Hör nie auf zu träumen. Olivia Newton-John

Hör nie auf zu träumen - Olivia Newton-John


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ein kleines Tänzchen zu vollführen. In meinem kleinen grünen VW Käfer, meinem ersten Auto in Amerika, drehte ich am Radio herum. Um Himmels willen! Ich lief ja im amerikanischen Radio! Die Begeisterung durchfuhr mich.

      Anfangs wohnte ich im Hilton in Universal City. Wie sich herausstellte, lebte einer der größten Filmstars ebenfalls dort. Eines Tages begab ich mich in das Café in der Lobby und wurde über das Intercom-System ausgerufen.

      Wer wusste denn bitte, dass ich hier war?

      Er war es – er sah sich nach dem australischen Mädchen um, das er durch die Lobby hatte schlendern sehen! Der Filmstar – großgewachsen, dunkel und ach so attraktiv – bewegte sich auf meinen Tisch zu und stellte sich vor.

      „Hi, ich bin …“

      So viel wusste ich.

      Im Grund gab er mir mit vielen Worten zu verstehen, dass er Affären mit den meisten jungen Sängerinnen in der Stadt unterhalte und ich auf seiner Liste die Nächste sei. Meine Reaktion? Ich erschrak zu Tode! Ich hatte nicht vor, die nächste Irgendetwas zu sein! Ich weiß gar nicht mehr, was genau ich zu ihm sagte, um ihn loszuwerden. Aber ich lachte (mit ihm) und erwähnte, ich sei sehr auf meine Arbeit fokussiert. Das stimmte auch und schien eine vielversprechende Ausflucht zu sein. Innerlich brodelte ich: Nein, du wirst nicht diese Art Mädchen sein! Dann hatte ich noch einen Geistesblitz. Es gab eigentlich nur eine Sache, die ich zu sagen brauchte. „Ich habe einen Freund“, stammelte ich. Das stimmte zwar nicht, erfüllte jedoch in diesem Augenblick seinen Zweck.

      Er galt als legendärer Hollywood-Bad-Boy mit einer langen Liste von Eroberungen. Nur kurze Zeit nach unserer Begegnung im Café begann er eine Liebelei mit meiner Freundin, der Schauspielerin Susan George. Damals wohnte ich mit ihr und meiner Schwester Rona im Beverly Wilshire Hotel. Eines Abends, als Susan gerade nicht da war, rief er mich an und bat erneut um ein Rendezvous. Dieses Mal fiel es mir leichter, ihm streng zu erwidern: „Das kannst du nicht machen! Du gehst schließlich mit meiner Freundin!“

      Aber natürlich konnte er und ließ sich nicht abbringen, mich zu fragen. So lief mein erster Kontakt mit einem großen Filmstar ab.

      Sein Name?

      Den werde ich niemals verraten.

      *

      Für meine Entscheidung, mich in Amerika niederzulassen, war zum Teil auch die australische Gesangslegende Helen Reddy verantwortlich. Eines Abends in Florida besuchte ich ein Konzert meiner Landsfrau. Ich kannte Helens Schwester Toni Lamond ganz gut. Sie geleitete mich hinter die Bühne, damit ich Helen und Jeff –

      einen wilden, witzigen und ganz irren Typen – kennenlernte. Nach einer spektakulären Show spazierte ich also in ihre Garderobe. Helen war herzlich und charmant. Sie kannte sich im Musikgeschäft aus und half mir dabei, als Sängerin in den USA Fuß zu fassen.

      „Hör mal zu, Schätzchen“, sagte sie, „wenn du es in Amerika schaffen willst, dann musst du hier leben. Du musst verfügbar sein, um das, worum du gebeten wirst, auch tun zu können. Du musst hier leben, also zieh hierher.“

      Helen impfte mir das ein. Dieser Besuch würde nicht nur ein Abstecher bleiben. Ich zog tatsächlich um. Und es sollte sich als richtig erweisen.

      Nachdem mein erster großer Hit „If Not For You“ 1971 auf Platz 25 in die Charts eingestiegen war, landete ich 1974 mit „If You Love Me, Let Me Know“ einen noch größeren Hit. Der Song war von John Rostill geschrieben und von Bruce Welch und John Farrar produziert worden. Amerika rollte mir den roten Teppich aus. Ich war willkommen, und ich plante den großen Umzug.

      Immer noch unsicher, wo ich sesshaft werden wollte, wohnte ich im Sunset Marquis Hotel in West Hollywood, das viele Leute aus dem Musikgeschäft als Hauptquartier nutzten. Mein neues Zuhause war nicht viel mehr als ein kleiner beengter Raum mit Kochnische. Ich erinnere mich noch, wie ich an meinem ersten Abend im Sunset Marquis im Bett lag und Pistolenschüsse von der Straße hörte. Ach du meine Güte! Kann ich jetzt wieder nach Hause? All die schrecklichen Dinge, die ich über Amerika gehört hatte, schienen wahr zu sein: Es war tatsächlich der Wilde Westen! Ich lag da und fragte mich, ob ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.

      Am Morgen meiner Ankunft im Hotel traf ich auf Glenn Frey von den Eagles. Auch er betrachtete das Hotel als sein Zuhause in Los Angeles. Er hatte eine wunderbare lange Rocker-Mähne und trug seinen Gitarrenkoffer, als wäre er das Kostbarste auf der Welt. Vermutlich war er das ja auch. Glenn stellte sich mir vor, und wir unterhielten uns ein paar Minuten lang über das Leben auf

      Tour.

      Am nächsten Tag erhielt ich ein Dutzend Rosen und eine Karte, auf der stand: Willkommen in Amerika. Glenn Frey. Es war rührend, dass jemand, der so berühmt war und in einer von mir heiß geliebten Band spielte, sich die Mühe machte, mir das Gefühl zu vermitteln, ich sei an diesem für mich neuen und mitunter beängstigenden Ort tatsächlich willkommen. Seine herzliche Geste sollte ich niemals vergessen. Allerdings konnte ich mich nie wirklich bei ihm bedanken, denn ich habe ihn nie mehr wiedergesehen.

      Würde mich noch öfter das Heimweh überkommen? Selbstverständlich. Manchmal fühlte es sich an, als ob mich die Wände erdrückten. Ich dachte mir dann: Was tue ich bloß hier? Doch diese Augenblicke vergingen rasch, während meine Karriere den nächsten Schritt machte. Bald schon folgte mir Lee nach Amerika, und wir versöhnten uns. Mein Freund und ich waren nun wieder vereint. Fortan fungierte er wieder als mein Manager.

      Mein Leben auf Achse ging nun so richtig los, als ich meine erste große US-Tour unternahm. Starten sollte sie im Herzen Amerikas, in Minneapolis, Minnesota. Es gab da nur ein Problem: Ich hatte keine Band. Zum Glück kam John Farrar und spielte Leadgitarre. Außerdem war er mein musikalischer Leiter. Ein paar weitere Begleitmusiker engagierte meine Agentur für mich.

      In dieser ersten Band stimmte die Chemie nicht, und sie konnte meine Musik nicht richtig spielen. Am Ende unserer ersten achtstündigen Probe hatten sie es noch immer nicht drauf.

      Es war, gelinde gesagt, eine Katastrophe epochalen Ausmaßes.

      „Livvy, das funktioniert so nicht“, warnte mich John.

      „Wir müssen ein paar gute Musiker auftreiben“, antwortete ich mit besorgter Stimme. Ich durfte die Sache nicht in den Sand setzen. Schließlich bekäme ein amerikanisches Publikum zum ersten Mal mein ganzes Set zu hören – und nicht bloß ein paar Nummern in verschiedenen Fernsehsendungen.

      John klemmte sich hinter den Telefonhörer. Wir fanden eine Band, The Oneness, und schon wenige Stunden später war der Raum gefüllt mit neuen Leuten, die Gitarre, Schlagzeug und Keyboard spielen sollten. Wir probten die ganze Nacht, bis wir bei Sonnenaufgang den Bus bestiegen (in dem wir weiterprobten), um Kurs auf Minnesota zu nehmen.

      Unsere Garderobe war die Umkleide einer Sportmannschaft. John kam vor unserem Auftritt zu mir und setzte sich auf eine dieser niederen Sitzbänke. Ich erwartete, er werde nun eine dieser herzerwärmenden, motivierenden Ansprachen halten. „Wir können es schaffen“ und dergleichen. Doch das tat er nicht.

      „Liv, ich habe eine Mordsangst“, gestand er. „Ich bin noch nie in Amerika aufgetreten.“ Das sagte einer der brillantesten Musiker auf dem Planeten, der begabteste, den ich je kennen würde.

      „Ich glaube, dass wir das schon hinbekommen werden“, sagte ich mit zittriger Stimme.

      „Wir bekommen das hin?“, fragte er. Mit mindestens zwölf Fragezeichen.

      „Ja“, sagte ich, obwohl ich mir da gar nicht so sicher war.

      Dieses Mal musste ich ihm Mut machen!

      „Normalerweise ist Olivia diejenige, die vor der Show nervös wird. An diesem Abend musste aber sie mich beruhigen“, erinnert sich John Farrar. John will, dass immer alles perfekt ist. Diese Eigenschaft haben wir gemeinsam.

      Ich war selbst auch ein Nervenbündel und fragte mich, ob die Wörter in meinem Kopf in der Lage sein würden, in Form von Songtexten meinen Mund zu verlassen. Damals konnten wir Musiker noch nicht auf Teleprompter schauen, die uns an die Texte erinnerten. Ich hatte eine solche Angst, eine Textzeile zu vergessen oder zu


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