Hör nie auf zu träumen. Olivia Newton-John

Hör nie auf zu träumen - Olivia Newton-John


Скачать книгу
das ausreichen?

      Irgendetwas geschieht in dem Augenblick, in dem die Vorbereitung auf die Bühne vorüber ist und ich den ersten Schritt auf die Bühne tue. Das ist heute immer noch so wie damals, als ich meine ersten Abende in Australien, England und Amerika bestritt.

      Die Gesichter lächeln mir zu.

      Die Hände werden ausgestreckt.

      Die ersten Töne erfüllen die Luft.

      Ich singe.

      Ich bin zu Hause.

      Es reichte allemal aus. Die Jungs aus der neu zusammengestellten Band, Dale und Bob Strength, waren sehr nett, entgegenkommend und begabt. Zum Glück! Wir tourten mit einem Greyhound-Bus, dessen WC nicht funktionierte. Wenn man sich zu fest in die Sitze fallen ließ, staubte es bis unters Dach hoch. Meiner Band war das aber egal. Dank ihrer Hippie-Einstellung machte es einfach Spaß, mit ihnen unterwegs zu sein. Ich erinnere mich immer gerne und voller Dankbarkeit an sie zurück, weil sie mir so kurzfristig aushalfen.

      Nach dieser ersten Tour genossen Lee und ich unseren Neuanfang. Wir zogen nach Malibu in ein kleines, feines Strandhaus. Es entsprach alles ganz dem kalifornischen Traum. Sehr gerne erinnere ich mich etwa an jenen Tag, als Lee mit einer riesigen, vier Jahre alten Dänischen Dogge ankam. Irgendjemand hatte das arme Baby ganz verlassen in einer Wohnung vorgefunden! Sein Besitzer war bei einem Unfall ums Leben gekommen. Niemand wusste von dem Hund, der auch fast verhungert wäre. Es war Liebe auf den ersten Blick. Ich gab ihm den Namen Zargon. Später nannte ich sogar meine Musikfirma Zargon Productions! Er war der erste Hund, den ich in Amerika rettete. Als Kind in Australien hatte ich unentwegt irgendwelche Tiere gerettet. Nun besaß ich ein Zuhause, wo ich das wieder tun konnte.

      Es dauerte nicht lange, bis sich unser Haus mit noch mehr Liebe füllte. Rona und ihr Sohn Emerson, damals drei Jahre alt, zogen von London nach L.A. Wenn ich nicht gerade auf Tour war, tuckerte ich mit meinem kleinen VW-Käfer durch die Straßen. (Meine langjährige Freundin Coral, die ebenfalls aus Australien stammt, besitzt den Käfer mittlerweile – und hat ihn zwischenzeitlich rosa lackieren lassen!) Ich bin durchaus ein häuslicher Typ, und es fühlte sich ungemein gut an, sich eine feste Bleibe in Amerika einzurichten – voller Menschen und Tiere, die ich liebte.

      Was das Thema Kulturschock betraf, nun, so gab es nur ein Problem mit meinem neuen Leben am Strand. Ich bin immer schon gerne ins Kino gegangen, und in diesem Sommer lief ein zukünftiger Klassiker mit dem Titel Der Weiße Hai an. Dieser Film hatte profunde Auswirkungen auf jemanden, der direkt am Ozean lebte. Ich schwor, nie wieder zum Schwimmen ins Meer zu gehen. Sogar die Dänische Dogge durfte nicht ins Wasser!

      Es war ein wunderbarer Lebensabschnitt. Ich liebte die Ruhe außerhalb von Los Angeles, fernab all des Verkehrs und des bunten Treibens. Ich habe nie gerne in einer Großstadt gelebt. Weil ich im Herzen ein Mädchen vom Lande war, genoss ich es, am Strand mit meinem riesigen Hund spazieren zu gehen, mich mit anderen Hundebesitzern zu unterhalten und ihre Schützlinge zu streicheln. Zargon, der mittlerweile aufgeblüht war, begegnete allen Zweibeinern sehr freundlich. Vierbeinigen Zeitgenossen war er hingegen weniger wohlgesinnt.

      Einmal – und zum Glück das einzige Mal – zerrte er einen armen Hund in den Ozean hinein, und ich musste ins Wasser springen und dazwischengehen.

      Der Weiße Hai hin oder her, ich hätte alles unternommen, um einen Hund zu beschützen.

      Eines Abends nach einem Konzert in Jackson, Mississippi, kam ein Fan hinter die Bühne und machte mir das allerschönste Geschenk: einen hinreißenden Irish-Setter-Welpen. Eine Liebkosung später schmolz ich schon dahin.

      „Das ist eines der besten Geschenke meines ganzen Lebens“, versicherte ich dem überglücklichen Mann. Ich hatte nur eine Bitte. „Ich bin ja gerade auf Tour. Könnten Sie sich daher vielleicht noch ungefähr einen Monat um ihn kümmern?“

      Sechs Wochen später stand ich nervös am Flughafen von Los Angeles und wartete. Ganz plötzlich traf eine Kiste ein, in der sich dieser bezaubernde rostbraune Welpe befand. Wie gut er sich doch benahm! In meiner Liebesgeschichte zu Irish Settern begann ein neues Kapitel. Ich nannte ihn Jackson nach seiner Heimatstadt.

      Jackson liebte es, mit mir auf Tour zu gehen. Er leistete mir vor jedem meiner Auftritte hinter der Bühne Gesellschaft. Während er es sich hinter meinen Beinen gemütlich machte, gingen wir gemeinsam meine Setlist durch. Er lieferte sogar die Inspiration zu „Slow Down, Jackson“. Ein talentiertes Liedermacher-Paar, Michael Brourman und Karen Gottlieb, wusste von meinem haarigen Baby und schrieb den Song. Ich liebte die Nummer und war so gerührt, dass ich sie schließlich aufnahm.

      Ab 1973 kletterten meine Songs – darunter auch eine Coverversion von John Denvers „Take Me Home, Country Roads“ – in den Charts nach oben. Artie Mogull, Vizepräsident der A&R-Abteilung der Plattenfirma MCA, verschickte die Single an Country-Radiosender allerorten. Sie wurde oft gespielt, wohlwollend aufgenommen und regelmäßig von Hörern gewünscht. Artie schlug daraufhin eine eher am Country orientierte Pop-Platte als meine nächste Veröffentlichung vor. Daraus ging schließlich „Let Me Be There“ hervor, die sich als großer Hit entpuppte, zunächst die Country-Charts knackte und in weiterer Folge auch in die Pop-Charts einstieg.

      Ich hatte bis dahin relativ kleine Gigs absolviert. Nun wechselte ich von Hallen mit fünfhundert Sitzplätzen in welche, in denen mehr als tausend Menschen Platz fanden. Als meine Fanbasis immer größer wurde, trat ich an einem gigantischen Ort auf, dem Astrodome in Houston, wo außerdem gerade die jährliche Rodeo-Veranstaltung lief. Die Arena war so unüberschaubar, dass ich in einem Wagen zur Bühne im Zentrum des Stadions gebracht wurde. Ich konnte die Rodeo-Pferde riechen, was meine Liebe aus der Kindheit zu allem, was mit den Vierbeinern zu tun hatte, neu entfachte. An diesem Abend gab es nur eine Enttäuschung. Mein Freund und Manager Lee begleitete mich nicht zur Show, und ich war ziemlich sauer auf ihn, denn dies war eine der größten Konzert-Locations meiner gesamten Karriere.

      Ich machte mich bereit, ihn nach der Show ein wenig meinen Groll spüren zu lassen. Nun, nicht nur ein wenig …

      „Und wie hat dir mein Auftritt gefallen?“, fragte ich ihn.

      „Ich habe ihn leider nicht gesehen“, antwortete er.

      Ich nahm gerade Anlauf für einen Streit, als er mich am Arm nahm und mich einlud, ihm zu folgen.

      „Wohin gehen wir?“

      „Du wirst schon sehen, was ich gemacht habe“, sagte er.

      Ich hatte keine Ahnung, warum er mich zu einer Scheune führte, wo sie die Pferde für das Rodeo untergebracht hatten.

      „Ich habe ihn für dich gekauft“, sagte er und öffnete die Tür zu einer der Boxen. Da stand ein bildschönes Quarterhorse, ein Palomino-Hengst mit dem Namen Judge, der mich aus weisen dunkelbraunen Augen ansah. Mir verschlug es die Sprache. Das war das beste Geschenk, das man mir nur machen konnte. Ich verzieh Lee noch in derselben Sekunde.

      Wir transportierten Judge zu uns nach Hause in Malibu. Er war ein unglaubliches Pferd. Ehe ich mich versah, wurde er mein Hobby, meine Leidenschaft – und mein Liebling. Wenn ich nicht gerade arbeitete oder unterwegs war, hielt ich mich stets bei meinem Pferd auf oder war bei meinen Hunden zu finden.

      Judge trug mich regelmäßig bei Sonnenuntergang den Strand von Malibu hinunter. Eine sanfte Brise trieb den Sand vor sich her, und der Duft des Meeres erfüllte die Abendluft. Wie schön, dass mein Junge ein so gefühlvolles Pferd war, das oft seinen Kopf zu mir wandte, um mich mit der Nase anzustupsen.

      Damit man mich nicht falsch versteht: Selbstverständlich konnte ich es kaum erwarten, schon bald wieder auf der Bühne zu stehen. Doch diese frühabendlichen Ausritte bedeuteten für mich das reinste Glücksgefühl.

      Eines Tages im Jahr 1974 gingen John Farrar und ich einen Stapel Songs durch, die ihm als Optionen für mein nächstes Album zugeschickt worden waren. „Wir durchforsteten kistenweise Tonbänder und Audiokassetten, die ich erhalten hatte. Erinnert euch, das waren die Tage, bevor es CDs gab“, erzählt er heute. „Wir hatten ein Abspielgerät und hörten sie uns praktisch alle an.“ Er legte schließlich eine Platte auf, und der Text traf


Скачать книгу