Hör nie auf zu träumen. Olivia Newton-John

Hör nie auf zu träumen - Olivia Newton-John


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– weit entfernt von der University High School, die ich nun besuchte – eine Anzahlung zu leisten. Bis dahin wohnten wir nahe dem Melbourner Zoo, und infolge unseres Umzugs musste ich von nun an auf meine „zoologische Uhr“ verzichten. Am Morgen weckten mich nämlich exotische Vögel, während am Abend die Löwen zu brüllen pflegten.

      Eine Art natürliche Background-Musik.

      Meine clevere Mum leitete unseren Umzug in die Wege und hielt uns finanziell über Wasser. Es gelang ihr sogar, das untere Stockwerk unseres Hauses in eine eigenständige Wohnung zu verwandeln, die wir untervermieten konnten. Das half uns, die Hypothek abzustottern, und brachte zusätzlich Geld ein. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Mum so gut mit Zahlen umgehen konnte. Danke, Großvater!

      Ich dagegen hatte es mit dem Lernen nicht so. Vielleicht lag es daran, dass ich meinen Vater vermisste, oder auch daran, dass ich einfach nicht so lernbegabt war; jedenfalls machte mir die Schule keinen Spaß. Ich hatte das Gefühl, als würden alle anderen begreifen und ich nicht. Obwohl ich sehr gut bei Intelligenztests abschnitt, hatte ich Mühe, mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Rückblickend denke ich, die Scheidung meiner Eltern hat mich wohl viel stärker mitgenommen, als mir bewusst war. Ich konnte einfach nicht behalten, was mir beigebracht wurde. Das setzte mich unter Stress, denn meine Familie sollte stolz auf mich sein. Und es half auch nicht, dass die Direktorin meiner Schule sehr streng war.

      „Keine Lacklederschuhe“, verlangte sie zum Beispiel. „Die Jungs werden mittels der Spiegelung in der Lage sein, euch unter die Röcke zu schauen!“

      Es ist schon witzig, sich die damaligen Moralvorstellungen noch einmal vor Augen zu führen. So durften wir auch nie die Farbe Rot tragen, weil das für die Jungs in unserer Nähe angeblich „zu aufregend“ gewesen wäre. Hätten die nur gewusst, dass ich eines Tages diesen Song mit dem Titel „Physical“ aufnehmen würde!

      Zu meinem Glück brauchte man keinen Uni-Abschluss, um zu singen. Stattdessen benötigte man hierfür ein klein wenig Glück und eine große Chance. Mit vierzehn schien mir genau diese Chance zuteilzuwerden, als ich drei Mädchen traf, mit denen ich heute noch gut befreundet bin: Carmel, Freya und Denise. Sie besuchten einen süßen Jungen, der in einem Loft wohnte, das sich gegenüber meinem Schlafzimmerfenster im ersten Stock befand. Die Mädels sahen mich ständig allein über meinen Hausaufgaben brüten. Doch schon bald fing ich an, mich mit ihnen von meinem Fenster aus zu unterhalten. Mum war auf der Arbeit, und als Schlüsselkind langweilte ich mich und freute mich über jegliche Art von zwischenmenschlichem Kontakt.

      Es waren liebe Mädchen, die gern sangen (so wie ich). Deshalb gründeten wir eine Gesangsgruppe, die wir Sol 4 nannten. Unsere Outfits bestanden aus Denim-Jeans, Leinenwesten und schwarzen Rollkragenpullis. Damals galten wir als ziemlich stylish und modern mit unseren langen Beatnik-Haaren und imitierten unsere musikalischen Helden aus Jazz und Folk.

      Bald „arbeiteten“ wir als Gruppe zusammen und buchten uns Auftritte in lokalen Jazzkneipen. Das war allerdings nicht gerade der sicherste Job. Nach einem unserer Konzerte wurden wir mit Kleingeld beworfen! Wir wussten nicht, ob das nun als Trinkgeld gedacht war oder als Aufforderung, die Bühne zu räumen! Einmal kam es sogar zu einer Keilerei zwischen Jazzern, wie wir es waren, und Rockern. Eine meiner Freundinnen wurde von einem der Rocker unsanft auf die Straße hinausbefördert. Dem war keinerlei Provokation vorausgegangen. Sie schrien einfach: „Ihr solltet euch besser für Rock’n’Roll interessieren!“

      Und glaubt mir: Das tat ich ja auch!

      Bald gelangte meine Mum zu dem Schluss, dass ich viel zu viel Zeit mit Singen und zu wenig mit Lernen verbrachte. Deshalb setzte sie der Sache ein Ende. Zumindest glaubte sie das. Meine Schwester Rona war inzwischen Mutter dreier Kinder und mit dem ortsansässigen Café-Betreiber Brian Goldsmith verheiratet. Brian ließ am Wochenende in seinem Lokal einen Folksänger namens Hans Georg auftreten. Ich durfte ihm zusehen, solange Rona gut auf mich aufpasste. Ich weiß noch, wie ich am Bühnenrand saß und Harmonien mitsang.

      Eines Tages lud mich Hans zu sich auf die Bühne ein, um tatsächlich mit ihm zu seiner Gitarre zu singen. Himmlisch! Alles fügte sich zu einem Ganzen zusammen. Ich hatte meine Bestimmung gefunden.

      Nun, vielleicht noch nicht ganz. Aber es sollte bald so weit sein. Rona kannte einen talentierten jungen Sänger und Entertainer namens Ian Turpie und wollte mich ihm vorstellen, obwohl ich gerade einmal fünfzehn Jahre alt war.

      Ian sah mich mit Hans singen, was dazu führte, dass wir beide zusammen sangen – und uns auch privat verabredeten. Er wurde mein erster fester Freund und meine erste Liebe.

      Kurze Zeit später machte mich Rona noch mit etwas anderem bekannt, das wunderbar sein und mein Leben verändern sollte. Am Samstagmorgen lief im australischen Fernsehen die Sendung Kevin Dennis Auditions, moderiert von einem bekannten örtlichen Autohändler. Darin sang jemand, tanzte oder führte irgendwelche anderen seltsamen Talente vor, oft von zweifelhafter Qualität. Ein paar Juroren zeigten entweder mit dem Daumen nach unten, oder ein Gong erklang, was „Daumen nach oben“ bedeutete. Man betete dafür, dass der Gong als akustisches Zeichen der Anerkennung geschlagen und man auf diese Weise für würdig befunden wurde.

      Eines Tages stellte mir Rona die magische Frage, nämlich ob ich in der Show auftreten wolle.

      Ich bat Ian, mich auf der Gitarre zu begleiten. Er war ein wunderbarer Gitarrist, und ich wollte einen meiner Lieblingssongs vortragen, nämlich „Summertime“. Wir kreuzten um acht Uhr morgens auf. Ich stand vor einer Jury, die wohl schwer zu beeindrucken sein würde. Ich betrat die Bühne, fasste mir ein Herz und sang.

      Gong!

      Gong!

      Gong!

      Ich erhielt die bestmögliche Wertung! Daraufhin rief Evie Hayes, eine Jurorin und damals eine amerikanische Fernsehberühmtheit, meine Mum an, um sie zu fragen, ob sie meine Karriere managen dürfe. Was denn für eine Karriere? Ich hatte doch nichts weiter vorzuweisen als einen Traum, drei Gongs und ein Publikum im Fernsehstudio, das mir eine Runde Applaus spendiert hatte.

      Mum war nie zögerlich, wenn es darum ging, ihren Nachwuchs zu beschützen.

      „Nun ja, im Moment manage ich ja Olivia, danke vielmals“, sagte sie.

      Plötzlich hatte ich eine Karriere und eine Managerin.

      Danke vielmals!

      You know all the answers.

      You know what is right.

      Mum erzählt mir oft, dass ich als kleines Mädchen eine Melodie perfekt singen konnte. „Du singst wie ein Engel“, sagte sie dann. Ich rührte meine Mutter und meine Schwester mit meinem Gesang immer zu Tränen. Aber auf eine gute Weise (hoffe ich zumindest). Schon als ich drei war, konnte ich ein Lied, das man mir vorsang oder vorspielte, Ton für Ton richtig wiederholen. In der Küche hatten wir ein großes Radio, dem ich stundenlang lauschte. Ich prägte mir zunächst die Texte zu meinen Lieblingssongs ein, bevor ich anschließend darauf bestand, meiner Familie ein Mini-Konzert zu geben. Diese Revuen liefen „professionell“ ab, selbst wenn der Eintritt frei war und mein Kostüm jeweils aus dem bestand, was ich aus dem Kleiderschrank meiner Mutter gezogen hatte.

      Obwohl ich gern sang, war ich schüchtern. Ich fand es schwierig, vor einem Publikum aufzutreten, und sang exklusiv für meine Familie. Ich würde lernen müssen, mein Lampenfieber zu überwinden. Einer meiner ersten öffentlichen Auftritte war als Lady Mary in einer Schulaufführung von The Admirable Crichton. Ich bekam es hin, wenn auch mit Bauchweh. Aber ich mochte es.

      Eine Karriere als professionelle Sängerin gehörte dennoch nicht zu meinen frühen Plänen. Ich dachte vielmehr darüber nach, irgendetwas mit Tieren zu machen. Etwa als berittene Polizistin. Das einzige Problem bestand darin, dass Frauen damals nicht zum Dienst bei der berittenen Polizei zugelassen wurden. Jahre später, als ich mit John Farnham und Anthony Warlow für The Main Event auf Tour war, wurde ich von der Adelaide Mounted Police zu einem Ausritt eingeladen. Endlich durfte ich auch diesen Traum ausleben!

      Es


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