Elvis - Mein bester Freund. George Klein

Elvis - Mein bester Freund - George  Klein


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erinnern. Es war an einem Abend, als wir beide wieder einmal bei WHBQ landeten und darauf warteten, bis Dewey mit seiner Sendung fertig war, damit wir mit ihm gemeinsam noch etwas anstellen könnten. Ich wusste, dass Elvis mit seinen Auftritten in den Louisiana Hayride-Sendungen großen Erfolg hatte und er rasch vom Newcomer zum ernstzunehmenden Musiker und schließlich zum Star aufgestiegen war.

      »Elvis, es sieht so aus, als würdest du bald Webb Pierce, Ferlin Husky und Hank Snow Konkurrenz machen«, sagte ich und nannte damit drei der bekanntesten Country-Stars, mit denen er dort aufgetreten war.

      Er schüttelte den Kopf und musste ein wenig lachen.

      »Nein, George. Ich will es mit Bill Haley aufnehmen.«

      Wir konnten es zu diesem Zeitpunkt freilich noch nicht wissen, aber nur wenige Monate später rockte Elvis tatsächlich an der Spitze der Charts. Niemand hielt ihn nun noch für einen Country-Schnulzensänger.

      Als ich an meinem ersten Tag bei WMC zum ersten Mal mit The Rock’n’Roll Ballroom auf Sendung ging, war mir sehr wohl bewusst, dass der Rock’n’Roll eine Kraft besaß, die als erregend, aber auch als anstößig empfunden werden konnte. Ich beschloss, dass ich, wenn ich schon anstößig sein wollte, dies gleich im ganz großen Stil tun sollte. Ich stellte mich den WMC-Hörern mit der lautesten, härtesten Rock’n’Roll-Platte vor, die mir in den Sinn kam: Little Richards neuester Single »Tutti Frutti«. Ich war nun offiziell ein Rock’n’Roller.

      Auf WMC spielte ich auch weiterhin die lauten und harten Rock’n’Roll-Platten, die ich so mochte, und ziemlich schnell bekam ich ebenso viel Post wie zuvor bei KWEM. Es dauerte nicht allzu lange, da tauchten die Briefschreiber selbst auf. Damals gestatteten viele Sender Jugendlichen, den DJs während der Sendung zuzusehen, doch gab es in den WMC-Studios nicht sonderlich viel Platz. Also beschloss die Geschäftsführung, mir einen richtigen Ballsaal zur Verfügung zu stellen – ein Auditorium mit 300 Plätzen im Gebäude des Goodwyn Institute, wo die Studios ihren Sitz hatten. Man baute speziell für mich eine Sendekabine, damit ich auf der Bühne arbeiten konnte, wo ich meine Sendung wie gewohnt moderierte. Die Jugendlichen konnten kommen, Platz nehmen und wie bei einem Live-Konzert zuschauen. Manchen Radioleuten wäre es vielleicht nicht so recht gewesen, wenn man sie plötzlich derart zum Live-Unterhalter machte. Ich hingegen muss offen gestehen, dass ich es in vollen Zügen genoss. Es war ein tolles Gefühl, die Energie des Publikums zu spüren, und nichts machte mich glücklicher, als einen Song zu spielen, zu dem die Leute in den Seitengängen des Saales tanzten.

      Elvis hatte inzwischen eine ganze Reihe von Singles bei Sam Phillips’ Label Sun Records veröffentlicht, und ich spielte sie alle. Stets beeindruckte es mich, dass seine Musik immer besser zu werden schien (»Milk Cow Boogie« fand ich zwar ein bisschen unbeholfen, aber Songs wie »Mystery Train« und »Baby Let’s Play House« waren Abräumer). Gelegentlich schaute Elvis auch selbst während meiner Sendung herein, um eine neue Platte abzugeben. Dann leistete er mir in der Sendekabine Gesellschaft, genauso, wie er es auch bei Dewey schon getan hatte. Es schien ihm sehr zu gefallen, wie ich meine verrückten Reime aus dem Ärmel schüttelte, wenn ich eine Platte ansagte. Außer »DJ Äh« fiel ihm daher noch ein weiterer lustiger Spitzname für mich ein: »Der verrückte Dichter unter den Bühnenlichtern«.

      Besonders gut gefiel ihm ein Spruch, den ich immer häufiger verwendete, um seine Platten anzusagen: »Jetzt singt der King.« Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, ob ich der erste DJ war, der Elvis »King« nannte, aber weder er noch ich hatten es zuvor irgendwo gehört.

      Da ich für vornehmlich weiße Jugendliche hauptsächlich schwarze Rock’n’Roll-Platten spielte, hätte ich mich eigentlich mittendrin im kulturellen Spannungsfeld dieser Musik befinden müssen. Ich kann mich, ehrlich gesagt, jedoch nicht daran erinnern, jemals einen wütenden Brief von einem Priester, einem Lehrer oder besorgten Eltern erhalten zu haben. Ich lebte zwar im von der Rassentrennung geprägten Süden, aber ich glaube, in Memphis herrschte eine ganz besondere Atmosphäre, die es den Menschen gestattete, über die Musik zueinanderzufinden. In anderen Bereichen war dies freilich nicht möglich. Es wäre undenkbar gewesen, dass Schwarze zu Jack’s gingen, einem Hamburger-Imbiss und Teenagertreff ganz in der Nähe der Humes High (es kam uns jedoch auch gar nicht in den Sinn, dass eine schwarze Person vielleicht einen Hamburger bei Jack’s essen wollte). Aber wenn ich in die Plattenläden ging, traf ich dort auf schwarze und weiße Musikfans, die bestens miteinander auszukommen schienen. Für viele von uns war die Liebe zur Musik schlicht viel wichtiger als die Frage der Hautfarbe – eine Einstellung, die mir Dewey und Sam Phillips vorlebten, wenn ich ihnen bei der Arbeit zusah.

      Ich sah die berühmten Nachrichtenausschnitte, in denen Sendeleiter im ganzen Land Rock’n’Roll-Platten zerbrachen und erklärten, sie würden bei ihrem Sender keine »Niggermusik« dulden. Bei den Sendern, für die ich arbeitete, hörte ich solche Sprüche jedoch nie. Obwohl man auch außerhalb von Memphis ab und zu Menschen das »N«-Wort sagen hörte, so galt es doch zumindest in meinem Bekanntenkreis nicht als cool, so daherzureden. Im Allgemeinen betrachtete man das Wort als etwas, das eher zum Wortschatz der ungebildeteren Schichten gehörte.

      Menschen, die nicht aus Memphis stammten, staunten bisweilen darüber, wie wir dort miteinander zurechtkamen. Nun, da ich bei einem der größeren Sender der Stadt arbeitete, suchten mich zunehmend Betreiber von Plattenfirmen und Werbeleute auf, die Exemplare ihrer neuesten Aufnahmen vorbeibrachten und mich davon zu überzeugen versuchten, dass ich die Platten in meiner Sendung spielte. So lernte ich einige der legendären Schwergewichte aus diesem Bereich des Musikgeschäfts kennen – Leonard Chess von Chess Records, Joe Kolsky von Diamond Records, Jerry Wexler von Atlantic, Morris Levy von Roulette Records, die Brüder Bihari von RPM. Das waren ziemlich hartgesottene Jungs, und manchen sagte man Verbindungen zur Mafia nach. Ich stieß immer auf die gleiche Reaktion: Sie konnten es einfach nicht fassen, dass ein kleiner Jude aus Memphis ihre energiegeladenen, heftig umstrittenen schwarzen Rock’n’Roll-Platten für ein jugendliches weißes Südstaaten-Publikum spielte.

      Eines Abends besuchten Elvis, Dewey und ich zusammen den Variety Club. Der Privatclub war der einzige in der Stadt, der bis nach Mitternacht geöffnet hatte, und außerdem gab es gute Cocktails. Dort bekam ich einen guten Eindruck von der Freundlichkeit und der guten Laune, die Elvis als Mensch ausmachten. In seinem Abschlussjahr an der Humes hatte Elvis im Loews State-Kino als Platzanweiser gearbeitet, das an der Main Street im Zentrum von Memphis lag. Dadurch hatte er Gelegenheit, die dort gezeigten Kinofilme mehrfach zu sehen, und nach und nach wurde er ein richtiger Cineast. Er sah James Dean, Montgomery Clift und Marlon Brando, beobachtete, wie sie sich bewegten, sprachen und mit winzigen Gesten große Wirkung erzielten. Er war äußerst aufmerksam und erwarb ein intuitives Verständnis für das Medium. Als Elvis später begann, seine eigenen Filme zu drehen, staunten die Hollywood-Leute darüber.

      Wenn Elvis nicht gerade auf die Kinoleinwand sah, verbrachte er offenbar viel Zeit damit, ein bildhübsches Mädchen anzustarren, das an der Theke für Süßes arbeitete – ein Mädchen, das seine Aufmerksamkeit dadurch erwiderte, dass sie ihn gratis mit Süßigkeiten versorgte. Als ein anderer, eifersüchtiger Platzanweiser dem Kinomanager von diesen Zuwendungen berichtete, entbrannte zwischen Elvis und seinem Kollegen ein Faustkampf. Prompt wurde Elvis von dem Manager, einem gewissen Arthur Groom, gefeuert.

      Als Elvis, Dewey und ich den Variety Club betraten, saß an der Bar niemand anderes als besagter Arthur Groom. Er sah, wie wir an einem Tisch Platz nahmen und kam herüber, um hallo zu sagen. Elvis war bereits so erfolgreich, dass es durchaus gerechtfertigt gewesen wäre, wenn er jemanden, der ihn einmal gefeuert hatte, zurückgewiesen hätte. Er war jedoch extrem höflich und zuvorkommend und redete seinen ehemaligen Arbeitgeber immer noch mit »Herr Groom« oder »Sir« an. Die beiden lachten ein wenig miteinander, und Groom gratulierte Elvis zu seinem Erfolg. Hätte er ihn damals nicht gefeuert, so scherzte er, wäre Elvis inzwischen womöglich stellvertretender Geschäftsführer des Loews State. (Hier bleibt anzumerken, dass Elvis’ erster Film, Love Me Tender, im Jahr darauf sein Memphis-Debüt in genau dem Kino feiern sollte, das ihn einst vor die Tür gesetzt hatte, nämlich im Loews State an der Main Street.)

      Um Weihnachten 1955 herum besuchten Elvis, Dewey und ich abermals den Variety Club. Dewey und ich hatten Elvis eine Zeitlang nicht gesehen. Er hatte gerade einen großen Karriereschritt hinter sich, nämlich


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