Hör nie auf zu träumen. Olivia Newton-John
wollte! So zündete ich mir eine Zigarette an.
„Warum nimmst du nicht einen tiefen Zug?“, meinte Mum.
Mit Begeisterung kam ich ihrer Anregung nach, worauf ich einen heftigen, schier endlosen Hustenanfall hatte.
„Ich will nie wieder rauchen“, heulte ich.
Tja, sie war schon eine sehr clevere Mutter, meine Mum.
Jahre später lebten meine Freundin Pat und ich in London, wo wir gemeinsam sangen. Dort versuchte ich es noch einmal mit dem Rauchen. Wir hatten die verrückte Idee, dass wir auf diese Weise so verruchte Gesangsstimmen wie unsere Lieblingssängerin Julie London bekämen. Leider aber war verrucht noch kein Thema für mich, letztlich war ich immer noch wie diese Neunjährige in ihrem Pyjama. Und auch als ich noch später im Film Grease im Nachthemdchen auf der Leinwand rauchen sollte, verwandelte ich mich postwendend wieder in dieses kleine Mädchen.
Die Kunst ahmt das Leben nach!
Ich kann mich immer noch daran erinnern, wie der Rauch meines Vaters über die Ärmel meines rosa Baumwoll-Pyjamas zog. Ich schlief ein und konnte ihn mit der Nase gegen meinen Arm gepresst riechen. Ein Gefühl, das mir leider nicht mehr allzu lange vergönnt sein würde.
Von außen betrachtet wirkte unser Zuhause perfekt. Doch drinnen war es ganz anders. Als nach unserem Umzug in ein anderes Land der alte Trott wieder einkehrte, verschlechterte sich auch die Ehe meiner Eltern wieder. Das wusste ich, weil meine Eltern getrennt in Urlaub fuhren, obwohl sie sich Mühe gaben, keine große Sache daraus zu machen.
So erinnere ich mich etwa daran, wie unsere naturverbundene Mutter uns zum Campen nach Malacoota mitnahm, auf ein Feld nahe dem Meer. Eines Nachmittags wollten wir unser Abendessen fischen, als ein paar Kühe, die sich losgerissen hatten, unser Zelt mit allem Drum und Dran niedertrampelten. Alles, außer einer Büchse Kondensmilch, auf der das Antlitz einer Kuh zu sehen war! Mum konnte darüber nur lachen, und wir Kinder hatten Tränen in den Augen, so lustig fanden wir das. Mum hatte viel Sinn für Humor und konnte allem etwas Amüsantes abgewinnen. Ich liebte ihre Einstellung! Sie schaffte es sogar zu lachen, als ich versehentlich bei einem meiner ersten Angelversuche mit dem Haken im Mund meines Bruders hängenblieb!
Als ich etwa neun Jahre alt war, verkündeten meine Eltern, dass sie ein neues Haus auf dem Grundstück des Ormond College planten. Leider sollten wir nicht auch nur eine Nacht dort verbringen. Eines Abends nach der Schule teilte mir mein Vater ruhig mit: „Deine Mutter und ich werden nun getrennt leben, und du wirst bei ihr bleiben.“
„Aber was ist denn mit dem neuen Haus“, fragte ich durch einen Schleier aus Tränen hindurch. „Lasst ihr euch etwa …“
Ich konnte es gar nicht aussprechen.
Ich wollte es einfach nicht wahrhaben.
„Ja“, antwortete er, „wir lassen uns scheiden.“
„Aber ich will bei dir wohnen“, bettelte ich, während heiße Tränen meine Wangen hinabkullerten. Es war der schmerzlichste Augenblick in meinem noch jungen Leben, der noch schlimmer wurde, als mein Vater mit einer Endgültigkeit den Kopf schüttelte, die vermuten ließ, dass das letzte Wort in dieser Angelegenheit bereits gesprochen war.
„Du kannst nicht bei mir wohnen“, sagte er. „Es ist besser, wenn du bei deiner Mutter bleibst. Aber wir können uns immer noch jeden Tag sehen.“
Praktisch von einem Moment auf den nächsten wurde mein Leben somit auf den Kopf gestellt. Mum und ich zogen in eine nahe gelegene Wohnung in Parkville. Von nun an würde es schwieriger sein, meinen Vater zu sehen.
Es kam noch schlimmer. Mein Vater wurde aufgefordert, seinen Posten zu räumen, denn in dieser Position wünschte die Universitätsverwaltung nur einen verheirateten Mann – und von nun an entsprach er nicht mehr dem Bild des klassischen Familienvaters.
Das war sehr traurig, denn Dad liebte das Ormond College. Unter seiner Leitung hielt die Idee gemeinsamen Unterrichts von Jungen und Mädchen Einzug, und erstmals wurde Alkohol auf dem Campus erlaubt. Alles in allem war er ein beliebter Schulleiter. Doch Regeln waren nun mal Regeln – und als dann geschiedener Mann musste er seinen Hut nehmen. Da ihm keine andere Wahl blieb, zog Dad nach Newcastle, ganze zwei Flugstunden entfernt. Dort nahm er eine Stellung als stellvertretender Rektor an und unterrichtete Deutsch. Damit starb die Hoffnung auf wöchentliche oder wenigstens monatliche Besuche, da sein Gehalt sie nicht möglich machte.
Mein Herz blutete.
Auch Mum war tagsüber nicht viel zu Hause, da sie uns nun zum ersten Mal in ihrem Leben allein über die Runden bringen musste. Damals kamen Frauen bei einer Scheidung nicht sonderlich gut weg. Meiner Mutter dabei zusehen zu müssen, wie sie sich finanziell abmühte, zeigte mir, wie sich starke Frauen ins Zeug legen, um für sich und ihre Kinder zu sorgen. Mum hatte noch nie außerhalb des Haushalts gearbeitet, war aber humorvoll, gewitzt und intelligent. Auch verfügte sie noch über andere wertvolle Fähigkeiten. Sie schrieb schöne Gedichte und verfasste regelmäßig Leserbriefe zu lokalen Angelegenheiten, die sie an unsere Zeitung schickte.
Heute macht mich das alles traurig, weil meine Mutter stets wissenschaftlich sehr interessiert war, ihr jedoch abgeraten wurde, diese Richtung einzuschlagen. Damals wurden Frauen nicht dazu ermutigt, eine akademische Laufbahn anzustreben, was angesichts der Vergangenheit ihres Vaters in diesem Fall besonders schade war.
Zum Glück fand Mum bald schon eine Anstellung im damals höchsten Gebäude von Melbourne, dem ICI House. Es war Australiens erster Wolkenkratzer. Das war ganz schön aufregend, wenn Mum am Morgen zu ihrem Job als Empfangsdame aufbrach. Wir waren alle stolz auf sie, wie sie uns durchbrachte. Dad hatte nicht viel, was er entbehren konnte, schickte uns aber, was er zusammenkratzen konnte, um uns zu unterstützen. Meine Geschwister waren zu diesem Zeitpunkt bereits ausgezogen, und meine Schwester hatte zwischenzeitlich sogar geheiratet.
Deshalb waren wir also nurmehr zu zweit.
Wir konnten uns nur leisten, dass ich meinen Vater zu Weihnachten besuchte. Während dieser zwei Monate Ferien verbrachte ich so viel Zeit wie möglich mit ihm und den drei Töchtern seines besten Freundes, des walisischen Professors Harry Jones. Eine von ihnen, Shahan, brachte sehr willkommene Abwechslung und Freude in mein Leben, weil sie ein kastanienbraunes Pferd mit weißen Fesseln besaß. Es hieß Cymro, was auf Walisisch „Freund“ bedeutet. Es war das reine Vergnügen, jeden Tag mit ihr reiten zu gehen. Mein Vater mietete sogar ein eigenes Pferd für mich, damit wir zusammen ausreiten konnten.
Ach, wie lieb ich Flash, mein zotteliges Pony, doch hatte. Er war viel mehr als nur eine Leihgabe. Ich betete ihn an.
Morgens, wenn mein Vater beschäftigt war, ritten Shahan und ich nach Herzenslust. Daraufhin veranstalteten wir Picknicks mit ihren Schwestern. Später begaben wir uns mit den Pferden zum Strand oder zur Lagune, um dort zu schwimmen. Müde, aber glücklich kam ich nach Hause und erklärte meinem Vater, dass ich lieber nicht duschen wolle.
„Ich will wie mein Pferd riechen!“, gab ich zur Begründung an.
Meine innigsten Wünsche zu jener Zeit waren, dass mein Vater nach Hause zurückkehrte und dass ich den Moschusgeruch meines Pferdes – gewürzt mit der ledernen Note meines abgetragenen Sattels –
in eine Flasche füllen und mit mir nehmen könnte.
Ich liebte diese Sommer und wusste jeden Augenblick zu schätzen – auch als mein Vater sich in eine wunderbare Frau namens Val verliebte. Sie war die Bibliothekarin der Universität und eine sehr versierte Pianistin. Wenn mein Vater sang, begleitete sie ihn am Klavier. Irgendwann heirateten die beiden, und aus ihrer Ehe gingen meine jüngeren Geschwister Toby und Sarah hervor. Von Anfang an vergötterte ich sie beide.
Mir missfiel seit je die Vorsilbe „Stief-“ in Bezug auf Familienmitglieder. Damit verbindet man nichts Gutes und denkt an „Aschenputtel“ oder Ähnliches.
Eine der rührendsten Lektionen, die ich damals lernen durfte, war die, als meine Mum Vergebung mit Liebenswürdigkeit kombinierte und Dad und seiner neuen Frau Geschenke für ihre Babys zukommen ließ.
Ich vermisste meinen Vater,