Elvis - Mein bester Freund. George Klein
dass es nun an der Zeit sei, Aufnahmetermine für Elvis’ nächstes Album bei RCA festzulegen.
»Ja, das weiß ich«, sagte Elvis und drehte die Zigarre zwischen den Fingern. »Wir kriegen das schon hin.«
Die Session sollte schon bald stattfinden, und zwar entweder in den RCA-Studios in Nashville oder in Los Angeles. Felton begann zu überlegen, welche Studiomusiker in den kommenden Wochen frei wären. Elvis wollte immer mit einer starken Rhythmusgruppe zusammenarbeiten, und es bestand ein wenig Sorge, dass der beste Studioschlagzeuger aus Los Angeles, Hal Blaine, ausgebucht war und für die Aufnahmetermine nicht zur Verfügung stand. Felton schlug ein paar passende Ersatzmusiker vor und diskutierte dann darüber, welche Musiker sonst noch verfügbar wären oder nicht. Freddy Bienstock sagte, Hill and Range hätte eine Fülle neuen Materials, dass sie Elvis gerne vorstellen wollten.
Ich bemerkte, dass Elvis’ gute Laune einen Dämpfer erhalten hatte. In letzter Zeit war zwar alles gut gelaufen, doch war es lange her, dass er einen Hit gehabt hatte. Zum damaligen Zeitpunkt erschien ihm der Gedanke, in ein Aufnahmestudio zu gehen, schlicht als das, was es war – Arbeit. Je mehr Studiomusiker in Betracht gezogen wurden, desto mehr schien die fröhliche Ferienstimmung zu verpuffen. Das TV-Special war so gut gelaufen, und Elvis freute sich so sehr auf die anstehenden Konzerte, dass es fast eine Schande war, dass er nicht auch wieder großartige Schallplatten machen sollte.
Für mich war das übrigens keine Frage des Könnens oder Wollens. Elvis hatte gerade bewiesen, dass er in Topform war, und wenn wir auch nicht viel darüber redeten, so wusste ich doch, dass er sich nichts sehnlicher wünschte, als wieder die Spitze der Charts zu erklimmen. Ich war inzwischen der Meinung, dass dies ausschließlich davon abhing, was und wo er aufnahm. Natürlich konnte er sich in jedem Studio einrichten – das hatte er schon von Anfang an so gemacht, als er in dem kleinen, gemütlichen Studio des Memphis Recording Service zusammen mit Sam Phillips seine ersten Platten für Sun Records einspielte. Die größeren und besser ausgestatteten Studios, in denen er später arbeitete, hatten ihm jedoch nie so recht gefallen. Ganz egal, wie neu die Aufnahmegeräte waren oder wie teuer die Einrichtungen aussahen – Elvis arbeitete ganz nach seinem Gefühl, und es war eine Weile her, dass er an einem Ort aufgenommen hatte, wo er sich richtig wohl gefühlt hatte. Obendrein hatte er zwar ein extrem gutes Ohr für die Auswahl seines Materials, doch hatte es in letzter Zeit zu viele Sessions gegeben, bei denen einfach nichts Großartiges zur Auswahl stand.
Ich wusste genau, wo er die Atmosphäre und das Material finden konnte, die er suchte.
Ich wusste aber ebenso gut, dass es nicht klug wäre, ihm vor so vielen anderen Leuten einen wichtigen Vorschlag zu seiner Karriere zu machen, insbesondere, wenn sich die Gesellschaft aus Geschäftspartnern und Mitgliedern der Memphis-Mafia zusammensetzte. So offen und großzügig sich Elvis zeigte, so war er doch auch sehr stolz, und man vermied es daher tunlichst, ihn auf irgendeine Weise bloßzustellen. Das wäre eine todsichere Methode gewesen, um den Zutritt nach Graceland zu verwirken. Wenn man ihm etwas Wichtiges zu sagen hatte, vor allem, wenn es seine Arbeit betraf, war es klüger, ihn um eine private Unterredung zu bitten und ihm die entsprechenden Vorschläge dann auf die sanfte Tour nahe zu bringen. Man musste geschickt alles so hindrehen, dass er das Gefühl hatte, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Es ging ihm nie darum, dass wir uns neben ihm unbedeutend fühlten, aber Tatsache war auch, dass er der Superstar war und nicht wir. Man musste im Hinterkopf behalten, dass Elvis seine Freunde zwar schätzte und respektierte, aber nicht von ihnen zu etwas gedrängt werden wollte.
All das war mir bewusst, aber vielleicht war ich an jenem Abend in Graceland etwas übermütig, weil meine eigene Karriere ausgezeichnet lief und ich alles hatte, was ich mir je von einem Leben bei Funk und Fernsehen erträumte. Ich war der brandheiße Nummer-eins-Rock’n’Roll-DJ in Memphis und hatte eine beliebte Fernsehsendung namens Talent Party, Memphis’ Antwort auf American Bandstand und Shindig!. Ich verdiente meinen Lebensunterhalt, indem ich mir ein Gespür für die Entwicklungen in der Musik bewahrte, und ich wusste, dass Elvis das schätzte. Wenn es um Rock’n’Roll ging, hatte ich ein verdammt gutes Ohr dafür, was einschlug und was nicht.
Nun saß ich also so nahe bei Elvis, wie es nur ging. Mein Stuhl stand nur etwa 15 Zentimeter neben seinem. Als Felton, Tom und Freddy die anstehenden Aufnahmesessions planten, bemerkte ich, wie Elvis nervös mit seiner Zigarre spielte. Sein Gesichtsausdruck war ernster und düsterer als zuvor. Ich kannte die kluge Art, Elvis auf etwas anzusprechen, doch ich beschloss, diesmal nicht so umsichtig zu sein.
Ich hob meine Hand und sagte leise: »Elvis, darf ich etwas sagen?«
Die Tischgesellschaft verstummte. Elvis blickte mich mit einer gewissen Verwunderung in den Augen an.
»Klar, GK. Sag, was immer du willst.«
Also sagte ich es.
»Elvis, du bist der größte Star, der je gelebt hat. Du definierst den Begriff des Superstars. Du bist auf der ganzen Welt beliebt und besitzt mehr Energie und Talent als jeder andere. Du bist der vielseitigste Sänger, den ich je gehört habe. Du kannst alles singen.«
Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, wie Elvis die Brauen ein wenig hob, weil er sich fragte, worauf ich hinauswollte – wusste er doch wohl, dass ich nicht die Hand erhoben hatte, nur um ihm zu sagen, wie großartig er war.
»Elvis, du weißt, dass du alles singen kannst. Aber es macht mich ganz krank, dass du nur noch Material für B-Seiten angeboten bekommst. Du bist einer der größten Sänger der Welt und könntest die besten Autoren für dich schreiben lassen, aber diese Typen da am anderen Tischende liefern dir nur lausige B-Seiten-Scheiße, weil sie einen Teil der Urheber- und Verlagsrechte an den Songs haben wollen. Die Top-Autoren arbeiten heutzutage nicht mehr nach diesem Prinzip. Sie machen es anders, und das ist auch gut so. Elvis, wenn du kein gutes Material kriegst, kannst du nicht 100 Prozent geben. Und das ist schade, denn wenn du ein paar gute Songs in die Finger bekämst, würdest du Nummer-eins-Hits landen.«
Ich machte eine Pause, um Luft zu holen. Elvis sagte keinen Ton, und am Tisch herrschte Totenstille. Ich fand, ich könne nun ebenso gut alles sagen.
»Elvis, gutes Material ist nur die halbe Miete. Du sitzt hier, ein Superstar, und man sagt dir, welche Musiker du haben kannst und welche nicht und wann und wo du aufnehmen sollst. Elvis, nur zehn Meilen nördlich von hier sind die American Sound Studios, wo sie jetzt die größten Hits der Welt aufnehmen. Sie liegen im Norden von Memphis, anderthalb Meilen von unserer alten Humes High, in der Nähe der Ecke Thomas und Chelsea. Es ist ein kleines, flippiges Studio mit genau der Atmosphäre, die du so magst. Es ist weder schick noch auf dem neuesten Stand der Technik, aber sie nehmen dort phantastische Platten auf – ›The Letter‹ von den Box Tops, ›Hooked On A Feeling‹ von B.J. Thomas oder ›Angel Of The Morning‹ von Merrilee Rush. Alles Hits. Wilson Pickett hat dort aufgenommen, Neil Diamond ebenfalls. Dusty Springfield hat im American gerade erst ›Son Of A Preacher Man‹ eingesungen – sie ist extra aus England angereist, um hier im Norden von Memphis aufzunehmen, Elvis. Für die Jungs im American wäre es die Erfüllung eines Traums, wenn du bei ihnen aufnehmen würdest. Wenn man dort mit ein paar klasse Songs arbeiten würde, hättest du bestimmt ein paar Hit-Singles, da bin ich sicher. Du verdienst es, Elvis.«
Ich weiß nicht, ob es etwas noch Stilleres gibt als Totenstille, aber am Tisch war es nun verdammt still.
Zum ersten Mal wurde ich richtig nervös. Ich hatte gesehen, wie Leute, die mit Elvis gut bekannt waren, aus seinem inneren Zirkel ausgeschlossen wurden, weil sie ihre Grenzen überschritten hatten. In diesem Augenblick wäre es leicht für ihn gewesen, so zu tun, als wäre nichts geschehen, den anderen Anwesenden gegenüber einen Witz zu reißen und mich dann vor die Türe zu setzen. Der Gedanke, in Elvis’ Heim nicht mehr willkommen zu sein, war schrecklich. Ich mochte diesen Kerl mehr als alle Freunde, die ich je gehabt hatte, und konnte mir nichts Schlimmeres vorstellen, als seine Freundschaft zu verlieren. Ich wollte jedoch nichts unversucht lassen, um ihm dabei zu helfen, wieder ganz nach oben zu kommen. Also nahm ich dieses Risiko in Kauf.
Immer noch war es mucksmäuschenstill am Tisch. Ich war überzeugt, dass jeder mein Herz hören konnte, das wie wild schlug.
Langsam drehte Elvis seine kleine Zigarre zwischen den Fingern, dann