Greifen und BeGreifen. Sally Goddard Blythe

Greifen und BeGreifen - Sally Goddard Blythe


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Schluckbewegungen automatisch Einfluss auf die Hände haben und ein unwillkürliches Schließen der Handflächen im Rhythmus mit dem Saugen hervorrufen (Babkin-Reaktion).

      „Der Stimulus für diesen Reflex besteht in einem festen Druck, der gleichzeitig auf beide Handflächen ausgeübt wird, während sich das Kleinkind in einer entsprechenden Position befindet – idealerweise auf dem Rücken liegend. Dem Stimulus folgt eine Beugung oder ein Vorwärtsneigen des Kopfes; gleichzeitig öffnet das Baby den Mund und schließt die Augen. Dieser Reflex kann bereits am Neugeborenen demonstriert werden; hierdurch wird auch deutlich, dass eine neurologische Verbindung von Händen und Mund selbst in diesem frühen Stadium vorhanden ist. Der Reflex verschwindet sehr schnell und kann im Normalfall nicht mehr ausgelöst werden, wenn das Baby mehr als vier Monate alt ist. Gelingt dieses über das Alter von vier Monaten hinaus dennoch, ist dies ein Hinweis auf eine zerebrale (Hirn-) Schädigung.“ (Holt, 1991)

      Alle weiteren Indikationen für eine neurologische Hand-Mund-Verbindung werden als Babkin-Reaktion bezeichnet. Wie viele andere reflexhafte Reaktionen kann sie in beiden Richtungen funktionieren, also von der Hand zum Mund oder vom Mund zur Hand.

      Wenn das Kind älter wird, können das Schlucken, die Nahrungsaufnahme wie auch die sprachliche Artikulation und manuelle Geschicklichkeit durch beibehaltene oder rudimentäre orale Reflexe negativ betroffen sein. Roberta Shepherd (1990) bemerkte:

      „(…) die Entwicklung der normalen Schluckbewegung und der normalen Koordination von Atmung und der oralen Funktion [sind] sämtlich grundlegende Elemente bei der Entwicklung der Sprache. Man geht davon aus, dass die Muskelbewegungen beim Trinken eine ganz wesentliche Vorbereitung für die ersten Laute und für die Entwicklung des Sprechens sind.“

      Langzeitwirkungen eines beibehaltenen oder rudimentär vorhandenen Such- und Saugreflexes

      1. Überempfindlichkeit um die Lippen und den Mund herum.

      2. Die Zunge kann sich zu weit vorn im Mund befinden, was das Schlucken und Kauen bestimmter Nahrungsmittel erschwert – das Kind beginnt vielleicht zu sabbern. Das Fehlen voll entwickelter Schluckbewegungen kann zu einer übermäßigen Wölbung des Gaumens führen; später wird dann vielleicht eine Gebisskorrektur nötig sein.

      3. Sprach- und Artikulationsprobleme.

      4. Mangelnde manuelle Geschicklichkeit.

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      Entstehung: 20. Schwangerschaftswoche.

      Bei der Geburt: Aktiv vorhanden.

      Hemmung: 3–9 Monate nach der Geburt.

      Wenn das Baby in der Bauchlage gehalten wird, ohne dass sein Kopf und seine Hüften gestützt werden (ventrale Lage) oder auf dem Bauch liegt, wird die Stimulation des Rückens seitlich der Wirbelsäule zu einer Hüftbeugung (Rotation) um 45 Grad in die Richtung des Stimulus führen. Dieser Reflex sollte auf beiden Körperseiten in gleicher Intensität vorhanden sein.

      Zwar gab Galant diesem Reflex schließlich seinen Namen, aber er war bereits 1904 von Bertolotti als „réflexe dorsolombaire“ (Lendenwirbelsäulenreflex) beschrieben worden. Er hatte beobachtet, dass eine Stimulation der Lumbalregion zu einer schnellen Kontraktion der Rückenmuskeln führte. Diese Reaktion verschwand im Alter von zwei Jahren. 1912 entdeckte Noica „une réflexe de la masse musculaire sacrolombaire“, der bei den meisten Kindern, aber nur selten bei Erwachsenen zu finden ist. Sowohl Veragruth als auch Galant beschrieben 1917 ähnliche Reaktionen bei normalen Kindern, aber auch, so Veragruth, bei manchen geistig behinderten Erwachsenen.

      „Wenn die Haut am Rücken dicht entlang der Wirbelsäule bestrichen wird, krümmt das Kind seinen Körper bogenförmig zur Seite; die konkave Seite des Bogens weist zum stimulierten Bereich, und indem es sich in die entgegengesetzte Richtung krümmt, weicht das Kind dem Stimulus aus.“ (Galant 1917)

      Isbert und Peiper (1965) sahen die Reaktion als umfassender an als von Galant beschrieben:

      „Die Anwendung des Stimulus führt zu einer Beugung des Beckens nach hinten, das gleichseitige Bein wird am Knie gestreckt und das Hüftgelenk wird gestreckt …. Häufig kann die Kopfhaltung durch die Stimulation der vorderen Oberfläche des Rumpfes verändert werden: Die Stimulation auf einer Seite bewirkt die Drehung des Kopfes zur stimulierten Seite.“

      Diese eben angeführte Beobachtung scheint den Beweis für die Kettenreaktion zu liefern, die von einem Reflex zum anderen ablaufen kann. In diesem Fall bedeutet dies, dass die Aktivierung des Spinalen Galantreflexes sich manchmal auf eine asymmetrisch tonische Nackenreaktion ausweiten kann.

      Wenn beide Seiten der Wirbelsäule vom Becken zum Nacken gleichzeitig stimuliert werden, wird der Pulgar-Marx-Reflex ausgelöst. Diese Reaktion umfasst „Beugung beider Beine, Lordose der Wirbelsäule, Anhebung des Beckens, Beugung der Arme, Heben des Kopfes, lautes Schreien, das in Apnoe und Zyanose übergeht, Entleerung der Blase mit anschließender Entspannung und Anregung der Verdauung; nach vollständigem Ablauf des Reflexes besteht für mehrere Sekunden eine allgemeine Hypertonie.“ (Pulgar Marx 1955) Nicht alle Merkmale dieses Reflexes sind jedes Mal präsent. Der Pulgar-Marx-Reflex sollte zwischen dem zweiten und dritten Monat gehemmt sein. Er wird nur selten bei älteren Kindern mit spezifischen Lernschwierigkeiten beobachtet. Am Institut für Neuro-Physiologische Psychologie wurden Spuren davon bei mehreren Kindern mit diagnostiziertem Asperger-Syndrom gefunden, ebenso auch bei manchen Kindern, die über das fünfte Lebensjahr hinaus tagsüber einkoteten.

      Es ist nur wenig über die Funktionen des Spinalen Galantreflexes bekannt, außer vielleicht, dass er eine aktive Rolle beim Geburtsvorgang spielt. Das Zusammenziehen der Muskeln in der Scheidewand stimuliert den Lendenwirbelbereich des Kindes und löst außerdem kleine einseitige Rotationsbewegungen der Hüfte aus, die den Kopf- und Schulterbewegungen des Asymmetrischen Tonischen Nackenreflexes ähnlich sind. So kann das Baby mithelfen, den Weg durch den Geburtskanal zu bewältigen.

      Dickson (1991) hat darauf hingewiesen, dass der Spinale Galantreflex auch als primitiver Leiter von Geräuschen im Mutterleib fungieren könnte, der es ermöglicht, dass im flüssigkeitsgefüllten Milieu des Mutterleibes Schallvibrationen den Körper hochsteigen können. So wäre der Fötus in der Lage, Geräusche quasi zu fühlen. Es ist auch möglich, dass dieser Reflex den Schallvibrationen hilft, sich an der Wirbelsäule entlang nach oben zu bewegen. Diese Hypothese wurde durch die Ergebnisse einer Studie untermauert, die von Butler Hall und Hadley durchgeführt wurde. Diese Studie untersuchte die Auswirkungen des Auditiven Integrationstrainings (AIT) auf aberrante primitive und Haltungsreflexe. AIT ist ein Klangtherapiesystem, das von Guy Bérard entwickelt wurde, um eine Reihe von hör- und sprachbezogenen Problemen zu behandeln. Butler Hall (1998) fand heraus, dass der Spinale Galantreflex bei Kindern nach dem AIT-Training durchgehend reduziert war, was darauf schließen lässt, dass es einen funktionalen Zusammenhang zwischen dem Spinalen Galantreflex und dem Hören gibt. (Vgl. Kapitel 4, „Die Sinne“)

      Eine weitere Interpretation geht in die Richtung, dass der Spinale Galantreflex eine Hinterlassenschaft unseres evolutionären Erbes aus der Zeit ist, als wir noch einen Schwanz hatten (Phillips 1994). Ein Schwanz oder eine schwanzähnliche Bewegung ist während des uterinen Lebens für die Bewegung im Uterus immer noch von Nutzen. Dies gilt ebenfalls für das Gleichgewicht während der Zeit, in der das Kind kriecht und krabbelt (die quadrupede Phase der Entwicklung) sowie für die Synchronisierung von Bewegungen der oberen und der unteren Körperhälfte auf einer Seite. Doch wenn die aufrechte Haltung erreicht ist, wird dies überflüssig, da die vordere Seite des Körpers und die Arme einige Anpassungsfunktionen für Gleichgewicht und Koordination übernehmen.

      Wenn der Spinale Galantreflex über das Neugeborenenalter hinaus bestehen bleibt, kann er jederzeit durch leichten Druck im Lendenwirbelbereich ausgelöst werden. Eine Reizung auf beiden Seiten der Wirbelsäule löst gleichzeitig einen anderen, mit dem Spinalen Galantreflex in Zusammenhang stehenden Reflex aus, der bewirkt, dass das Kind Wasser lässt. Einen beibehaltenen oder rudimentären


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