiben oder zum Abschluss einer Mahlzeit zu sich genommen wird, also eigentlich immer. Endlich war die Kaffeezivilisation in Deutschland angekommen.

      Und ist, weil ungeliebt, auch gleich schon wieder weg. Schaum heißt der Schaum der Tage, es gibt nichts, das nicht aufgeschäumt würde in den Küchen des Landes. Jägersoßencapuccino? Bitte sehr, und auch der Kaffee wird in macchiatisierter Form zu sich genommen, aufgeschäumt, fluffig und gehaltfrei wie die Gehirne der Menschen vom Stamme Macchiatio.

      Die Duzbuden, in denen die Macchiaten hocken oder ihren »Coffee to go« bestellen, also Kaffee zum Davonlaufen, sind hochliterarisch benannt, nach Honoré de Balzac oder nach Starbuck, einer Figur aus Herman Melvilles »Moby Dick«. Der eigene literarische Ausstoß der Kaffeehöker ist eher esoterischer Sondermüll, abgefasst in aufgeschäumter Sprache:

      »Willkommen im Starbucks Coffee House! Ein ganz besonderer Ort – speziell für Sie. Viele Menschen kommen in ein Starbucks Coffee House, um den besten Kaffee der Welt zu genießen. Andere kommen, um nachzudenken, mit Freunden zu plaudern, Musik zu hören oder um an lokalen, sozialen Projekten teilzunehmen. Das sind nur einige von tausend Gründen, warum Menschen ein Starbucks Coffee House besuchen. (…) Mehr als 117.000 Menschen arbeiten für Starbucks. Diese Menschen – unsere Partner – sind die Grundlage unseres Erfolges. Und gerade weil wir ihrem Einsatz und ihrer Leidenschaft so viel verdanken, ist es für uns besonders wichtig, ihnen zu zeigen, wie sehr wir sie schätzen und respektieren. Daher befassen sich die ersten zwei Prinzipien unseres Mission Statements mit unserer Verantwortung gegenüber unseren Partnern. Wir schaffen uns ein großartiges Arbeitsumfeld und behandeln uns mit Respekt und Würde. Wir sehen Vielfalt als wesentlichen Bestandteil der Art und Weise, wie wir unser Geschäft betreiben.«

      Rundum dufte ist die Starbucks-Mission-Statement-Welt: alles wird angepartnert, alles ist großartig. Genauer nennt man das so altmodisch wie zutreffend Kapitalismus und Ausbeutung. Die weichgebrabbelten Kaffeekonsumenten aber sitzen in der Schaumgummizelle, zeigen Milde-Sorte-Gesichter vor und rufen immerzu den eigenen Namen: »Macchiato! Macchiato!« Oder, weil sie nicht einmal ihren eigenen Namen richtig aussprechen können: »Matschiato! Matschiato!« Haben die noch alle auf der Latte? Die Warnung »C-a-f-f-e-e, trink nicht sovie-hiel Ca-haf-fee« befolgen sie jedenfalls ganz brav: Macchiaten trinken nicht Kaffee, sie löffeln Schaum.

      1 Couplet mit Obduktion

      Ich liebe dich, ob du weinst oder lachst,

      Ob du ktion schläfst, oder ob du noch wachst.

      Meer und Rettich

      (Leise nach dem Sushi zu summen)

      Aus tosendem weißem Meer rett ich

      Dich, meine schöne Gabi.

      Doch was nimmst du ängstlich, ja panisch

      So grüne Farbe jetzt an?

      O Gabi! Sake: Wasabi

      Dir denn nur angetan?

      Bhumipol und Gummitwist

      ZUR PARLAMENTARISCHEN DEMOKRATIE gehört die Trennung von Regierung und Repräsenta­tion; für Letztere ist hierzulande der Bundespräsident zuständig. Er muss Hände schütteln und die daran hängenden Menschen mit Namen erkennen und ansprechen können. Das ist schwer, ich könnte das nicht. Auch der zur Schau getragene präsidiale Gesichtsausdruck, der nahelegen soll, es vollziehe sich Bedeutsames, Würdiges oder doch wenigstens Erwähnenswertes, erfordert ein respektabel hohes Maß an Selbstdisziplin.

      Ein Bundespräsident, so er kein Kretin wäre, vergäße allerdings nicht, dass er rein ornamentalen Zwecken dient. Um nicht der Peinlichkeit anheim zu fallen, ließe er gelegentlich dezent durchblicken, dass er schon wüsste, an welcher Farce er Anteil hat. Nicht so der derzeitige Präsident Horst Köhler. Ins Amt gehievt, weil die CDU so gar keinen anderen Kandidaten hatte, nutzt der Mann jede Gelegenheit, sich öffentlich zu spreizen. Ehrgeizig und mit überagiler, pfadfinderhafter Angestrengtheit »bringt er sich ein«, wie man das nennt, »engagiert sich«, mahnt an, ruft auf – kurz: Er macht sich rund um die Uhr wichtig. Dabei ist Köhler von einer erstaunlichen naturbelassen beschränkten Begeisterung über die Bedeutung, die er sich selbst beimisst.

      Irgendetwas rattert ihm eben immer durch seinen Kopf, und prompt verströmt er es salbungsvoll in die Welt. Für »Religionsunterricht« macht er sich stark und wirft sich für »Islamunterricht in deutscher Sprache« ins Breschholz. Man hört’s im Radio und möchte vergehen vor so viel Bedeutungsheischerei. Die Empfehlung, vor der islamischen Variante des Gläubischseins zu kapitulieren, paart Köhler mit dem Wunsch, den Restverstand, also das Mittel gegen religiöse Gehirnverbreiung, zugunsten von schulisch verabreichtem Glaubensgedöns fortzuwerfen. Dafür wird Köhler in den Feuilletons als »Querdenker« gefeiert – wer dieses Wort begeistert benutzt, ahnt nicht, wie beleidigend das ist: Querdenker. Schenkte man den deutschen Feuilletons Glauben, die Rest­anarchie im Lande läge in den Händen von Horst Köhler und Christof Schlingensief. Und da läge sie ja auch gut begraben.

      Von Luschen regiert und von einem Zudringling repräsentiert werden ist deutsches Leben. Ich wandte mich ab – als der Radioapparat unverhofft Schönes sendete: »… der thailändische König Bhumipol sprach der Armee das Vertrauen aus«, hörte ich den Nachrichtensprecher sagen. Wie entzückend: König Bhumipol! Was für ein Name! Bhumipol, o ja, Bhumipol! Bei König Bhumipols Armee konnte es sich nur um eine aus der Augsburger Puppenkiste handeln: Blech­­büchsenarmee, roll, roll, roll!

      Globalisierung, richtig aufgefasst, kann auch Spaß machen: Warum Horst Köhler ertragen, wenn man König Bhumipol haben kann?

      Köhler, Köhler,

      Öder Nöler:

      Außen Gummi, innen hohl. –

      Ich will König Bhumipol!

      Bhumipol ist mein Mann. Seit Zoppo Trump und Ivar Buterfas hat kein öffentlicher Mensch allein Kraft seines Namens mir so ans Herz gefasst. Singen will ich zum Lobe König Bhumipols:

      Es fühlt sich König Bhumipol

      Im Bett nur ohne Gummi wohl.

      Gern isst der König Bhumipol

      Den Riesenschirmling Parasol,

      Und Weiß- und Rot- und, glaubst du wohl,

      Spitz-, Rosen-, Grün- und Blumenkohl.

      Dann trinkt er etwas Alkohol.

      Und schläft. Der König Bhumipol.

      So sorgt für sein und aller Wohl

      Der Gummikönig Bhumipol.

      Das ist genau die gute Nachrede, wie ein Mann mit dem schönen Namen König Bhumipol


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