Das Öl, die Macht und Zeichen der Hoffnung. Klaus Stieglitz

Das Öl, die Macht und Zeichen der Hoffnung - Klaus Stieglitz


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Eine gering zu haltende Menge Spülung tritt bis zur Krustenbildung in die durchlässigen Schichten ein und verschließt diese. Die Bohrspülung soll andererseits ebenso ein unkontrolliertes Eindringen von Fluiden oder Gasen aus dem Gebirge ins Bohrloch verhindern. Auch aus Kostengründen ist die Zusammensetzung der Spülung an die jeweiligen geologischen Bedingungen anzupassen.

      Um die Korrosion des Bohrgestänges zu verhindern, wird stets auf ein sauerstoffreduziertes Milieu geachtet. Bei pH-Werten zwischen 10 und 12,5 ist die Korrosionsgefahr für Stahl vernachlässigbar gering. Um den pH-Wert zu erhöhen, werden Natrium, Calcium und Kalium-Alkalien zugesetzt. Bei niedrigeren pH-Werten in der Spülung müssen zum Korrosionsschutz Phosphate, Borate, Chromate oder spezielle Tenside eingesetzt werden. Zu den Alkalien zählen unter anderem KCI (tonstabilisierend) und Pottasche (K2CO3).

      Viele Spülungszusätze haben mehrere Aufgaben zu erfüllen. Dementsprechend ist für Festgestein, Lockergestein, Sedimente oder Sedimentgestein die Bohrspülung jeweils unterschiedlich zusammengesetzt. In Ton und Tonsteinen, wie sie in und um Thar Jath vorkommen, werden z.B. die Bohrlöcher mithilfe von Zugabe von Kaliumchlorid, Kalziumchlorid oder Kaliumsulfat stabilisiert. Dabei werden die in den Tonen vorkommenden Natrium-Ionen durch Kalium oder Kalzium ersetzt, und der Ton nimmt dadurch weniger Wasser auf. Insbesondere Kaliumspülungen haben eine große Bedeutung bei Bohrungen in Ton und Tonsteinen, da sie vor allem in unbekannten Formationen durch die antiosmotischen Eigenschaften des Kalium-Ions die Aufnahme von Wasser optimal verhindern.

      Die Verwendung von Chemikalien in Bohrspülungen unterliegt wegen ihres extrem hohen Gefährdungspotenzials strengen international gültigen Richtlinien. Zudem werden bei der Förderung von Öl konzentrierte salzhaltige Lösungen in die Öl-Lagerstätten injiziert, um so den Druck in der Lagerstätte zu erhöhen. Rohöl wird zusammen mit den vorher injizierten Salzlösungen an die Oberfläche gepumpt. Dort wird das Rohöl vom sogenannten Prozesswasser getrennt. 3 bis mehr als 9,5 Liter Prozesswasser fallen bei jedem geförderten Liter Rohöl47 an, eine unglaubliche Menge. Oftmals salzhaltiger als Meerwasser, kann dieses Prozesswasser auch giftige Metalle und radioaktives Material enthalten.48 Üblicherweise wird das Prozesswasser über ein weiteres Bohrloch in trinkwasserferne Schichten in großen Tiefen zurückgepumpt.49 Wird es über das Oberflächenwasser abgeführt oder mit zu seichten Bohrungen in grundwasserführende Schichten injiziert, besteht das Risiko, dass dieses verseuchte Wasser über Brunnen in den Nahrungskreislauf des Menschen gelangt.

      Im Sudan ist dieses Problem bekannt: Es war bereits im Jahr 2006 Thema einer Konferenz in Juba, in der es um die Neuausrichtung der Ölförderung nach dem Friedensabkommen und der nun möglichen Beteiligung des Südsudans ging.50 Bei dieser Konferenz wurde darauf hingewiesen, dass der US-Multi Chevron, der bis 1983 die ersten Ölquellen erschloss, das erprobte, aber teure Verfahren zur sicheren Entsorgung des Prozesswassers anwendete: Chevron injizierte das verseuchte Abwasser zurück in tiefe Bodenschichten. Erst die Nachfolger entwickelten die Methoden, die die ersten für alle sichtbaren Folgen für die Umwelt zeigten.51 Die Ölreserven im Ölfeld von Thar Jath werden auf 149,1 Millionen Barrel geschätzt.52 Ein Barrel Öl sind 159 Liter. Überschlägig mit einem Mittelwert von sieben Litern Prozesswasser pro Liter Öl hochgerechnet bedeutet das, das 1 659 483,3 Millionen Liter Abwasser zu entsorgen sein werden.

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      Am 18. März 2008 bittet Hoffnungszeichen in einem Brief an den Betreiber der Raffinerie in Thar Jath um eine Stellungnahme zu den Testergebnissen. Das in Khartum ansässige Betreiberkonsortium White Nile Petroleum Operating Company Ltd. (WNPOC) gehört zu 67,875% der zum malaysischen Staatskonzern Petronas gehörenden Gesellschaft Petronas Caligari Overseas, zu 24,125% der indischen Oil and Natural Gas Corporation (ONGC) Videsh Ltd. und zu 8% der staatlichen sudanesischen Sudapet (Sudan National Petroleum Corporation).53 Die Zweidrittelmehrheit in dem Konsortium entstand, als Petronas im Jahr 2003 die Anteile der schwedischen Firma Lundin übernahm, die die Quellen erschlossen hatte.54 Als wichtigster Partner der sudanesischen Regierung bei der Ölförderung und -aufbereitung in allen Lizenzgebieten ist Petronas der einflussreichste Stakeholder in Sachen Öl im Sudan.55

      Hoffnungszeichen fordert in diesem Schreiben die Betreiber höflich auf, die Ergebnisse der Wasserproben zu kommentieren und zu erläutern, wie die Abfälle des Produktionsprozesses entsorgt werden und welche Maßnahmen sie planen, um die Bewohner von Rier mit genießbarem Trinkwasser zu versorgen. Eine Antwort kommt nicht.

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      Am 28. März veröffentlicht der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eine auf Betreiben Spaniens und Deutschlands entstandene Entschließung zur weiteren Diskussion über das in den Katalog der Menschenrechte zu integrierende Recht auf sauberes Trinkwasser und sanitäre Versorgung. Die Entschließung erfolgt als Reaktion auf einen Bericht des UN-Hochkommissars, aus dem hervorgeht, dass weltweit mehr als einer Milliarde Menschen der Zugang zu sauberem Wasser verwehrt ist und 2,6 Milliarden Menschen ohne Sanitäreinrichtungen auskommen müssen. Der UN-Hochkommissar hatte dringend nahegelegt, das Recht auf sauberes Wasser als Menschenrecht anzuerkennen.

      Für drei Jahre wird ein unabhängiger Experte eingesetzt, der im umfassenden Dialog auf allen beteiligten politischen und gesellschaftlichen Ebenen von den Regierungen über die UN bis hin zu akademischen Institutionen und Nichtregierungsorganisationen die »best practices« zur Versorgung mit sicherem Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen erarbeiten soll. Insbesondere die vor Ort agierenden NGOs werden in den Prozess eingebunden.

      Wasser-Experten, die seit Jahrzehnten für die Anerkennung des Menschenrechts auf sauberes Wasser kämpfen, sehen in dieser Entschließung einen der wichtigsten Schritte hin zur Anerkennung dieses Menschenrechts.56 Am Ende des endlich eingeleiteten Rechtsfindungsprozesses soll ein einklagbares Recht auf sauberes Trinkwasser für jeden Menschen auf dieser Erde stehen.

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      Im Juli 2008 beauftragt Hoffnungszeichen die Hydrogeologin Hella Rüskamp mit einer Studie zur Ursachenforschung der Trinkwasserverunreinigungen in den Erdölexplorationsgebieten Thar Jath und Mala. Ziel der Studie soll sein, den vermuteten direkten Zusammenhang zwischen den Aktivitäten der erdölexplorierenden Firmen (Explorationsbohrungen, Prozesswasseraufbereitung und -entsorgung) und der Kontamination des Grundwassers vor allem durch Salze und Schwermetalle zu belegen oder zu widerlegen.

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      Beim letzten Rennen der diesjährigen Grand-Prix-Saison am 2. November in Sao Paulo hat niemand Zweifel daran, dass Lewis Hamilton Weltmeister wird. Der McLaren-Mercedes-Pilot liegt zwar nur auf Platz fünf, doch reicht das aus, um in der Gesamtwertung der Formel 1 den in diesem Rennen führenden Ferrari-Piloten Felipe Massa auf die Plätze zu verweisen. Bis zur vorletzten Runde herrscht fast Langeweile. Doch dann nimmt das Rennen eine unerwartete Wendung. Nachdem Regen eingesetzt und die meisten Fahrer die Reifen gewechselt haben, zieht Sebastian Vettel mit seinem Toro Rosso völlig überraschend an Hamilton vorbei. Aus der Traum von der Weltmeisterschaft! Hamilton kann nur noch auf dieselbe Punktzahl wie Massa kommen. Und da der brasilianische Ferrari-Pilot mehr Siege in dieser Saison erzielt hat, fährt nun er dem Weltmeistertitel entgegen. Hamilton heftet sich zwar an die Fersen von Vettel, hat aber keine Chance, den unglaublich stark fahrenden Deutschen erneut zu überholen. Aus der Traum? In der Ferrari-Box fallen sich die Mitarbeiter schon in die Arme. 100 000 Zuschauer jubeln ihrem Landsmann zu. Doch dann, im beinahe allerletzten Moment des Rennens, rasen Jäger und Gejagter auf Position fünf und sechs an dem auf Platz vier liegenden Toyota von Timo Glock vorbei. Hamilton fährt doch als Weltmeister durch das Ziel. Der Brite ist mit seinen 23 Jahren der jüngste Weltmeister der Formel-1-Geschichte. Und erstmals seit 1999 gewinnt wieder ein Auto mit einem Motor von Mercedes.57

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      Bei Hoffungszeichen arbeiten wir nun mit Hochdruck an der Vorbereitung der weiteren wissenschaftlichen Absicherung der vorgefundenen Kontaminationen und ihrer Ursachen. Bei der Internet-Recherche stoßen wir auf die Facebook-Seite eines Mitarbeiters der Central Processing Facility (CPF) in Thar Jath. Jetzt sehen wir, dass es sich bei der riesigen Anlage, die wir für eine Raffinerie hielten, um eine Aufbereitungsanlage für Rohöl handelt. Hier wird das Rohöl vom Prozesswasser und sandigen Bestandteilen getrennt und von hier aus durch eine Pipeline zur weiteren Verarbeitung in die Raffinerien im Norden gepumpt. Bei der Auswertung von Satellitenaufnahmen ist zu erkennen, dass in dem Ölfeld von etwa


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