The Who - Maximum Rock II. Christoph Geisselhart
die Zeit von Anfang 1965 bis Mitte 1970. Zu den acht Top-Ten-Titeln, die alle Pete geschrieben hat, gesellen sich Johns unsterbliches Spinnenepos „Boris The Spider“, das angeblich das Who-Lieblingsstück von Jimi Hendrix war und „nur aus machtpolitischen Gründen oder wegen meiner eigenen wankelmütigen Eitelkeit“ (Townshend) nie als Single erschienen ist; ferner „A Legal Matter“ und „The Kids Are Alright“ (beide 1966), „Magic Bus“ (1968), „Pinball Wizard“ (1969) und „The Seeker“ (1970).
Alle Songs auf diesem Album wurden bereits in Band eins ausführlich besprochen. Die acht größten Hits sind auf der Zusammenstellung allerdings nicht chronologisch angeordnet. Deshalb werden sie hier in ihrer korrekten Reihenfolge aufgeführt.
Aus dem Jahr 1965 stammen „I Can’t Explain“, „Anyway, Anyhow, Anywhere“ und „My Generation“. 1966 erschienen „Substitute“, „I’m A Boy“ und „Happy Jack“, ferner die weniger erfolgreichen Singles „A Legal Matter“ und „The Kids Are Alright“ sowie Johns „Boris The Spider“. „Pictures Of Lily“ und „I Can See For Miles“ erschienen 1967, „Magic Bus“ 1968, „Pinball Wizard“ 1969 und „The Seeker“ 1970.
Neben der ersten von der Band akzeptierten Retrospektive veröffentlichte Track im selben Herbst noch die weniger erfolgreiche, textlich aber bezeichnende Single „Let’s See Action“ aus Petes brach liegendem Lifehouse-Katalog. Decca USA plünderte dagegen Who’s Next und veröffentlichte parallel zur Tour „Behind Blue Eyes“ mit Johns „My Wife“ auf der Rückseite.
Die fast zeitgleichen Veröffentlichungen zeigen die unterschiedlichen Marktstrategien in Nordamerika und England. Während in der Alten Welt Singles noch als eigenständige Produkte betrachtet wurden, die man selten zusätzlich auf LPs presste, war es in den USA üblich, ein Album um erfolgreiche Singles herum zu entwickeln. Stones- und Beatles-Fans hatten unter diesem unterschiedlichen Verkaufsansatz bis in die frühen siebziger Jahre mehr zu leiden als Who-Fans, da die vielen Alben der Stones und Beatles diesseits und jenseits des Atlantiks teilweise erheblich voneinander abwichen. The Who, obwohl unbestritten zeitweise die Nummer eins unter den britischen Rockbands, haben es nie auf eine dergestalt üppige Plattensammlung gebracht, sondern sich vorrangig auf ihre Stärken als Liveband verlassen. In den Sechzigern veröffentlichten die Beatles zehn und die Stones acht, aber die Who gerade mal vier Alben, wovon eigentlich nur das erste, My Generation, als ein damals übliches Single-Album gelten kann. Tommy und The Who Sell Out sind eindeutig Konzeptalben; A Quick One ist ein Zwitterprodukt, das aus dem Hintergedanken entstand, jedem Bandmitglied ein paar hundert Pfund Tantiemen zu sichern.
Mit Meaty Beaty Big And Bouncy stellten sich The Who wieder einmal gegen den längst auch durch sie etablierten Trend, dass Rockschallplatten eine Botschaft in sich tragen sollten. Anfang der Siebziger hatte sich die Kommerzialisierung in der Rockmusik dann endgültig durchgesetzt. The Who spiegelten also auch in dieser Frage, wenngleich mit leichter Verzögerung, die Entwicklung in der Popwelt wider.
Meaty Beaty Big And Bouncy selbst bleibt von solchen Überlegungen freilich völlig unberührt und lässt sich bedenkenlos für jeden Fan früher Rock- und Popmusik empfehlen.
2.: „Join Together“: Deutscher Frühherbst und Swiss Connections – so aufregend kann ein stilles Who-Jahr sein
„Eine absolut umwerfende Erfahrung.“Pete über seinen Aufenthalt in Indien
„Ich nahm an, so leben alle Rockstars, aber es war nur bei Keith Moon so.“
Richard Barnes über das Leben in Tara House
„Pete hat sein Meher-Baba-Album aufgenommen, Keith bekam seinen Film, und Roger pflanzte Kartoffeln an.“
John über die Aktivitäten seiner Kollegen im Jahr 1972
„Sie waren laut und wild wie immer.“
Who-Fan Albert Trentmann
Anfang 1972 geschah etwas für The Who vollkommen Neues und Unerhörtes: Die Band machte Pause. Nicht nur für einen kurzen hektischen Urlaub zwischen zwei Konzertserien oder Studioproduktionen – nein, Roger, John, Pete und Keith genehmigten sich eine fünfmonatige Unterbrechung, in der jeder von ihnen beliebigen eigenen Aktivitäten oder auch einfach nur reinem Müßiggang nachgehen konnte. Seit 1964 war das die erste längere Auszeit, die man sich gönnte.
Dafür gab es zwei Gründe. Erstens konnten sie es sich leisten. Ihre letzte USA-Tournee hatte so viel schnelles Geld in die Kassen gespült, dass sogar die stets impertinenten Forderungen des englischen Finanzamts kein Anlass zur Sorge mehr boten. Dazu kamen regelmäßige Honorarabrechnungen aus nunmehr vier erfolgreichen Alben: Tommy, Live At Leeds!, Who’s Next und Meaty Beaty Big And Bouncy – finanziell, so schien es, hatten The Who ausgesorgt.
Zweitens aber steckte die Band in einer neuerlichen Sinnkrise. In der englischen Presse wurde gar über eine baldige Auflösung gemunkelt. Vor allem Pete, der kreative Vordenker, fühlte sich ausgebrannt und desillusioniert. Schon im vergangenen Halbjahr hatte er regelmäßig geklagt, dass The Who keine Entwicklungsräume mehr eröffneten, dass den drei anderen ihr aktueller Status offenbar genüge, dass er selbst an den Idealen des Rock’n’Roll aber festhalte und sein Glauben an die Dynamik der Rockmusik ungebrochen sei. Das Scheitern von Lifehouse hing ihm erkennbar nach.
Pete hatte bereits 1969 begonnen, spielerisch mit anderen Musikern zu arbeiten. In den Vereinbarungen mit Track hatte einst jedes Who-Mitglied den Auftrag erhalten, neue Talente für die Plattenfirma zu entdecken. Roger übernahm den Bereich Soul und R & B, John die klassische Musik, Keith Surfmusik und Entertainment, und Pete kümmerte sich um den Nachwuchs im Jazz und in neuen, experimentellen Stilrichtungen. Als Entdecker und Pate sollte jeder Who-Musiker von etwaigen Erfolgen seiner Favoriten profitieren; doch in der Realität lieferte diese etwas vage Regelung sehr bald Anlass für weitere Streitigkeiten mit Manager Kit Lambert.
Einer von Petes Schützlingen war Thunderclap Newman, jener skurrile Soundtüfter, den er einst ebenso wie sein Studienfreund Richard Barnes hoch verehrt hatte. Newman war zunächst nur einfaches Mitglied der nach ihm benannten Formation, die Pete mit ihm zusammengestellt hatte. Andere Mitglieder waren Speedy Keen, der seinerzeit zu The Who Sell Out einen Titel beigetragen hatte, und Jim McCulloch, der heimliche Augenzeuge von Neil Bolands Tod (siehe Band eins dieser Biografie). Unter Petes Anleitung erzielten Thunderclap Newman überraschende Erfolge, mit „Something In The Air“ gelang ihnen sogar ein britischer Nummer-eins-Hit. Die Bandmitglieder hatten jedoch wenig miteinander gemeinsam, und bald löste sich Thunderclap Newman wieder auf. Pete nahm Newman daraufhin als Solokünstler unter seine Fittiche.
Außerdem kümmerte sich Pete um Eric Clapton, da ihn dessen Verlobte Alice um Hilfe gebeten hatte:
„Sie rief mich fast jede Nacht an und bat mich, zu ihnen zu kommen. Das war eine neunzigminütige Fahrt, und wenn ich ankam, erklärte sie mir für gewöhnlich, dass sie mich als Beistand brauche, um zu bezeugen, was Eric ihr antat. Aber Eric schlief irgendwo, während sie hysterisch herumrannte. Sie war aufgebracht, weil sie Eric ganz uneigennützig ihr Heroinbesteck gegeben hatte. Und nun verlangte sie, dass er ihr seines gab und musste mit seinen selbstsüchtigen Ausbrüchen klarkommen, bei denen er sie bezichtigte, sie habe genau das Gegenteil getan und ihm sein Besteck weggenommen. Es waren typische Junkieszenen. Sehr erbärmlich. Trotzdem hatte ich die beiden lieb gewonnen. Das war meine erste echte Erfahrung mit Heroinsüchtigen. Ich war nicht vorbereitet auf die ganzen Lügen und Tricksereien.“
Pete half dem tief in Abhängigkeit gefallenen Kollegen auch bei der Arbeit im Studio, obwohl Clapton sich drückte und Pete mit Ausflüchten hinzuhalten versuchte, um seine Sucht zu verbergen: „Wir redeten Stunden um Stunden. Schließlich gestand er mir: ‚Ich bin ein Junkie.‘ Und ich antwortete: ‚Das weiß ich doch! Nur aus diesem Grund bin ich so oft hergekommen.‘ Er fiel aus allen Wolken, weil er dachte, er hätte es so gut kaschiert.“
Es dauerte fast ein Jahr, bis Clapton wieder in der Lage war, professionell Gitarre zu spielen. Petes Engagement markierte wohl den Beginn seiner Heilung: „Ich musste ihn regelrecht