Elvis - Mein bester Freund. George Klein

Elvis - Mein bester Freund - George  Klein


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meiner Zeit an der Humes High besuchten Elvis und ich häufig denselben Unterricht, darunter einen Schreibmaschinenkurs, den wir beide nur mit Ach und Krach bestanden, soweit ich mich erinnere. Manchmal begegnete ich ihm auch in der Stadt. Als der Mid-South-Jahrmarkt 1950 auf den Memphis Fairgrounds gastierte, planten einige Freunde und ich, uns die 50 Cent Eintritt zu sparen, indem wir an einer bestimmten Stelle hinter ein paar Zirkuszelten über einen Maschendrahtzaun kletterten. Eines Abends hatte ich den Zaun schon halb überwunden, als ich plötzlich spürte, dass jemand an ihm rüttelte. Ich sah nach links und erblickte Elvis, der sich ebenfalls auf halber Höhe befand. Auch er sparte sich gern die 50 Cent.

      Ich glaube, jeder Highschool-Schüler sucht nach einer Möglichkeit, die eigene Persönlichkeit nach außen zu kehren und sich von der Masse abzuheben. Um Aufmerksamkeit zu erregen, tat man sich damals zumeist im Sport hervor, wurde Cheerleader oder engagierte sich in der Schulpolitik. Ich wählte die politische Schiene, wurde Herausgeber der Schülerzeitung und des Jahrbuchs. In meinem Abschlussjahr war ich Jahrgangssprecher. Ich genoss es, dass ich in der Lage war, mit allen möglichen Klassenkameraden gut auszukommen – den Sportlern, den Denkern und denen, die ein bisschen anders waren. In der zehnten und elften Klasse brachte Elvis seine Gitarre immer öfter mit in den Unterricht, um bei kleineren Veranstaltungen wie Klassenfesten zu spielen. Im Abschlussjahr war es dann ganz klar, dass Elvis etwas Besonderes war.

      Das Auffälligste an ihm war, dass er sich anders kleidete. Die meisten von uns trugen Jeans und schlichte Hemden. Elvis hingegen sah man nie in Jeans (ich erfuhr später, dass er sie hasste, weil sie ihn an die Arbeitskleidung erinnerten, die seine Familie getragen hatte, als sie bettelarm war). Stattdessen zog er schwarze Bundfaltenhosen mit einem rosa Streifen an den Außenseiten der Hosenbeine an und ein Sakko mit aufgestelltem Kragen. Er ließ sein Haar lang wachsen und kämmte es nach hinten. Außerdem trug er Koteletten. Was mich heute noch verblüfft, ist die Tatsache, dass sein Look damals nirgendwo in Memphis angesagt war. Soweit ich weiß, trug niemand solche Klamotten – außer Elvis. Sein Äußeres war zwar sein Markenzeichen, aber er machte keinen großen Wind darum und schien sich nie in den Vordergrund spielen zu wollen. So prägte er sich still und leise dem Gedächtnis seiner Mitschüler ein. Gleichsam wie ein Hammer aus Samt.

      Elvis sah damals noch nicht so gut aus wie später – seine unverwechselbaren Gesichtszüge waren noch nicht voll ausgeprägt. Daher wussten die meisten Mädchen an der Humes nicht recht, was sie mit diesem seltsam anderen Klassenkameraden anfangen sollten. Einige der Jungs wiederum fanden, dass jemand, der derart aus dem Rahmen fiel, eine Abreibung verdient hätte. Eines Tages lauerten ihm ein paar harte Jungs bei den Toiletten auf. Sie fuchtelten mit einer Schere herum und sagten, sie würden ihm die Haare abschneiden. Er versuchte, sich zur Wehr zu setzen, doch seine Tolle wurde nur dadurch gerettet, dass Red West, einer der stärksten und furchtlosesten Burschen der ganzen Schule, zufällig hereinkam und sah, was vor sich ging. Red sagte den Möchtegern-Friseuren, wenn sie Elvis die Haare schneiden wollten, müssten sie zuerst ihm die Haare schneiden, und damit war der Fall erledigt.

      Als krönender Abschluss meiner Schulzeit an der Humes durfte ich als Jahrgangssprecher eine Rede vor der gesamten Schule halten. Der schönste Augenblick für Elvis war vermutlich sein Auftritt bei dem Talentwettbewerb, den die Abschlussklasse jedes Jahr veranstaltete. Die Aula war bis auf den letzten Platz gefüllt. Er betrat die Bühne und sang Teresa Brewers »Til I Waltz Again With You«. Ich erinnere mich noch, wie erstaunt ich war, dass einige der raubeinigen Football-Typen, die es Elvis so schwergemacht hatten, bei diesem Auftritt begeistert pfiffen und ihm zujubelten.

      Ich sagte zu einem von ihnen: »Du klatschst ja wie verrückt – ich dachte, du kannst Elvis nicht leiden.«

      »Ach was, Elvis ist in Ordnung«, sagte der Junge. »Wir haben ein bisschen Schabernack mit ihm getrieben, aber er hat es ganz locker weggesteckt. Außerdem ist er in unserer Klassenstufe, und er ist der beste Sänger da oben auf der Bühne.«

      Dagegen ließ sich nichts mehr einwenden.

      Während meiner Zeit an der Humes hörte ich immer häufiger WDIA. Je mehr Musik ich dort kennenlernte, desto weniger interessierte mich der glattgebügelte Weichspülerpop von Leuten wie Doris Day, den Ames Brothers oder Mitch Miller. WDIA sendete allerdings nur bis Sonnenuntergang, danach musste man WHBQ einstellen, wenn man abends noch neue Klänge hören wollte. Der Sender hatte spätabends eine Show namens Red, Hot and Blue im Programm, die von einem wilden, verrückten Original namens »Daddy-O« Dewey Phillips moderiert wurde.

      Dewey hatte als Verkäufer in der Schallplattenabteilung von Grants Kaufhaus in Memphis angefangen. Irgendwann war ihm eine Idee gekommen, wie er den Verkauf ankurbeln könnte: Er spielte seine Lieblingsplatten über die Haussprechanlage und kommentierte dies mit einem schnellen, wilden Gebrabbel. Er klang dabei wie eine Mischung aus Hinterwäldler, Tanzanimateur, Auktionator und Wahnsinniger. Viele Kunden kamen nur deshalb, weil sie ihm bei der Arbeit zuhören wollten. Die Verkaufszahlen schossen in die Höhe. Es dauerte nicht lange, da beschloss man bei WHBQ, den komplett unerfahrenen und nicht als Sprecher ausgebildeten Dewey mit einer eigenen Sendung über den Äther zu schicken. Er wurde auch dort zum Renner. Im Jahre 1951 stand seine ungemein beliebte Sendung sechsmal pro Woche von 21 Uhr bis Mitternacht auf dem Programm. In Red, Hot and Blue bekamen die Jugendlichen frischere, aufregendere Klänge zu hören: Doo-Wop, Jump Blues, Deep Country und vor allen Dingen etwas ganz Neues, das sich »Rhythm and Blues« nannte.

      »Aufgepasst«, hörte man Dewey kreischen, »ich muss euch guten Leutchen da draußen sagen, dass ich heute Abend total aufgekratzt bin – ich bin so nervös wie ein Frosch auf der Landstraße, der gleich von einem Laster überrollt wird.« Wenn er versuchte, die nächste Platte aufzulegen, gab es eine schrille Rückkopplung – dann quäkte er »Ahh, ruft besser Sam«, einen seiner Lieblingssprüche, über die Einleitung des Songs. Er bevölkerte seine Sendung mit einer Truppe verrückter Charaktere, die er alle selbst sprach – Dizzy Dean, die schusselige Großmutter, die mannstolle Lucy Mae. Manchmal stellte er auch seiner fiktiven Assistentin, einer Kuh namens Myrtle, eine Frage, die diese dann mit einem ernsten »Muh« beantwortete. Sogar der Werbung nahm sich Dewey auf seine spezielle Art und Weise an: Er improvisierte und erfand ein paar ziemlich schräge Slogans (»Falstaff Bier – wenn ihr es nicht trinken wollt, friert es einfach ein, schneidet es in Scheiben, und esst es!« Oder: »Falstaff – öffnet eine Rippe und leert es euch rein.«)

      Durch Dewey begeisterte ich mich mehr fürs Radio als je zuvor. Ich war fest entschlossen, alles zu tun, um selbst Teil dieser seltsamen Welt zu werden. In meinem Abschlussjahr an der Humes High bekam ich eine erste Chance. Ich ergatterte einen Posten als Assistent der Moderatoren, die für die Übertragungen unserer Football-Spiele im örtlichen Radio zuständig waren. Meine Aufgabe war es, das Spiel zu beobachten und die Namen und Nummern der jeweiligen Spieler auf eine große Tafel zu schreiben, damit die Sprecher das Spiel flüssig kommentieren konnten. Als einer dieser Sprecher im Frühjahr darauf einen Job bei WHBQ bekam, nahm er mich mit, um ihn bei den nachgestellten Spielen der Baseballmannschaft Memphis Chicks als Assistent zu unterstützen.

      Bei solchen Spielen berichtete ein Reporter über den Ticker der Western Union direkt aus dem Stadion. Im Studio von WHBQ im Mezzanin des Hotels Chisca versorgte ich damit den Sprecher, der das Spiel dann kommentierte, als würde es vor seiner Nase ablaufen. Um die gewünschte Atmosphäre herzustellen, wurden zusätzlich Aufnahmen von Jubelstürmen und Buhrufen eingespielt. Wenn ein Ball gut geschlagen wurde, klopfte der Sprecher mit einem kleinen Holzhammer neben das Mikrofon. Wenn der Schläger ausholte und den Ball verfehlte, klatschte der Sprecher auf seine lederne Brieftasche. Das klang dann ungefähr wie der Aufprall des Balls auf dem großen Lederhandschuh des Fängers. Es war eine ziemlich seltsame Arbeit, aber es war richtige Radioarbeit.

      Nach meinem Abschluss an der Humes schrieb ich mich am Memphis State College für das Hauptfach Wirtschaft und die Nebenfächer Rhetorik und Theaterwissenschaften ein. Abends hörte ich immer noch Red, Hot and Blue. Durch die Arbeit beim Sender erfuhr ich, dass Dewey Phillips im wirklichen Leben genauso verrückt war, wie er auf Sendung klang. Während seiner Show setzte Dewey den Studiogerätschaften derart zu, dass die Techniker einen Extra-Senderaum ganz für ihn allein eingerichtet hatten, wo er sich nach Lust und Laune austoben konnte. Die Sendeleitung wollte Dewey bei seinen Nachtschichten jemanden zur Seite stellen, der ein wenig


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