Hör nie auf zu träumen. Olivia Newton-John

Hör nie auf zu träumen - Olivia Newton-John


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festen Freund.

      Vielleicht war Mum deshalb plötzlich für den Umzug, auch wenn sie ein paar Regeln aufstellte. Sie wollte nicht, dass ich London bloß einen flüchtigen Besuch abstattete. Wenn ich tatsächlich Sängerin werde wolle, dann müsse ich – oder machen wir daraus besser ein „wir“ – für längere Zeit dort bleiben und versuchen, meine Karriere in Schwung zu bringen.

      Moment mal? Von allem, was ich kenne und liebe, und von meinem Freund wegziehen? Ohne mich!

      Wir stritten. Ich weinte und flehte. „Ich werde nicht gehen!“, schrie ich. Meine Teenager-Hormone befeuerten dabei meinen Zorn darüber, für einen längeren Zeitraum fortgeschickt zu werden. Was für eine Tragödie! Ich konnte nicht verstehen, warum ich gerade jetzt, wo ich in einer Fernsehshow auftrat, einen Freund und eine Karriere hatte, wegmusste. In der örtlichen Tageszeitung war sogar ein Artikel über mich erschienen! Reichte das denn nicht aus?

      „Du musst fahren“, sagte Mutter. „Wenn du singen willst, nimm diese Chance wahr. Vielleicht ist es die einzige, die du bekommst.“

      Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass ich daraufhin zu packen begonnen hätte. Doch ich blieb stur. Dann griff aber das Leben selbst ein, so wie es das oft tut, und nahm mir die Entscheidung ab.

      Mein kostenloses Ticket für die Schiffsreise würde (Gott sei Dank) bald verfallen, und mit diesem Termin im Hinterkopf war meine Zukunft klar. Schon bald stachen Mum und ich in See, und Ian blieb weinend am Kai zurück. Es brach mir das Herz, als mein Freund mir dabei zusah, wie ich abfuhr. Ich versprach ihm, in drei Monaten wiederzukommen. Doch für Heranwachsende ist das eine Ewigkeit.

      Die Verunsicherung der Teenager-Zeit traf mich mit voller Wucht, und ich litt während der ganzen Überfahrt nach England. Ich erinnere mich nur noch daran, dass ich zur „Königin Neptun“ ernannt wurde, als wir den Äquator überquerten. Dabei handelte es sich um eine kleine Feier, bei der ein frisch gekrönter „König Neptun“ alle Passagiere in Wasser tauchte. Als Königin musste ich nur dabeistehen und zusehen.

      Auf dem Foto sieht man, wie ich schmolle.

      Das Swinging London der Sechziger befand sich inmitten einer Kulturrevolution, die von der Jugend vorangetrieben wurde. Die florierenden Kunst-, Musik- und Modeszenen beeinflussten die ganze Welt. Zu den Exporten zählten etwa die Beatles oder die Miniröcke, die Twiggy und Jean Shrimpton trugen. Der neue Lifestyle nannte sich „Mod“, und die Szene war dank Bands wie den Who, den Kinks und den Rolling Stones durch Musik geprägt.

      Was für eine Zeit, um aufzuwachsen – und was für ein Ort erst!

      Wenn ich mich nur auch so gefühlt hätte! Ich habe vergessen zu erwähnen, dass mir mein Freund ein Ultimatum von drei Monaten gestellt hatte: Wenn ich dann immer noch nicht wieder zurück sei, werde er sich mit anderen zu verabreden beginnen.

      Mein Herz war zum ersten Mal gebrochen – und ganz sicher nicht zum letzten Mal!

      Mum und ich wurden in etwas hineingeworfen, das ein großes neues Abenteuer hätte werden sollen, als wir in unsere neue Wohnung in Hampstead einzogen. Doch ich hatte weiter schlechte Laune. Unser neues Zuhause war eine winzige Bude mit nur einem Schlafzimmer; deshalb schlief ich auf einem ausziehbaren Sofa. Die Miete betrug neun Pfund in der Woche. Das konnten wir uns leisten, weil ich ein wenig Geld von meiner Fernsehkarriere gespart hatte. Zum Glück hatte der „Bank-Tag“ aus Grundschul-Zeiten einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen, weshalb ich dieses Mal nicht vergessen hatte, etwas auf die Seite zu legen. (Keine Lutscher mehr für mich!)

      Mum und ich stritten uns aber immer noch wegen des Themas Schule. Sie wollte, dass ich die Royal Academy of Dramatic Arts besuchte. Ich wollte aber nie wieder in meinem Leben einen Bleistift in die Hand nehmen oder ein Schulbuch aufschlagen. Sie wollte, dass ich Schauspiel studierte. Ich hingegen wollte nur singen. Ich hätte auf sie hören sollen.

      Auch Rona, meine „Anstandsdame“, lebte inzwischen in England. Sie hatte keinen schlechten Einfluss auf mich, weil ich mich nicht für den „Sex, drugs and Rock’n’Roll“-Lifestyle der Sixties interessierte. Ich konnte ja nicht einmal eine weitere Zigarette vertragen. Stattdessen ließ ich Rona alle Triebe stellvertretend für mich ausleben.

      Ich war jedenfalls nicht sonderlich von London beeindruckt – zumindest anfangs nicht.

      „Alles hier ist so alt und schmutzig“, sagte ich geringschätzig. Wenn ich heute daran zurückdenke, kann ich gar nicht glauben, dass ich jemals so gedacht habe! Ich liebe nämlich die Schönheit dieser betagten, etwas verwohnten Gebäude mitsamt ihrer magisch anmutenden Geschichte. Mit sechzehn spielte die nachhaltige Bedeutung von Architektur für mich aber keine besondere Rolle.

      Wer jedoch sehr wohl eine wichtige Rolle für mich spielte, war Ian. Sehr zu Mums Missfallen hatte ich ihn nämlich nicht vergessen, obwohl ich wusste, dass er zu Hause in Australien sein eigenes Leben lebte und nicht darauf wartete, dass seine weit entfernt lebende Flamme zu ihm zurückkehrte.

      Ich muss wohl ziemlich anstrengend gewesen sein. Während Mum jeden Tag arbeitete, um in London unseren Lebensunterhalt zu verdienen, überlegte ich mir, wie ich zurück nach Melbourne gelangen könnte, um wieder mit Ian zusammen zu sein. Insgeheim buchte ich sogar mehrmals meine Rückreise, doch Mum war mir immer einen Schritt voraus und stornierte die Reservierung.

      Bald würden die drei Monate um sein. Ich musste unbedingt nach Hause. Mum sorgte jedoch dafür, dass ich ohne Ticket blieb, was mich stinksauer auf sie machte. Ich versuchte sogar, mich unter gerichtliche Vormundschaft stellen zu lassen, um mich rechtlich von ihr zu lösen. Antrag abgelehnt!

      Alles, was ich wollte, war, mit Ian zusammen zu sein. Doch da legte sich meine Mum quer. Was wusste ich schon in meinem Alter?

      Die Antwort? Rein gar nichts über das wirkliche Leben oder über die Männer. Aber das soll mal jemand einem verliebten Teenager erzählen, der sich tausende Seemeilen von seinem Schatz entfernt befindet und sich jeden Abend über den schmalzigen Briefen, die wir uns fast täglich schrieben, die Augen ausweint.

      Das Ende unserer Beziehung kam, als mir Ian mitteilte: „Liv, du bist immer noch nicht zurück, also habe ich angefangen, mich mit einer anderen zu treffen.“ In Wahrheit sehnte sich Ian nach einer Ehefrau und einer Familie, und ich war weder zum einen noch zum anderen bereit. Irgendwann bat ich ihn, nach London zu kommen. Aber er wollte Australien nicht den Rücken kehren. Ich wollte nämlich mittlerweile in England bleiben, was ein großer Wendepunkt war. In diesem Moment fand ich heraus, dass ich meine Karriere mehr wollte, als es mir bewusst gewesen war.

      Jetzt, da ich selbst Mutter bin, weiß ich, dass Mum das Richtige tat, als sie mit mir nach London zog. Sie wollte, dass ich mein Talent auslotete, und gab mir jede Gelegenheit dazu. Und Ian? Der heiratete tatsächlich die liebe Jan, und es stellte sich als die ideale Beziehung für ihn heraus. Ich mag Jan sehr, und wir blieben alle miteinander befreundet, bis er vor ein paar Jahren viel zu früh verstarb.

      1966 nahm ich für Decca Records meine erste Single auf. Sie trug den Titel „Till You Say You’ll Be Mine“. Die B-Seite hieß „For-Ever“. Ich hatte diese jungen Typen getroffen, die meinten, sie wollten eine Nummer mit mir aufnehmen. Leider klang sie so, als wäre sie in einem Badezimmer eingespielt worden. In einer der Besprechungen wurde mir empfohlen, besser eine Karriere als Flugbegleiterin anzustreben. Klar, es war keine sonderlich gelungene Produktion, aber es bedeutete zumindest einen ersten Schritt.

      Man muss mit Kritik umzugehen lernen – und ich habe es gelernt. Damals fiel es mir schwer, weil ich keine Erfolge vorweisen konnte, mit denen ich die kränkenden Worte hätte neutralisieren können, damit sie sich nicht in meinem Kopf festsetzten.

      Meine und Mums Rettung kam schließlich in Gestalt von Pat Carroll, die gerade erst in London eingetroffen war. Ich hatte mit Pat bereits in Australien in der Go Show zusammengearbeitet, einer Pop-Show für Teenager, die Ian moderierte und die aufstrebenden Acts wie etwa den Bee Gees eine Bühne bot.

      „Wir wurden auf Anhieb enge Freundinnen“, erinnert sich Pat.

      Pat war bereits eine bekannte Sängerin und Tänzerin. Während unserer kurzen Zusammenarbeit in der Show hatte sie mir ein paar Tipps


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