Elvis - Mein bester Freund. George Klein

Elvis - Mein bester Freund - George  Klein


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mit dem Zeigefinger auf mich.

      »GK hat Recht«, sagte er. Dann drehte er sich um und sagte zu den anderen am Tisch: »George hat Recht.«

      Das waren vermutlich die schönsten Worte, die ich je gehört habe. Ich war von der Mischung aus Glück und Erleichterung so überwältigt, dass ich einen Augenblick brauchte, um zu registrieren, dass ich noch etwas anderes hörte: Priscilla und die Jungs am Tisch applaudierten. Charlie Hodge reichte mir die Hand für ein »Gib mir fünf«, und Felton sprang mit einem lauten »Juhu« von seinem Platz auf: »Ich kann das American für dich buchen, Elvis. Ich kann dir Songs von Jerry Reed oder Mac Davis besorgen, was immer du willst. Ich kümmere mich darum.«

      »Ich habe einen guten Draht zu Neil Diamond«, sagte ich. »Ich weiß, dass es für ihn ganz bestimmt eine Ehre wäre, etwas für dich zu schreiben.«

      Elvis nickte, dann steckte er seine Zigarre in den Mund und biss darauf. »Es ist mir völlig egal, von wem das Material stammt«, sagte er. »Verlagsrechte und Prozente interessieren mich nicht. Es kümmert mich auch nicht, was die Autoren bekommen und was wir alles bezahlen müssen. Ich will einfach nur ein paar verdammt gute Songs.«

      Wieder jubelte die gesamte Runde. Naja, jedenfalls fast alle. Beim Sprechen hatte ich jeden Blickkontakt mit Tom Diskin oder Freddy Bienstock bewusst vermieden. Persönlich hatte ich nichts gegen sie, aber sie standen für das Geschäftsgebaren von Männern, die in Elvis mehr das Produkt denn einen echten Entertainer sahen – eine Marke, die sich gut verkaufen ließ, und weniger den Künstler, den es zu unterstützen galt. Ich sah ein paar Mal flüchtig in ihre Richtung und konnte an ihrem gequälten Lächeln ablesen, dass sie nicht gerade glücklich darüber waren, welche Richtung der Abend genommen hatte. Es war mir auch klar, dass sie alles haarklein dem Colonel berichten würden, sobald ein Hoteltelefon greifbar war.

      Ich wusste, dass es unklug war, sich gegen den Colonel zu stellen, aber an jenem Abend war mir das egal. Ich fand, dass ich für meinen Freund Elvis das Richtige getan hatte.

      Elvis stieß mich mit dem Ellenbogen an, und ich wandte mich zu ihm um. Er schaute mich einen kurzen Moment an, dann zwinkerte er mir zu. Das sagte mir alles, was ich wissen musste.

      Wir standen vom Tisch auf und begaben uns in das Arbeitszimmer neben der Küche. Alle redeten aufgeregt darüber, was wohl wäre, wenn Elvis wieder ein paar tolle Songs aufnehmen könnte. Marty Lacker, der ebenfalls zur Memphis-Mafia gehörte, war bereits im Arbeitszimmer, und zeigte sich über die Neuigkeiten ebenfalls begeistert. Er hatte bereits mit den American Studios zusammengearbeitet und hielt sie für den perfekten Ort für Elvis. Felton Jarvis kam mit einem breiten Grinsen im Gesicht auf mich zu, und bevor ich noch ein Wort sagen konnte, schnappte er mich und drückte mich an seine Brust. »George, ich habe exakt dasselbe gedacht, was du gesagt hast, aber ich hätte es selbst nie sagen können. Ich habe immer das Gefühl, dass ich zwischen allen Stühlen stehe, weil ich es nicht nur Elvis, sondern auch dem Colonel und der RCA recht machen will. Ich dachte, ich würde meinen Job verlieren, wenn ich das sagte. Aber du hast es ausgesprochen, Mann, du hast es gesagt.«

      Ich hatte kaum Zeit, ihm für seine Unterstützung zu danken, als er über meine Schulter hinweg rief: »Ich kann jetzt gleich beim American anrufen, Elvis. Wir können das gleich regeln.«

      »Dann ruf an«, sagte Elvis. »Je eher, desto besser.«

      Felton ging hinaus, um das Telefon in der Küche zu benutzen, und ich ging zu Elvis hinüber. Er sah mich an, und diese Andeutung eines Lächelns kehrte in sein Gesicht zurück.

      »Mensch, GK – wie siehst du denn aus? Du hast ja überhaupt keine Nerven.«

      »Puh, Elvis. Ich habe mich ganz schön weit aus dem Fenster gelehnt. Aber du weißt, es kam von Herzen.«

      »Das weiß ich, George«, sagte er. »Aber du hattest trotzdem Recht. Und wenn du Recht hast, hast du Recht.«

      Ich stand da und atmete nun wieder ein wenig freier. Die anderen Jungs unterhielten sich und alberten miteinander herum. Dann betrat Felton wieder das Zimmer.

      »He, Elvis. Wir haben die American Studios gebucht. Am nächsten Montagabend geht’s los.«

      Abermals gab es Applaus. Elvis kehrte in den Norden von Memphis zurück. Zurück in unser altes Viertel.

      Dorthin, wo alles begann …

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      Die Humes High war ein großer Backsteinbau an der North Manassas Street im Norden von Memphis – das größte Gebäude in diesem Stadtteil. Es war die Highschool für die Kinder und Jugendlichen, die in unserem Arbeiterviertel lebten. Es gab dort eine Mittel- und eine Oberstufe. Im Herbst 1948 kam ich in die achte Klasse. Es war mein zweites Jahr an der Humes, und ich freute mich schon richtig darauf. Ich war gerne in dem großen Gebäude, wo ich meinen eigenen Spind hatte und Teil einer großen Gruppe Jugendlicher war – einer Gruppe, zu der auch ein paar ziemlich hübsche Mädchen gehörten. Der Unterrichtsbeginn nach den Ferien hatte in jenem Herbst nur einen einzigen Haken, und das war ein bestimmter Kurs in meinem neuen Stundenplan: Der Musikunterricht von Fräulein Marmann.

      An der Humes gab es viele strenge Lehrer und Lehrerinnen, aber Fräulein Marmann war eine der strengsten. Die Schule war zwar voller Problemkinder, die während des Unterrichts allerlei Unfug machten, doch bei Fräulein Marmann saßen die Unruhestifter artig auf ihren Plätzen und achteten darauf, dass man sie nicht beim Kaugummikauen erwischte. Selbst nach den Maßstäben des Jahres 1948 war Fräulein Marmann eine Lehrerin der »alten Schule«. Es hieß, sie schlüge unaufmerksame Schüler am liebsten mit einem Lineal, das sie eigens zu diesem Zweck in ihrer Schreibtischschublade aufbewahre.

      Ich mochte Musik ganz gern, aber ich war nicht sonderlich scharf darauf, verhauen zu werden. Also begann ich schon lange vor Beginn des neuen Schulhalbjahres nach einem Ausweg zu suchen. An der Humes gab es die Verfügung, dass man als Mitglied der Schulkapelle nicht am Musikunterricht teilzunehmen brauchte, also meldete ich mich zu einem Eignungstest an und sagte, dass ich am liebsten Schlagzeug spielen würde. Ich stellte fest, dass auch viele andere Jugendliche versuchten, sich über eine Mitgliedschaft in der Kapelle um Fräulein Marmanns Musikunterricht zu drücken. So gesehen förderte sie tatsächlich die musikalische Entwicklung der Schüler. Die Prüfung bestand aus einem ziemlich schweren schriftlichen Teil und einem praktischen Test. Offenbar schnitt ich bei keinem der beiden sonderlich gut ab, denn man befand relativ schnell, mein musikalisches Talent reiche für einen Posten in der Marschkapelle nicht aus.

      Hätte ich andererseits nur ein klein wenig Schlagzeug spielen können, hätte ich Elvis Presley vielleicht nie kennengelernt.

      Die Schule begann, und Fräulein Marmann wurde ihrem Ruf voll gerecht. Sie schwang tatsächlich ein Lineal, aber es zeigte sich auch, dass sie und ich gut miteinander zurechtkamen. Offenbar fanden wir beide, dass ein Großteil der populären Musik jener Zeit langweilig, einfallslos und ohne künstlerischen Anspruch war. Eines Nachmittags beklagte sie, dass sich die musikalischen Einflüsse in unserem Alltag auf ein paar wenige Hits beschränkten. Ich hob meine Hand und warf ein, dass »Dance, Ballerina, Dance« von Vaughn Monroe die ganze Zeit im Radio laufe und mich der Song wahnsinnig mache. Statt nach ihrem Lineal zu greifen, lächelte Fräulein Marmann sogar ein bisschen und sagte: »Das ist ein sehr gutes Beispiel, George.«

      Unser mangelndes Interesse für die Songs aus der Hitparade war aber wahrscheinlich das Einzige, was Fräulein Marmann und mich verband, wenn es um Musik ging. Sie fand, wir sollten alle lieber Bach, Brahms und Beethoven hören. Ich wusste noch nicht recht, was für Musik ich eigentlich im Radio hören wollte, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sie nicht von einem Orchester gespielt werden sollte.

      Im November kam ein neuer Junge in Fräulein Marmanns Musikunterricht, dessen Familie gerade von Tupelo, Mississippi, nach Memphis gezogen war. Ich bin sicher, dass die Lehrerin seinen Namen nannte und ihn uns anderen vorstellte, aber er fiel nicht sonderlich auf, und so nahm ich kaum Notiz von ihm. Bis zu einem Freitag ein paar Wochen später, als Fräulein Marmann verkündete, dass bald Weihnachten vor der Tür stehe und sie statt regulärem Unterricht


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